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Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder

„Jetzt brauchen wir eine Qualitätsoffensive“

Bund und Länder einigten sich in letzter Minute auf einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kindern im Grundschulalter ab dem Schuljahr 2026/2027. Die GEW pocht weiter auf qualitativ hochwertige Angebote.

Auf die Qualität achten: Im Ganztag sollen ausgebildete Fachkräfte die Kinder betreuen. (Foto: GEW)

Die Große Koalition kann kurz vor der Bundestagswahl doch noch einen Haken hinter ein Großprojekt setzen, das zuvor deutlich wackelte: Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab dem Schuljahr 2026/2027. Bund und Länder einigten sich am Montagabend im Streit um die Finanzierung des Vorhabens im Vermittlungsausschuss. Jetzt müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen. Die GEW sieht darin einen tragfähigen Kompromiss. „Mit der wegweisenden Ganztagsentscheidung erhalten alle Mädchen und Jungen, egal wo sie in Deutschland leben, neue Chancen auf gute und erfolgreiche Bildungswege“, sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern.

„Wenn jetzt Geld investiert wird, muss gleichzeitig eine Qualitätsoffensive starten.“ (Maike Finnern)

„Damit wäre dann ein zentrales gesellschafts- und bildungspolitisches Thema endlich auf den Weg gebracht. Das ist für die Familien ein ganz wichtiges Signal“, so Finnern.

Für die GEW geht es aber nicht nur um einen Rechtsanspruch, sondern auch um die Qualität der Betreuung. „Wenn jetzt Geld investiert wird, muss gleichzeitig eine Qualitätsoffensive starten. Ganztag ist eine Bildungsaufgabe. Die Kinder lediglich zu betreuen, damit die Eltern arbeiten gehen können, wird weder den Bedürfnissen der Mädchen und Jungen gerecht, noch kann sich die Idee des ganztägigen Lernens entfalten“, betonte die GEW Vorsitzende.

Insbesondere Kinder aus benachteiligten Haushalten brauchten qualitativ hochwertige Ganztagschulangebote, damit Nachteile ausgeglichen und Chancengleichheit erreicht werden können. „Wenn sich zeigt, dass die eingeplanten Gelder nicht ausreichen, muss nachgesteuert werden“, stellte Finnern fest.

Die Umsetzung des Grundschul-Ganztagsanspruchs ab 2025 muss auf Basis einer Dauerfinanzierung von Bund und Ländern mit einer Qualitätsoffensive verbunden werden. Im Ganztag sollen ausgebildete Fachkräfte beispielsweise Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Kindheitspädagoginnen und -pädagogen sowie Grundschullehrkräfte arbeiten. Die Fachkraft-Schulkind-Relation darf bei maximal 1:10 liegen. Verankert werden muss der Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII).

Verbindlich formulierte Ansprüche sind wichtig, weil die Ganztagsangebote in den Bundesländern und Kommunen oft sehr unterschiedlich sind. Es gibt etwa gebundene Ganztagsgrundschulen, offene Ganztagsangebote, Horte, Mittagsbetreuung oder Hausaufgabenhilfe. Allen Kindern muss unabhängig vom Wohnort der bestmögliche Ganztag geboten werden.

Auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie braucht es verlässliche Ganztagsangebote. Dabei geht es auch um Geschlechtergerechtigkeit: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es häufig Frauen waren, die bei geschlossenen Kitas und Schulen die Betreuungsarbeit übernommen und beruflich zurückgesteckt haben.

Im SGB VIII muss auch die Schulsozialarbeit festgeschrieben und mit Qualität hinterlegt werden: Je 150 Schülerinnen und Schülern ist mindestens eine Fachkraft zu garantieren.

  • Die GEW fordert: Schulsozialarbeit ausbauen und Recht auf Ganztag im Grundschulalter mit einer Qualitätsoffensive verbinden!

„Kinder lernen den ganzen Tag auf unterschiedliche Weise und jedes Kind in seinem eigenen Tempo“ (Maike Finnern)

Qualität bedeutet für die GEW, dass im Ganztag ausgebildete Fachkräfte in multiprofessionellen Teams arbeiten, also Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Kindheitspädagoginnen und -pädagogen sowie Grundschullehrkräfte. Dabei sollten auf eine Fachkraft nicht mehr als zehn Kinder kommen.

„Das Lernen in der Grundschule hat sich längst verändert. Kinder lernen den ganzen Tag auf unterschiedliche Weise und jedes Kind in seinem eigenen Tempo“, betonte Finnern. Multiprofessionelle Teams könnten das Lernen und Leben in der Grundschule am besten gemeinsam gestalten. Sie öffneten damit den bestmöglichen Weg für die Entwicklung aller Kinder.

Bund stockt Finanzmittel deutlich auf

Der Kompromiss zwischen Bund und Ländern sieht unter anderem vor, dass Finanzhilfen des Bundes auch für die Erhaltung bereits bestehender Betreuungsplätze und nicht nur für die Schaffung neuer Plätze gewährt werden. Außerdem beteiligt sich der Bund mit einer Quote von bis zu 70 Prozent am Finanzierungsanteil der Investitionskosten und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, nur bis zu 50 Prozent.

Bei der Beteiligung an den laufenden Kosten für den Betrieb der Ganztagsplätze will der Bund die Länder nun langfristig mit 1,3 Milliarden Euro pro Jahr unterstützen. Das sind gut 300 Millionen mehr pro Jahr, als zuletzt zugesagt. Neu vorgesehen sind zudem Evaluationen der Investitionskosten und Betriebskosten in den Jahren 2027 und 2030, nach denen Mehr- und Minderbelastungen der Länder angemessen ausgeglichen werden.

Kern des Gesetzes ist die Einführung eines bedarfsunabhängigen Anspruchs auf Förderung in einer Tageseinrichtung von mindestens acht Stunden. Dieser soll für jedes Kinde ab der ersten Klassenstufe bis zum Beginn der fünften Klassenstufe gelten. Anspruchsberechtigt sind Kinder, die ab dem Schuljahr 2026/2027 die erste Klassenstufe besuchen. Der Anspruch soll dann schrittweise auf die folgenden Klassenstufen ausgeweitet werden, sodass ab dem Schuljahr 2029/2030 allen Schulkindern der ersten bis vierten Klassenstufe mindestens acht Stunden täglich Förderung in einer Tageseinrichtung zusteht.