Zum Inhalt springen

Hochschulfinanzierung ab 2021

Gut, aber nicht gut genug

Rund 2,9 Millionen Studierende gibt es in Deutschland, ein historischer Rekord. Die Hochschulen brauchen Räume, Dozenten und Dozentinnen – vor allem aber Geld. Jetzt handeln Bund und Länder, aber nicht unbedingt im Sinne der Betroffenen.

Anfang April demonstrierte das Bündnis „Frist ist Frust“ vor dem Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin für die Entfristung von Arbeitsverträgen an den Hochschulen. Foto: Kay Herschelmann

Dass sich die Beteiligten gegenseitig auf die Schultern klopfen würden, war zu erwarten. Monatelang hatten Bund und Länder miteinander gerungen, hatten Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und ihre 16 Kolleginnen und Kollegen in den Ländern nach Wegen gesucht, um die Hochschulfinanzierung ab 2021 auf neue Füße zu stellen. Als sie sich Anfang Mai nach zähen Verhandlungen endlich geeinigt hatten, war viel von „Durchbruch“ (Bremens SPD-Senatorin Eva Quante-Brandt), „langfristiger Planungssicherheit“ (Karliczek) und „Erleichterung“ (Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz) die Rede.

Mehr als 160 Milliarden Euro fließen bis 2030 in Forschung, Lehre und Hochschulen, das kann sich in der Tat sehen lassen. Nur: Die schöne Zahl verdeckt, dass in den Vereinbarungen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern auch ein paar Kröten versteckt sind.

Zu diesen gehört, dass sich der Bund von seinem ursprünglichen Plan verabschiedete, einen Teil der Gelder an die Einrichtung von Dauerstellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu koppeln. „Gut, aber nicht gut genug“, kommentiert GEW-Hochschulexperte Andreas Keller deshalb das Verhandlungsergebnis und fordert: „Es muss eine Verpflichtung geben, dass mit Hochschulpaktmitteln künftig ausschließlich unbefristete Arbeitsverhältnisse finanziert werden dürfen.“

„Bund und Länder haben die Chance verpasst, die Studien- und Arbeitsbedingungen an den Hochschulen konsequent zu verbessern.“ (Isabel Schön)

Die Vereinbarungen der GWK umfassen drei bisher schon bestehende Einzelverträge und deren Fortführung:

  • Der bisherige Hochschulpakt zur Finanzierung zusätzlicher Studienplätze wird ab 2021 durch den Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken abgelöst. Gesamtvolumen bis 2030: 41,5 Milliarden Euro.
  • Der Qualitätspakt Lehre, bisher mit 200 Millionen Euro pro Jahr für die Weiterentwicklung von Seminaren und Vorlesungen ausgestattet, schrumpft auf 150 Millionen Euro jährlich. Er heißt künftig „Pakt für -Innovation in der Hochschullehre“.
  • Der Pakt für Forschung und Innovation umfasst 120 Milliarden Euro, die zwischen 2021 und 2030 für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen gezahlt werden.

Auf heftige Kritik stößt die 25-Prozent-Kürzung beim Qualitätspakt Lehre. Der sei schon zuvor unterfinanziert gewesen und werde nun noch einmal drastisch zusammengestrichen, schimpfte Thomas Sattelberger, forschungspolitischer Sprecher der FDP: „Das ist ein fatales Signal.“ Denn Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen würden damit auf Kosten guter Studienbedingungen bessergestellt.

Die Vereinbarungen seien nur ein „Hochschulförderprogramm auf Sparflamme“, kommentierten die GEW-Studis und der studentische Dachverband fzs. Dringend notwendige Strukturreformen würden dabei nicht angegangen. „Bund und Länder haben die Chance verpasst, die Studien- und Arbeitsbedingungen an den Hochschulen konsequent zu verbessern“, sagte Isabel Schön vom fzs.

Und Sabrina Arendt von den GEW-Studis kritisierte, dass Mittel zur Verbesserung der Lehre im Wettbewerbsverfahren ausgeschrieben werden: „Durch die Projektförderung werden im Zweifel wieder Sachgründe für Befristung geliefert. Es muss endlich Schluss sein mit dem Befristungswahnsinn an den Hochschulen.“ Arendt mahnte außerdem eine solide Grundfinanzierung der Hochschulen an: „Wir müssen aufpassen, dass die dringend notwendige Debatte über die Betreuungsrelationen nicht von einer Innovation rein um der Innovation willen überstrahlt wird.“

„Die Verschlechterung der Betreuungsrelation deutet darauf hin, dass die Hochschulen zusätzliche Studienberechtigte aufgenommen haben, ohne ihre Kapazitäten auszuweiten.“ (Bundesrechnungshof)

Die Berechnungen der Zuschüsse für einzelne Hochschulen sind relativ kompliziert. Beispiel Bochum: Die Ruhr-Universität (RUB) nimmt jedes Wintersemester rund 5.000 Bachelor-Studierende neu auf. Für jeden Erstsemester über die 2005 bestehende Zahl von Plätzen für Studienanfänger hinaus erhält die Uni 26.000 Euro. Für Bochum ergeben sich so aus dem Hochschulpakt bisher rund 32 Millionen Euro pro Jahr. Aus dem Qualitätspakt Lehre erwartet die RUB für 2019 außerdem rund 15,5 Millionen Euro.

Mit Widerspruch von Nachwuchsforschern und Studierenden mögen die Beteiligten in Bundes- und Landesministerien vielleicht gerechnet haben. Als regelrechte Ohrfeige allerdings müssen sie die Kritik des Bundesrechnungshofs empfunden haben, die – Zufall oder nicht – unmittelbar nach der Einigung der GWK veröffentlicht wurde. „Fehlentwicklungen, Verstöße im Haushaltsvollzug und ein intransparentes Berichtswesen“ kreidet der Rechnungshof den seit 2007 laufenden Pakten an – ein vernichtendes Urteil.

Kritisiert werden undurchsichtige Abrechnungsverfahren, unklare Absprachen sowie einzelne Bundesländer und Hochschulen, die das Geld aus Hochschul- und Qualitätspakt Lehre lieber bunkern, als es auszugeben. „Die Verschlechterung der Betreuungsrelation deutet darauf hin, dass die Hochschulen zusätzliche Studienberechtigte aufgenommen haben, ohne ihre Kapazitäten auszuweiten“, zieht der Rechnungshof Bilanz; die genaue Verwendung der Mittel sei zudem in vielen Fällen gar nicht nachzuvollziehen.

„Frist ist Frust“

Wer sich nicht an die Vereinbarungen halte, habe allerdings auch „keine Konsequenzen“ zu fürchten, schreiben die Prüfer. Vielleicht ist so zu erklären, dass Mecklenburg-Vorpommern 2016 so viel Geld aus den Pakten zur Seite gelegt hatte, wie es mit den zwei Jahreszahlungen zuvor vom Bund erhalten hatte: Rund 50 Millionen Euro wurden auf Konten geparkt, statt neue Studienplätze zu schaffen. Im selben Jahr legte Sachsen mehr als 100 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt auf Konten an. Bayern wiederum kassierte 2017 rund 353 Millionen Euro, gab davon allerdings 119 Millionen Euro erst einmal nicht aus. Und Nordrhein-Westfalen kam Ende 2017 auf Restgelder aus dem Hochschulpakt in Höhe von 1,74 Milliarden Euro – investiert worden waren bis dahin nur 637 Millionen Euro.

Karliczek wies die Kritik der Rechnungsprüfer zurück. Die Pakte seien ein Erfolgsmodell, ließ sie mitteilen, und die Verlängerung sei „eine gute Nachricht für die Forschenden und Studierenden in Deutschland“. Die sehen das etwas anders. „Frist ist Frust“ heißt die Kampagne gegen befristete Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft, die in den vergangenen Monaten richtig Fahrt aufgenommen hat – und zwar nicht trotz, sondern wegen der neuen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern.