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Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit: Wege aus der Entgeltungleichheit zwischen den Geschlechtern

Der Vorstandsbereich Frauenpolitik der GEW hat am 12. Juni 2015 in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zur Veranstaltung „Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit: Wege aus der Entgeltungleichheit zwischen den Geschlechtern“ eingeladen. Politiker*innen, Wissenschaftler*innen, Gewerkschafter*innen, Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen sowie die interessierte Öffentlichkeit führten einen fachlichen Austausch über die vielfältigen Dimensionen des Gender Pay Gaps, das geplante Entgelttransparenzgesetz und das Streikziel im Sozial- und Erziehungsdienst – die Aufwertung eines Frauenberufs. Den Abschluss der Veranstaltung gestaltete ein direkter Austausch mit den rund 140 Gästen im Format des Fishbowls.

In seiner Begrüßungsrede hob der Geschäftsführer der FES, Roland Schmidt, die langjährige Zusammenarbeit der FES mit der GEW in frauen- und gleichstellungspolitischen Themen hervor und verwies auf die Unterstützung der streikenden Erzieher*innen in der Bevölkerung. Der hohe Anteil an schlecht oder gar unbezahlter Arbeit von Frauen – insbesondere im sozialen und erzieherischen Bereich – müsse endlich verringert werden. Die Bundesregierung habe mit Maßnahmen wie dem ElternGeldPlus, der Frauenquote und dem Mindestlohn einige wichtige Schritte getan.

Frauke Gützkow, das für Frauenpolitik zuständige Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW, nannte in ihrem Begrüßungswort vier entscheidende Hebel zur nachhaltigen Aufwertung von Frauenberufen: 1. Tarifpolitik einer zeitgemäßen Entgeltordnung, 2. die Einführung eines Bundeskitaqualitätsgesetz für eine gute Bildung im Kitabereich, 3. ein wirksames Entgeltgleichheitsgesetz und 4. einen nachhaltigen Abbau von Geschlechterstereotypen. Als erster vierwöchiger Erzwingungsstreik eines weiblich dominierten Berufsfeldes, könne die Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst als Streik des Jahrzehnts gewertet werden, resümierte Gützkow. Der Streik habe als Kampf von Frauen für Frauen zur gesamten Aufwertung der so genannten „Frauenberufe“ einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Die Tätigkeitsmerkmale von Erzieherinnen stammten teilweise aus den 1970er Jahren. Der Anspruch an die Bildung und pädagogische Begleitung in den Kitas jedoch sei enorm gestiegen. Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen und andere sozialpädagogische Fachkräfte seien hochprofessionelle Expertinnen für Bildung und Soziales. Entsprechend müssten sie entlohnt und gewertschätzt werden. Als Voraussetzung für verbesserte Bildungs- und Erziehungsangebote fordere die GEW darum ein Kitaqualitätsgesetz. Dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab einem Jahr und dem rasanten Ausbau an Kitas müsse eine Qualitätsoffensive folgen.

Große Erwartungen ans Entgeltgleichheitsgesetz

Um die direkte Geschlechterdiskriminierung über geringere Entgelte abzubauen, braucht es nach Ansicht von Gützkow ein Entgeltgleichheitsgesetz. Das von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) geplante Entgelttransparenzgesetz wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung zu Herstellung von Entgeltgleichheit. Die Erwartungen an dieses seien groß. Die Forderungen von Fachleuten an das Gesetz: geschlechtsneutrale Arbeitsbewertungen, ein Verbandsklagerecht, die Abschaffung von Minijobs, Entgeltungleichheit  auch bei Zulagen, Abfindungen und Dienstwagen, die Offenlegung von Vergütungsstrukturen, die Überarbeitung des Rentensystems und die Abschaffung des Ehegattensplittings werden gefordert.

Zu guter Letzt führte Gützkow als Hebel zum Abbau des Gender Pay Gaps die Verringerung von Geschlechterstereotypen an. Geschlechterbewusstsein sei Aufgabe der Bildung ab der Kita. Das heißt unter anderem Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber alltäglicher Zuschreibungen, die auch die Berufswahl und so auch die Einkommens- und Karriereperspektiven beeinflussten.

Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär des BMFSFJ, der die kurzfristige Absage von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig auf dem Podium entschuldigte, betonte, dass die Ursachen des Gender Pay Gaps nur durch die Betrachtung des Lebensverlaufs und der einzelnen Stationen zu verstehen und schlussendlich zu bekämpfen seien. Mittlerweile stelle selbst die Wirtschaf die Lohnlücke von 22 Prozent nicht mehr in Frage. Eine Ursache sieht Kleindiek im Berufswahlverhalten, eine weitere in der Vereinbarkeitsproblematik zwischen Familie und Beruf. Positiv zu vermerken sei: Unternehmen hätten verstanden, dass Arbeitnehmer*innen das private Leben zurückfahren wollten. Doch obwohl die meisten Familien die Aufteilung zwischen Erwerbs- und Familienarbeit untereinander aufteilen wollten, gelinge es nur 15 Prozent.

Ministerin für mehr Geld zur Aufwertung der Berufszweige

Darum setze sich Ministerin Schwesig für eine Familienarbeitszeit ein. Mit dem ElternGeldPlus sei ein Schritt in diese Richtung begangen worden. Und obwohl in Unternehmen mit Tarifverträgen der Gender Pay Gap weit geringer läge, wäre auch hier eine Lohnlücke auszumachen. Tarifverhandlungen würden oft zu Lasten weiblicher Arbeitsfelder ausgehandelt. Dies sei nicht nur im sozialen Bereich, wie der Pflege der Fall, auch in der Justiz sei dies neuerdings zu beobachten. In dem Maße wie der früher männlich dominierte Richter*innenberuf weiblich wurde, habe sich in den vergangenen Jahrzehnten das Einkommen verringert.

Vor dem Verfassungsgericht läge aktuell eine mehr als gerechtfertigte Klage von Richterinnen vor, erläuterte Kleindiek. Manuela Schwesigs klare Unterstützung der streikenden Erzieherinnen und Sozialdienste habe bei den Ländern und Kommunen harsche Kritik ausgelöst. Die Ministerin setze sich jedoch gezielt dafür ein, dass zur Aufwertung der Berufszweige mehr Geld zur Verfügung gestellt werde.

Ziel des Entgelttransparenzgesetzes ist unter anderem ein individueller Auskunftsanspruch und Transparenz über Entgelthöhen im Lagebericht von Unternehmen ab 500 Beschäftigten. Zudem entwickle das BMFSFJ ein einfaches Verfahren mit dem Unternehmen Entgeltungleichheiten aufdecken können, ergänzte Kleindiek. Jene Unternehmen, die an diesem Verfahren teilnehmen, sollen von der Verpflichtung befreit werden, im Lagebericht die Entgeltsstruktur aufzuzeigen. Der Dialog mit den Sozialpartner*innen zu dem Thema habe bereits begonnen.

Dr. Christina Boll, Forschungsdirektorin am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut, ging genauer auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Ursachen des Gender Pay Gaps ein. Der Gender Pay Gap sei nur die Spitze des Eisbergs: Hinter der Entgeltlücke verbirgt sich nach ihrer Aussage das komplette Spektrum an Diskriminierungstatbeständen zwischen den Geschlechtern. Politische Rahmenbedingungen wertete Boll als zentrale Signale zum Abbau von Ungleichheiten, die in Deutschland dringend gebraucht würden.

Das ElternGeld habe dies in skandinavischen Staaten gezeigt. Die Einführung des Mindestlohns, so eine der neuesten Studien Bolls, habe dazu geführt, dass sich die Lohnlücke im Niedriglohnbereich verringert: Dort sinke der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern um 25 Prozent. Betroffen seien vor allem Teilzeit- und Geringbeschäftigte – unter denen der Frauenanteil groß ist - ebenso wie Geringqualifizierte.

Dr. Andrea Jochmann-Döll, Wissenschaftlerin und Gründerin des GEFA Instituts (Gender-Entgelt-Forschung-Arbeit) in Essen, stellte im Anschluss an Boll den Entgeltgleichheits-Check "eg-check.de" anhand einer Analyse der Erzieher*innenberufs vor. Mit diesem Instrumentarium können Unternehmen anhand eines „Werkzeugkastens“ die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern bereits prüfen und Informationen zu Ursachen und Ausmaß der Benachteiligung(en) finden.

Der „eg-check“ prüft fünf Entgeltbestandteile: anforderungsbezogenes Grundentgelt, Stufensteigerungen beim Grundentgelt, Leistungsvergütung, Überstundenvergütung und Erschwerniszuschläge. Für jeden Entgeltbestandteil stehen drei verschiedene Prüfinstrumente zur Verfügung: Statistiken dienen dem Überblick über die betriebliche Entgeltpraxis, Regelungs-Checks ermöglichen die Überprüfung tariflicher oder betrieblicher Regelungen und Paarvergleiche prüfen die Entgeltgleichheit auf der individuellen Ebene zwischen einem Mann und einer Frau.

Debatte über Wege aus der Entgeltungleichheit

In ihrem Vortrag erläuterte Jochmann-Döll anhand von Erzieherinnen, wie überprüft werden kann, ob die Eingruppierung diskriminierungsfrei ist und ob diese dem rechtlichen Entgeltgleichheitsprinzip „Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit“ sowie den europarechtlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Feststellung der Wertigkeit von Arbeit (Arbeitsbewertung) entspricht. Ziel ist eine vergleichende Bewertung von gleich eingruppierten Tätigkeiten, die entweder überwiegend von Frauen oder von Männern ausgeübt werden. Perspektivisch setzt Jochmann-Döll darauf, dass die „eg-checks“ zu einer verbindlichen Umsetzung der Ergebnisse in gesetzliche Regelungen, vor Gericht als Argumentationsgrundlage und als Basis tarifvertraglicher Eingruppierungen dienen.

Im Fishbowl diskutierte Christiane Weißhoff, Vorstandsbereich Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit der GEW-Berlin mit Jörg Freese, Deutscher Landkreistag, Thomas Fischer, Leiter des Referats „Faire Einkommensperspektiven“ im BMFSFJ und Petra Crone, Mitglied des Deutschen Bundestages, über Wege aus der Entgeltungleichheit. Christiane Weißhoff betonte, dass die Berliner*innen gespannt auf die Länderverhandlungen blickten. Auch in Berlin werde eine Aufwertung gebraucht. Der Streik in den 1990er Jahren habe keine wirkliche Aufwertung bewirkt. Die Arbeit mit Kindern müsse endlich anerkannt werden. 75 Prozent der Erzieher*innen in Berlin seien nicht im TVL und würden zudem weit darunter bezahlt. Öffentliche Träger müssten verpflichtet werden, nach Tarif zu bezahlen, forderte Weißhoff.

Doreen Siebernik, Vorsitzende der GEW-Berlin, kritisierte in ihrem Fishbowl-Beitrag, dass die Träger ihre Ansprüche wegen des Fachkräftemangels in den Kitas herunterschraubten. Doch gerade in der frühkindlichen Bildung brauche es qualifizierte Arbeitskräfte. Die Gemeinschaftsschulen seien ein Paradebeispiel: Hier müssten alle Professionen miteinander auf Augenhöhe arbeiten können, argumentierte Siebernik.

Frankfurt/Main, 22. Juni 2015, Sarah Kleemann, Referentin im Arbeitsbereich Frauenpolitik

Fotos: Jens Schicke