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Studie zur Inklusion

Große regionale Unterschiede beim gemeinsamen Lernen

Die Inklusion kommt ungeachtet regionaler Fortschritte nicht in allen Bundesländern und nicht bei allen Förderschwerpunkten voran. Die GEW bekräftigt daher ihre Forderung nach einem gemeinsamen Bund-Länder-Programm.

Immer weniger Schülerinnen und Schüler lernen laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung in separaten Förderschulen. Gingen 2008 noch 4,9 Prozent aller Kinder auf eine Förderschule, waren es 2017 nur noch 4,3 Prozent. Vor allem im Förderschwerpunkt Lernen besuchen in allen Bundesländern weniger Kinder separate Schulen, die Exklusionsquote sank von 2,1 auf 1,3 Prozent. Dieser Rückgang ist zum Beispiel in Sachsen-Anhalt besonders stark ausgeprägt (2,6 Prozentpunkte).

Zudem verkleinern sich die Unterschiede zwischen den Ländern: Während im Schuljahr 2008/09 der Abstand zwischen Schleswig-Holstein – mit der niedrigsten Exklusionsquote von 3,1 Prozent – und Mecklenburg-Vorpommern – mit der höchsten Quote von 8,8 Prozent - 5,7 Prozentpunkte betrug, verringerte sich diese Differenz im Schuljahr 2016/2017 auf 4,8 Prozentpunkte – zwischen Bremen mit 1,2 Prozent und Mecklenburg-Vorpommern mit 6 Prozent. 

„Wer die Demokratie und das friedliche Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft fördern will, muss in der Bildung damit anfangen.“ (Ilka Hoffmann)

GEW-Schulexpertin Ilka Hoffmann kritisiert jedoch: „Den Fortschritt in der inklusiven Bildung kann man nicht allein am Förderbedarf Lernen festmachen.“ Die Bildungsgewerkschaft bewertet die Fortschritte bei der Inklusion als „bescheiden“. Sie beklagt ein fehlendes Bund-Länder-Programm oder eine Strategie, wie sie die Kultusministerkonferenz (KMK) etwa zur Digitalisierung erarbeitete. Hoffmann forderte mehr konzeptionelle und finanzielle Anstrengungen von Bund und Ländern. „Gerade in Zeiten, in denen die Ausgrenzung  und Diskriminierung von Minderheiten zunimmt und der Rechtspopulismus auf dem Vormarsch ist, ist die Umsetzung der Inklusion in den Bildungseinrichtungen wichtiger denn je. Wer die Demokratie und das friedliche Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft fördern will, muss in der Bildung damit anfangen.“ 

Der Analyse des Bildungsforschers Klaus Klemm zufolge sind die Chancen auf gemeinsames Lernen zudem weiter stark vom Wohnort abhängig. Die Umsetzung sei regional extrem unterschiedlich, in vielen Bundesländern halbherzig bis zögerlich und vom Bund eher theoretisch angegangen worden, kritisierte Hoffmann. „Wir brauchen jetzt dringend ein Bund-Länder-Programm, damit die Inklusion nicht vor die Wand gefahren wird. Einige Bundesländer haben sich mittlerweile negativer Stimmungsmache gebeugt und sogar den Rückwärtsgang eingelegt. Das darf nicht sein“, unterstrich die GEW-Schulexpertin. „Wir fordern die Bildungspolitik auf, die Inklusion nicht in der Schublade verschwinden zu lassen.“

Rückgänge nur beim Förderschwerpunkt Lernen

Bundesweit gibt es zudem nur im Bereich Lernen einen Rückgang der Exklusion. Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Sprache besuchen in elf Bundesländern häufiger eine Regelschule als früher. Für Kinder mit den Förderschwerpunkten geistige oder körperliche Entwicklung veränderte sich zwischen 2008 und 2017 überall wenig, im Bereich sozial-emotionale Handicaps gibt es heute sogar mehr Exklusion. Wie die GEW verlangt auch die Bertelsmann-Stiftung mehr Unterstützung der Lehrkräfte beim Thema Inklusion. 

Exklusions- statt Inklusionsquote

Die Studie „Unterwegs zur inklusiven Schule“ 2018 nimmt zum ersten Mal nicht die sogenannte Inklusionsquote in den Blick, sondern untersucht die Exklusionsquote. Damit ist der Anteil aller Kinder und Jugendlichen gemeint, der in Förder- und Sonderschulen unterrichtet wird. Hintergrund dieser Perspektive ist die Erkenntnis, dass die Inklusionsquote wenig aussagekräftig ist, um den Fortschritt der schulischen Inklusion zu messen.

Die Klemm-Analyse kommt zwar zu dem Schluss, dass die Exklusionsquote bundesweit zurückgegangen sei, allerdings in den fast zehn Jahren seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch Deutschland lediglich um ein Zehntel. In Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz steige die Quote sogar wieder an. Die Bertelsmann Stiftung spricht vor allem mit Blick auf den Förderbedarf Lernen von einem Erfolg und einer „Annäherung an internationale Standards“. Hoffmann weist dagegen darauf hin, dass es die Kategorie „Förderbedarf Lernen“ oder „Lernbehinderung“ in kaum einem anderen Staat der Welt gebe. Daran könne also internationaler Erfolg kaum gemessen werden.