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Coronapandemie

Glimpflich davongekommen?

Schulen und Kitas müssen weiter mit dem Coronavirus leben. Das heißt: Es müssen Unterschiede ausgeglichen, Präsenz- und Fernunterricht verbunden, Fördermaßnahmen und individualisiertes gemeinsames Lernen gestärkt werden.

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe (Foto: Kay Herschelmann)

Wo stehen wir heute*, viele Wochen nach dem sogenannten Lockdown wegen der Corona-Krise? Im Ausland werden wir für das gute Gesundheitssystem, die im Verhältnis nicht ganz so vielen Toten, die wirtschaftlichen Schutzschirme bewundert. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat die Aussetzung von Freiheits- und Bürgerrechten hingenommen und die Kontaktsperre als richtigen Weg gesehen, um das Schlimmste zu verhindern. Vor allem haben die Menschen die Hinweise ernst genommen und gemeinsam diesen Erfolg geschafft. Nun aber kommt der weitaus schwierigere Teil. Wir müssen die Frage beantworten: Wie wollen wir zukünftig leben?

Ich vertraue auf die Gewaltenteilung in Deutschland und die Macht der Bürgerinnen und Bürger, unsere Rechte wieder vollständig herzustellen. Der langwierige Weg zur sogenannten Tracing App stimmt mich unter anderem zuversichtlich. Während autoritäre Staaten diese App einführen und Daten über ihre Bevölkerung aufzeichnen, wird in Deutschland um eine App gerungen, die den Datenschutz möglichst weitgehend sichern soll und gleichwohl die digitale Technik nutzen kann. Wie dabei der Kampf der Bundesregierung mit den digitalen Beherrschern von Google und Apple ausgeht, ist wichtig für eine größere Unabhängigkeit von den Datenriesen.

Wie im Brennglas sind die Schwächen des deutschen Bildungssystems offenbar geworden, die wir Pädagoginnen und Pädagogen und Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter schon lange anprangern, die PISA belegt hat und die die Regierungen nicht beseitigt haben. Die soziale Herkunft spielt beim Bildungserfolg im Fernunterricht eine exorbitante Rolle. Nicht nur, dass ohnehin benachteiligte Menschen häufig nicht mit digitalen Endgeräten und Internetzugang ausgestattet sind, viele leben in beengten Wohnverhältnissen und haben schlechte Lernmöglichkeiten. Wir wollen unsere Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen, im neuen Schuljahr in Kita und Schule dauerhaft mit der Pandemie zu leben.

Blick auf Geschlechterrollen richten

Das heißt, es müssen Unterschiede ausgeglichen, Fördermaßnahmen gestärkt, Präsenz- und Fernunterricht verbunden werden. Vor allem muss der Weg des individualisierten gemeinsamen Lernens vorangebracht werden. Unter den Bedingungen von Corona mit Hygiene und Abstand und vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Kita und Schule sind das besonders große Herausforderungen. Die GEW wird den Blick auf Arbeitsbedingungen, aber auch auf die Pädagogik lenken.

Gesamtgesellschaftlich muss der Blick aber auch noch einmal auf die Belastung der Eltern gerichtet werden und auf die Geschlechterrollen. Denn in dieser Krise sind alte Rollenmodelle wieder zum Vorschein gekommen. Frauen reduzieren vermehrt die Arbeitszeit, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen von einem Rückschlag, der 30 Jahre nachwirken wird. Diesen Aspekt werden wir hervorheben und immer wieder fordern, dass Frauen auf allen Ebenen der Hierarchie tätig sind.

Die finanzielle Bewältigung der Krise wird aktuell überwiegend großzügig in Angriff genommen. Schon fordern große Firmen mit Milliardengewinnen Unterstützung der Steuerzahler, gleichzeitig beginnt eine Diskussion um Einschnitte in den Sozialstaat. Wir müssen darauf gefasst sein – trotz aller Klagen über die bekannten Mängel im Bildungssystem – dass das Geld auch nach der Pandemie nicht locker sitzt. Wir werden für anständiges BAföG, gute Arbeit in Hochschule und Weiterbildung, für die Aufwertung der Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher und Grundschullehrerinnen und -lehrern, den Abbau des Investitionsstaus, eine bessere digitale Ausstattung, die Stärkung des gemeinsamen Lernens und die Förderung der Benachteiligten kämpfen müssen.

* Der Beitrag ist am 19. Mai geschrieben worden.