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Gute Arbeit weltweit

Eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu internationalen Gewerkschaftskampagnen und Netzwerken für menschenwürdige Arbeit brachte Anfang Oktober Gewerkschafter aus zahlreichen Ländern nach Berlin.

Fotos: FES, Barbara Geier

Viele Menschen in ungeschützten Arbeitsverhältnissen

Unter dem Titel “Transnational Campaigning (and Network Building) for Decent Work”  hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) am 5./6. Oktober nach Berlin zu einer internationalen Gewerkschaftskonferenz über Kampagnen für gute Arbeitsbedingungen eingeladen. Die Tagung, an der rund sechzig Personen teilnahmen, fand aus Anlass des Welttags für menschenwürdige Arbeit am 7. Oktober statt. Sie bot ein Forum, auf dem Vertreter von Gewerkschaften und deren internationalen Dachorganisationen sich über eine Neudefinition von Aufgaben angesichts weltweiter Herausforderungen austauschen konnten. In zahlreichen Ländern sind Gewerkschaften unter Druck – so Tim Noonan vom Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB/ITUC) - und werden in ihrer Arbeit behindert. Nur sieben Prozent der Arbeitnehmer weltweit sind gewerkschaftlich organisiert; dabei ist überhaupt nur die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung in einem formalen Arbeitsverhältnis beschäftigt. Die andere Hälfte ist im informellen Sektor tätig und daher ungeschützt und schwer organisierbar. 

Gewerkschaftliche Kampagnen für gute Arbeit

Zugleich erfordert die zunehmend globale Verflechtung von Firmen auch über Branchengrenzen hinaus – Wertschöpfungsketten mit zahlreichen Zulieferern, Logistik-, Werbe- und Sicherheitsfirmen, Handelsunternehmen – neue international vernetzte Antworten der Gewerkschaften bei der Organisierung und Mobilisierung von Belegschaften und der Zusammenarbeit mit Unterstützern aus ganz unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen. Der IGB und die anderen internationalen gewerkschaftlichen Branchenorganisationen müssen über Erklärungen und Forderungen hinausgehen und zu agierenden Kampagnenorganisationen werden. Diskutiert wurde beispielhaft an folgenden Gewerkschaftskampagnen:

  • IGB-Kampagne gegen sklavenähnliche Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der FIFA-WM 2022 in Katar,  außerdem Kampagne gegen Diskriminierung von weiblichen Beschäftigten der Fluggesellschaft Katar Airways
  • IGB-Kampagne gegen das globale Bergbauunternehmen Rio Tinto wegen Missachtung von Gewerkschaftsrechten
  • Kampagne in Brasilien zur gewerkschaftlichen Organisierung
  • Kampagne der Bildungsinternationale (EI) gegen Privatisierung von Bildung: „Global Response to privatization in education“ 

Gelingensbedingungen internationaler Kampagnen

In weiteren Inputs, Arbeitsgruppen und im Open Space- sowie Fishbowl - Verfahren wurden Voraussetzungen für das Gelingen von Kampagnen benannt und auf mögliche Probleme hingewiesen. Ein Unternehmensberater informierte über Erfahrungen mit Digitalisierung in den Kommunikationsstrategien der Wirtschaft, von denen Gewerkschaften lernen können:

  • Voraussetzung jeder erfolgreichen internationalen Kampagne ist die vorbereitende Feldforschung: Erfassung von Unternehmensstrukturen und ihre internationale Verflechtung, Ermittlung wichtiger Schnittstellen, die politische Einbindung von Unternehmen, die beteiligten Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften. Dafür fehlen aber in vielen Organisationen die Kapazitäten, und große Unternehmen – als extremes Beispiel Katar Airways -  blockieren die Information mit allen Mitteln, bis hin zur totalen Überwachung ihrer MitarbeiterInnen.
  • Zentrale Bedeutung hat die Öffentlichkeitsarbeit, vor allem die mediengerechte Aufbereitung der Inhalte. Dies ist besonders wichtig angesichts der medialen Möglichkeiten großer Unternehmen, die auch Gegenkampagnen starten können. Diese beschränken sich nicht auf Beeinflussung von Medien, sondern publizieren ihre Botschaften durch bezahlte Inhalte, aber auch durch eigene Medien.
  • Eine besondere Bedeutung haben die „neuen“, digitalen Medien: Inhalte müssen „Smartphone - gerecht“ aufbereitet werden, d.h. Bilder, Personen und kurze Geschichten müssen im Mittelpunkt stehen. Wichtig ist, bestimmte Gruppen aktiv einzubeziehen bzw. deren Zusammenhalt zu stärken und zu nutzen: „community building“ gehört ebenfalls zu einer Kampagne.

Was geht das die GEW als Bildungsgewerkschaft an?

Nicolas Richard von der Bildungsinternationale (Education International - EI), dem Dachverband von rund 400 Bildungsgewerkschaften, dessen Vizepräsidentin die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe ist, berichtete über die EI-Kampagne „Global Response to Privatization in Education“, die seit 2013 läuft und auf Lehrkräfte an der Basis zielt. In der Debatte wurde deutlich, welches Ausmaß weltweit die Privatisierung im Bildungswesen bereits erreicht hat. Am Anfang stand das, was wir auch in Deutschland kennen: Outsourcing von Gebäudereinigung und Catering in Ganztagsschulen. Weitere Kommerzialisierungen erfolgen mit der Erstellung und Vermarktung von Tests, wodurch die Wirtschaft Einfluss auf Form und Inhalt der schulischen Erziehung nimmt.

Schließlich folgt die Privatisierung der Schulen selbst: in England sind inzwischen siebzig Prozent der Sekundarschulen sogenannte „Academies“, d.h. selbstverantwortete Schulen mit sehr unterschiedlicher privater Trägerschaft. Diese unterstehen nicht mehr der Kontrolle der lokalen Schulaufsicht, sondern direkt dem Schulministerium, das jedoch nicht in der Lage ist, diese Kontrolle auch tatsächlich auszuüben. Auch in den armen Ländern des Südens ist die Privatisierung von Bildung auf dem Vormarsch:In zahlreichen Entwicklungsländern sind multinationale Bildungskonzerne aktiv, die Privatschulen gründen und Inhalte und Testverfahren online als Gesamtpaket anbieten.

Privatisierung verändert Arbeitsbedingungen von Lehrkräften

Profite erzielen solche Konzerne mit Schulgebühren, insbesondere für den Besuch von Kitas und Sekundarschulen, die auch deshalb oft keine öffentliche Förderung erhalten, da dies vielerorts nicht als Grundrecht auf Bildung und staatliche Aufgabe angesehen wird. Das gewerkschaftliche Ziel einer gebührenfreien Bildung von hoher Qualität in öffentlicher Verantwortung steht dazu in diametralem Gegensatz.  Die Kommerzialisierung von Bildung verändert die Arbeitsbedingungen und Handlungsmöglichkeiten der Lehrkräfte und ihrer Gewerkschaften, die sich plötzlich einer Fülle von mehr oder weniger privaten Arbeitgebern gegenüber sehen. Deutschland und die GEW befinden sich bisher eher in den Anfängen dieser Entwicklung. Wir werden uns aber damit intensiver auseinandersetzen müssen. Dafür konnte die Tagung der FES keine Patentrezepte liefern, aber eine Fülle von Anregungen und praktischen Hinweisen.