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Hamburg schließt Gerechtigkeitslücke

Schätzungsweise acht Prozent der Beamtinnen und Beamten sind gesetzlich krankenversichert. Sie bekommen keinen Arbeitgeberzuschuss, sondern müssen den vollen Krankenkassenbeitrag alleine schultern. Hamburg will dies nun ändern.

Foto: imago

Am 19. Dezember 2017 hat der Hamburger Senat den „Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer pauschalen Beihilfe zur Flexibilisierung der Krankheitsvorsorge“ beschlossen und den Gesetzentwurf der Hamburger Bürgerschaft zugeleitet. Beschließt diese den Entwurf, soll das Gesetz zum 1. August 2018 in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt kann die sogenannte pauschale Beihilfe in Anspruch genommen werden.

Der Gesetzentwurf sieht vor, eine neue Form der Beihilfe als dienstrechtliche Regelung zu schaffen. Entscheidet sich künftig eine neue Beamtin oder ein neuer Beamter für den Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), kann sie oder er auf den klassischen Beihilfeanspruch verzichten und erhält dafür vom Dienstherrn eine pauschale Beihilfe in Höhe der Hälfte des nachgewiesenen Krankenversicherungsbeitrags. Alternativ kann er oder sie sich nach wie vor für das bisherige klassische Modell aus Beihilfe und einer ergänzenden Versicherung in der PKV entscheiden. Als weitere Möglichkeit ist eine Vollversicherung in der privaten Krankenversicherung plus pauschale Beihilfe denkbar.

Die einmalige Entscheidung für ein System ist unwiderruflich. Wer sich für die pauschale Beihilfe entscheidet, kann über die GKV hinausgehende Beihilfeleistungen nicht mehr geltend machen. Möglich ist jedoch nach wie vor in besonderen Ausnahmefällen eine zusätzliche Beihilfe zur Vermeidung von Härtefällen. Auch die Ansprüche auf eine amtsangemessene Alimentation im Krankheitsfall, Leistungen aus der Dienstunfallfürsorge und Leistungen der Beihilfe im Pflegefall werden von der Entscheidung für die pauschale Beihilfe nicht berührt.

„Interessant ist das neue Modell nach Einschätzung des DGB besonders für ältere neu verbeamtete Menschen mit Familie oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie für dauerhaft in Teilzeit beschäftigte Beamtinnen und Beamte.“

Beamtinnen und Beamte, die bisher schon freiwillig in der GKV versichert waren – allein in Hamburg sind das rund 2.400 –, müssen derzeit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil komplett selbst zahlen. Da die GKV nach dem Sachleistungsprinzip arbeitet, haben sie von ihrem formal weiter bestehenden Beihilfeanspruch so gut wie nichts. Auch diese Kolleginnen und Kollegen können künftig einen Zuschuss des Dienstherrn in Form der pauschalen Beihilfe erhalten. Für alle anderen Beamtinnen und Beamten, die Leistungen der Beihilfe oder der Heilfürsorge – beispielsweise im Polizeidienst – in Anspruch nehmen, ändert sich nichts. Kürzungen oder Änderungen in den bisherigen Leistungen sind mit dem Gesetzentwurf nicht verbunden.

Allerdings gibt es im Regelfall keine Möglichkeit, aus der PKV in die GKV zu wechseln. Dies liegt an den restriktiven Vorschriften im V. Sozialgesetzbuch über eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV. Als Beamtin oder Beamter kann man dort nicht einfach Mitglied werden, sondern höchstens Mitglied bleiben, falls man unmittelbar vor der Verbeamtung bestimmte Vorversicherungszeiten erfüllt hat.

Interessant ist das neue Modell nach Einschätzung des DGB besonders für ältere neu verbeamtete Menschen mit Familie oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie für dauerhaft in Teilzeit beschäftigte Beamtinnen und Beamte. Der Gesetzentwurf geht auf eine langjährige Gewerkschaftsforderung zurück. DGB Nord, GEW, ver.di und GdP unterstützen daher den vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich. Der DGB will sich intensiv dafür einsetzen, dass dieses Modell auch im Beamtenrecht des Bundes und anderer Länder verankert wird. Damit könnte auch dem Problem begegnet werden, das sich künftig auftut, wenn ein Beamter aus Hamburg mit pauschalem Beihilfeanspruch in ein anderes Bundesland wechseln möchte, das einen solchen Anspruch (noch) nicht kennt.

„Gerade in der Gesundheitspolitik, in der sich so viele widerstreitende Interessen seit vielen Jahren gegenseitig blockieren, ist der Hamburger Schritt eine kleine Bewegung in die richtige Richtung.“

Mit dem Gesetzentwurf wird die individuelle Wahlfreiheit zwischen den beiden Krankenversicherungssystemen gestärkt. Dass die Wahlmöglichkeit nur am Beginn der Berufslaufbahn besteht, ist systemkonform: In beiden Systemen funktioniert der Ausgleich zwischen Jung und Alt und zwischen Gesund und Krank auf sehr unterschiedliche Weise – die beide eine langjährige Mitgliedschaft erfordern.

Dass die Lobbyverbände der PKV – und der Beamtenbund – gegen das Gesetzesvorhaben Sturm laufen, verwundert nicht: Das System PKV steht wegen niedriger Zinsen, wachsender Versorgungskosten, steigender Versicherungsbeiträge, vor allem im Alter, und hoher Beihilfekosten in den Landeshaushalten ohnehin stark unter Druck. Durch die quasi automatische Mitgliedschaft der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, die rund die Hälfte der privat Versicherten ausmachen, war bislang der Nachwuchs einigermaßen gesichert. Dieser Automatismus droht nun wegzufallen. Deswegen wird die pauschale Beihilfe, die zunächst nur einen kleinen Personenkreis betrifft, warnend als Einstieg in die Einheitsversicherung verteufelt. Offenbar scheint die Branche einen echten Wettbewerb der Systeme als ernsthafte Bedrohung wahrzunehmen.

In der Tat findet der Hamburger Weg auch in anderen Bundesländern Widerhall. In Sachsen-Anhalt wurde bereits im Finanzausschuss des Landtags über das Thema gesprochen, auch in Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Landesregierung zumindest nicht ablehnend geäußert. Das Thema könnte auch in Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene – Stichwort Bürgerversicherung – eine Rolle spielen. Gerade in der Gesundheitspolitik, in der sich so viele widerstreitende Interessen seit vielen Jahren gegenseitig blockieren, ist der Hamburger Schritt eine kleine Bewegung in die richtige Richtung.