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GEW-Hearing zur Bundestagswahl 2021

Eine Doppelstunde zur Bildungsfinanzierung

Die GEW hat mit Vertreterinnen und Vertretern aller demokratischen Parteien im Bundestag über den künftigen Kurs in der Bildungspolitik diskutiert. Dabei ging es vor allem darum, wie anstehende Milliardeninvestitionen finanziert werden können.

Gleich in ihrem Eingangsstatement setzte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt das Thema, das die kommenden 90 Minuten dominieren sollte: Sie bekräftigte die Forderung ihrer Partei, das Grundgesetz zu ändern, damit Bund und Länder bei der Bildungsfinanzierung enger zusammenarbeiten könnten. „Wir müssen gemeinsam Milliarden finanzieren“, sagte sie beim digitalen GEW-Hearing „Bildung krisenfest – jetzt und nach der Wahl!“ am Mittwoch. Da helfe es nicht weiter, wenn jeder die Verantwortlichkeit immer auf den anderen schiebe. „Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung“, betonte auch die GEW-Vorsitzende Maike Finnern und sprach von einer „Verantwortungsgemeinschaft“ aus Bund, Ländern und Kommunen.

Rund dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 hatte die GEW Vertreterinnen und Vertreter aller im Parlament vertretenen Parteien mit Ausnahme der AfD eingeladen, um sie mit den aktuellen Kernforderungen der Bildungsgewerkschaft zu konfrontieren und ihre bildungspolitischen Pläne für die kommende Legislaturperiode abzufragen.

Debatte über Grundgesetzänderung

Finnern stellte direkt zum Auftakt ihr wichtigstes Thema klar: Chancengleichheit – und zwar in allen Bildungseinrichtungen und für alle Menschen. Nur so sei eine demokratische Teilhabe an der Gesellschaft möglich. In diesem Punkt waren sich auch alle Politikerinnen und Politiker einig. Differenzen gab es indes bei der Frage, wie die dafür notwendigen Reformen bezahlt werden sollten. Zumal es viele weitere Großbaustellen gibt: Finnern bezifferte allein den Investitionsrückstand aller Bildungseinrichtungen zusammengerechnet auf 100 Milliarden Euro.

„Dass allein das Grundgesetz da im Wege steht, das stelle ich in Frage.“ (Saskia Esken)

Beim Thema Aufhebung des Kooperationsverbotes, eine Forderung der GEW, die neben den Grünen auch von der Linkspartei unterstützt wird, teilte sich das Feld wie folgt: Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken gab sich zurückhaltend. Das Grundgesetz sei bereits für den Digitalpakt geändert worden, die Gelder seien aber nicht wie erwartet abgeflossen. Außerdem gebe es schon jetzt Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, beide Seiten müssten sich nur einigen. „Dass allein das Grundgesetz da im Wege steht, das stelle ich in Frage.“

„Der Bund sollte sich nicht alles ans Bein binden.“ (Stefan Kaufmann)

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, Nicola Beer (FDP), sprach vom „Kooperationsgebot“ und will dieses weiter stärken. „Da muss man auch nochmal stärker ans Grundgesetz ran.“ CDU-Politiker Stefan Kaufmann, Co-Vorsitzender des Bundesfachausschusses Bildung, Forschung und Innovation, äußerte sich ablehnend. „Der Bund sollte sich nicht alles ans Bein binden“, sagte er. „Dann sind wir auch heillos überfordert.“ Die Länder dürften nicht aus der Verantwortung entlassen werden.

„Wir werden Chancengleichheit nicht erreichen, ohne dass wir Bildung anders finanzieren.“ (Maike Finnern)

Finnern bekräftigte indes: „Wir werden Chancengleichheit nicht erreichen, ohne dass wir Bildung anders finanzieren.“ Für die GEW bedeutet dies auch eine Abkehr vom sogenannten Königsteiner Schlüssel, bei dem das Steueraufkommen eines Landes zu zwei Dritteln und die Bevölkerungszahl zu einem Drittel gewichtet werden, hin zur Verteilung auf Basis eines Sozialindexes, bei dem Schulen in sozial schwierigen Lagen mehr Personal und Geld bekommen. Esken und Göring-Eckardt äußerten sich in diesem Punkt ähnlich.

Weitere Finanzierungsvorschläge

In Fragen der Bildungsfinanzierung galt ansonsten grob zusammengefasst:  Die FDP will einen Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung investieren und zugleich die Autonomie von Schulen stärken. „Gebt das Geld den Schulen, damit es dort in gute Bildung investiert wird“, sagte Beer. „Die Schulleitungen sind unsere Experten vor Ort.“

Die Vorsitzende und Spitzenkandidatin der Partei Die Linke, Janine Wissler, verlangte erneut die Wiedererhebung der Vermögensteuer, die Ländern und Kommunen zu Gute komme, die das Geld dann in Bildung investieren könnten.

Kaufmann kritisierte derweil, der Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) habe sich bereits zunehmend von Forschung zu Bildung verschoben. „Wir haben aber auch eine Verantwortung in der Forschungspolitik, um international wettbewerbsfähig zu sein.“

Zustimmung für GEW-Forderungen

Alle Teilnehmenden nutzen ihre knappe Redezeit, um möglichst viele Schlagworte in den Raum zu werfen – so dass viele Themen oberflächlich bleiben mussten. Alle wollen jedoch - analog zu den GEW-Forderungen - den Fachkräftemangel beseitigen, marode Schulen sanieren, die digitale Ausstattung an Bildungseinrichtungen verbessern, die Qualität im Ganztag sichern, das Bafög reformieren, politische Bildung stärken und gute Arbeitsbedingungen schaffen. Wissler steuerte noch die Punkte längeres gemeinsames Lernen, Inklusion, Bezahlung aller Lehrkräfte nach A13 und Abschaffung der sachgrundlosen Befristung an Hochschulen hinzu.

Aus den Reihen der Bildungsgewerkschaft gab es verschiedene Anregungen. Finnern plädierte für eine Art Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zum Thema Bildung, GEW-Schulexpertin Anja Bensinger-Stolze schlug einen erneuten Anlauf zur Einsetzung eines Nationalen Bildungsrates vor. Der GEW-Vizevorsitzende und Hochschulexperte Andreas Keller will die Länder bei der Verwendung von Bundesmitteln schärfer kontrollieren – und Verstöße möglicherweise auch sanktionieren.

Unterdessen bestätigte sich aber auch: Die Baustellen der Bildungspolitik sind zu groß für schnelle und einfache Lösungen. Und sollte jemand aus dem Publikum des GEW-Hearings noch unschlüssig sein, wo sie oder er am 26. September sein Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen will und dies von bildungspolitischen Positionen abhängig machen: Als Wahlhilfe war das „Quintell“ wohl nur bedingt geeignet. Zu kurz war die Zeit, um bei der Vielzahl der Themen, die mit den sechs Kernforderungen der GEW verbunden sind, in die Tiefe zu gehen. Wer es genauer wissen will, muss vermutlich auch nochmal intensiv die Wahlprogramme der Parteien studieren.