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Stellungnahme der GEW

Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Berufssprachkursen überarbeiten!

Ab Januar 2022 können in Berufssprachkursen nur noch Lehrkräfte mit Zusatzqualifikation unterrichten. Diese Weiterbildung umfasst 80 Unterrichtsstunden, am Ende muss eine Abschlussarbeit verfasst werden. Die GEW kritisiert das Prozedere scharf.

DaZ-Lehrkräfte in einem Berufssprachkurs müssen über Grundkenntnisse der Berufspädagogik und Arbeitsmarktintegration verfügen. (Foto: GEW)

Lehrkräfte in Berufssprachkursen (BSK) müssen ab 1. Januar 2022 eine spezielle Qualifikation zur Vermittlung berufsbezogener Deutschkenntnisse vorweisen. Die dazu erforderliche Weiterbildung „Additive Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Berufssprachkursen“ (ZQ-BSK) wurde vom Bundesamt für Migration (BAMF) entwickelt und umfasst 80 – für Honorarlehrkräfte unbezahlte – Unterrichtsstunden. Zudem muss eine 20 Seiten lange Abschlussarbeit geschrieben werden. Der GEW-Vorstandsbereich Berufliche Bildung und Weiterbildung kritisiert das Prozedere scharf, die Bundesfachgruppe Erwachsenenbildung legte jüngst eine ausführliche Stellungnahme vor.

„Problematisch ist, dass keine verkürzte Variante der Zusatzqualifizierung vorgesehen ist, die die Vorkenntnisse und Kompetenzen erfahrener Lehrkräfte in den Berufssprachkursen als besondere Lernvoraussetzung berücksichtigt.“ (Ansgar Klinger)

„Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Lehrkräfte des Faches Deutsch als Zweitsprache in einem Berufssprachkurs über Grundkenntnisse der Berufspädagogik und der Arbeitsmarktintegration verfügen müssen“, heißt es darin. Es stelle sich jedoch die Frage, warum beim Übergang von den vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten berufsbezogenen Deutschkursen zu den BAMF-Kursen der Berufsorientierungsunterricht, der EDV-Unterricht, die Berufspraktika und die sozialpädagogische Begleitung weggefallen seien. Offenbar solle nun die Deutsch als Zweitsprache (DAZ)-Lehrkraft dies durch die Vermittlung beruflicher Kompetenzen ausgleichen.

„Problematisch ist, dass keine verkürzte Variante der Zusatzqualifizierung vorgesehen ist, die die Vorkenntnisse und Kompetenzen erfahrener Lehrkräfte in den Berufssprachkursen als besondere Lernvoraussetzung berücksichtigt“, kritisierte GEW-Vorstandsmitglied Ansgar Klinger. Dies sei deswegen gravierend, weil der zeitliche Umfang der ZQ-BSK von den Lehrkräften berufsbegleitend schlicht nicht zu bewältigen sei. Da die Weiterbildung für Honorarlehrkräfte zudem unbezahlt sei, wäre sie automatisch mit Einnahmeausfällen verbunden. 

„Der Unterricht wird bestimmt durch das Auf- und Erarbeiten von Grammatik und das Bearbeiten von Texten. Letztendlich steht die konkrete Vorbereitung auf die B2 Prüfung im Vordergrund und Modellteste bestimmen neben den Rollenspielen das Unterrichtsgeschehen. Es bleibt einfach keine Zeit, individuell auf einzelne Berufe einzugehen. Da erscheint mir der Aufwand der additiven Zusatzqualifikation in keinem guten Verhältnis zum Nutzen zu stehen. Ich lerne sehr gern dazu und habe mich sehr auf die Fortbildung gefreut, aber hier sehe ich keinen eindeutigen Vorteil einer Teilnahme. Nach gründlicher Überlegung möchte ich daher von einer Teilnahme an dieser Zusatzqualifikation absehen und muss mich wohl aufgrund der vom BAMF gesetzten Regeln in der Zukunft schweren Herzens von den BSK verabschieden.“

Enormer Aufwand und Überforderung

„Der Aufwand ist enorm. Die ZQ besteht aus 8 Modulen, und erfordert für jedes Modul eine zeitintensive Vorbereitung. Wir erhalten sehr viel Lektüre, die wir anhand von Aufgabenstellungen analysieren sollen. Jedes dritte Wochenende findet ein zweitägiger Workshop statt, in dem angewendet wird, was bei der Vorbereitung erarbeitet wurde. Nach dem Seminar gibt es Nachbereitungsaufgaben, die für die Erledigung der entsprechenden Portfolioaufgabe relevant sein sollen. Da ich momentan wegen des Lockdowns nicht arbeite, war es mir möglich, alle Module schon vorzubereiten. Dazu habe ich aber etwa drei Wochen lang von Montag bis Freitag an den Aufgaben gesessen. Diese Fortbildung berufsbegleitend zu machen, würde tatsächlich bedeuten, etwa vier Monate lang, sieben Tage die Woche zu arbeiten. Das ist eine Überforderung.“

(Quelle: Stellungnahme der GEW zur Konzeption der additiven Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Berufssprachkursen)

Neukonzeption auch der BSK

Zwar halte auch die GEW eine auf wissenschaftlicher Basis beruhende unterrichtspraktische Ausbildungsphase für Integrations- und Berufssprachkurse für erforderlich. „Eine solche Zusatzqualifizierung muss jedoch inhaltlich im Dialog mit den Lehrkräften und der GEW entwickelt werden“, betonte Klinger. „Sie muss stofflich entlastet werden, so dass sie berufsbegleitend geleistet werden kann und in einem verkürzten Format für erfahrene Lehrkräfte angeboten wird.“ Zudem sollten die Übergangsfristen verlängert werden, so dass alle Bewerberinnen und Bewerber die ZQ absolvieren könnten. Den Honorarkräften müssten die Einnahmeausfälle vergütet werden.

In ihrer Stellungnahme formulieren die GEW-Fachleute auch Eckpunkte für eine Neukonzeption der BSK. Demnach sollen Betriebspraktika, Berufskunde und EDV-Unterricht Teil der BSK werden und durch spezielle Fachkräfte erteilt beziehungsweise vorbereitet werden. Eine Begleitung der BSK durch fest angestellte und tariflich vergütete Sozialpädagoginnen und -pädagogen müsse verpflichtend sein. Auch kollegiale Beratung und pädagogischer Austausch des Kursteams müssten für Honorarkräfte vergütet werden.