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GEW fordert Kurswechsel in der Hochschulfinanzierung

Die Bundesregierung setzt sich für mehr Dauerstellen an den Hochschulen ein. Das sagt sie in ihrer Antwort auf die parlamentarischen Anfragen der Linken und der Grünen.

(Foto: Colourbox.de)

Verantwortlich dafür seien aber die Hochschulen und die Länder. „Der Bund darf sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen, sondern muss sich in der Grundfinanzierung der Hochschulen engagieren“, mahnt dagegen GEW-Vize Andreas Keller.

„Die Bundesregierung hält eine ausgewogene Balance zwischen unbefristeten und befristeten Arbeitsverhältnissen für wichtig“ – ein klares Bekenntnis der Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. „Die Umsetzung dieses Anliegens liegt bei den Hochschulen in ihrer Funktion als Arbeitgeber“, schiebt die Regierung aber gleich nach.
Gegenstand der Kleinen Anfrage der Grünen ist die Zukunft des Hochschulpakts. Im Mai 2018 hatte sich der Wissenschaftsrat für eine „Dynamisierung“, also eine regelmäßige Erhöhung der Paktmittel ausgesprochen. In ihrem Koalitionsvertrag vom März hatten sich CDU, CSU und SPD zumindest auf eine „Verstetigung“ des bis 2020 fortgeschriebenen Pakts geeinigt.

 Wir brauchen mehr Studienplätze und bessere Betreuungsrelationen.

Zuvor hatte die Bildungsgewerkschaft GEW in ihrer Wittenberger Erklärung von 2016 Bund und Länder aufgefordert, für einen Ausbau der Grundfinanzierung der Hochschulen zu sorgen – als Voraussetzung für eine „Entfristungsoffensive“ im akademischen Mittelbau. Die Bundesregierung stimmt nun in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Einschätzung zu, dass die Erhöhung der Grundfinanzierung „von besonderer Bedeutung für ein zukunftsfähiges Hochschulsystem“ sei. Verantwortlich dafür seien aber die Länder.
Allerdings hätte der Bund seit der Lockerung des Kooperationsverbots für die Hochschulen 2014 durchaus die Möglichkeit, den Ländern bei der Grundfinanzierung der Hochschulen unter die Arme zu greifen. Ein wirksames Instrument dafür wäre eben der Hochschulpakt. Der Wissenschaftsrat, das offizielle Beratungsorgan von Bund und Ländern, in dem neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch Vertreterinnen und Vertreter der Regierungen des Bundes und der Länder selbst vertreten sind, hatte vorsichtig, aber unmissverständlich eine „Prüfbitte“ zur Dynamisierung des Hochschulpakts ausgesprochen.
Dabei nahm der Rat explizit auf den Pakt für Forschung und Innovation (PFI) Bezug, mit dem Bund und Länder die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzieren. Über Jahre wurde der PFI Jahr für Jahr um fünf Prozent aufgestockt, zurzeit sind es drei Prozent pro Jahr. Inzwischen trägt der Bund die jährlichen Steigerungen allein. Die neue Große Koalition hat vereinbart, den PFI weiterhin um „mindestens drei Prozent“ jährlich zu steigern. Kein Wunder, dass sich selbst für den Wissenschaftsrat die Frage aufdrängt, warum Forschungseinrichtungen und DFG vom Bund aufgepäppelt werden, er aber bei der Hochschulfinanzierung knausert.

Ironie der Geschichte: Die stetig wachsenden Bundesgelder für die DFG kommen zwar in Form von Drittmitteln bei den Hochschulen an, aber eben nicht in ihren Haushalten, sondern als wettbewerblich und befristet vergebene Projektgelder. Die DFG-Drittmittel nutzen außerdem nicht der Lehre, sondern ausschließlich der Forschung. Die Spendierfreudigkeit der Bundesregierung beim PFI sorgt also direkt dafür, dass sich die Schieflage in der Hochschulfinanzierung zu Lasten der Grundfinanzierung und zu Gunsten der Drittmittel verschiebt.

Die Politik der Bundesregierung ist eine wichtige Ursache für das Befristungsunwesen an Hochschulen.

Das macht auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zum Thema Drittmittel deutlich. Haben die Hochschulen 2006 gerade mal 1,1 Milliarden Euro Drittmittel von der DFG erhalten, waren es 2016 rund 2,5 Milliarden – deutlich mehr als doppelt so viel. Weitere knapp zwei Milliarden Euro Drittmittel werden direkt vom Bund in die Projektbudgets der Hochschulen gespült. Nach dem aktuellen Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamts sind die Forschungsdrittmittel mit 7,3 Milliarden Euro inzwischen fast genauso hoch wie die für Forschung bestimmten Grundmittel der Hochschulen (7,4 Milliarden).
Die Hochschulen münzen die befristet zugewiesenen Drittmittel direkt in befristete Arbeitsverträge für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um. Die Politik der Bundesregierung ist also eine wichtige Ursache für das Befristungsunwesen, das an den Hochschulen immer dramatischere Ausmaße annimmt. Gleichwohl sieht die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion „keinen Handlungsbedarf“. Die Drittmittelbeschäftigten seien „mehrheitlich Promovierende, die in ihrer Mehrzahl die Universität anschließend verlassen und in den Bereichen Wirtschaft und Gesellschaft vielfältige und attraktive Beschäftigungsfelder finden“. Blieben sie gleichwohl in der Wissenschaft, erhielten sie durch das Tenure-Track-Programm des Bundes und der Länder „planbare Perspektiven“.

Mindestens drei Prozent mehr pro Jahr!

„Die Bundesregierung ist in ihrer Hochschul- und Forschungspolitik drauf und dran, den Realitätsbezug zu verlieren“, kritisiert der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller. „Über DFG-Drittmittel, Exzellenzstrategie, Pakte und Förderprogramme werden hunderttausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit attraktiven Stellen in die Wissenschaft gelockt, eine Zukunftsperspektive über verlässliche Karrierewege wird ihnen aber vorenthalten. 1.000 Tenure-Track-Professuren in 15 Jahren eröffnen nur einem Bruchteil von ihnen eine berechenbare Laufbahn. Die Exzellenzträume von Rektoren und Präsidenten werden auf Kosten der Zukunftschancen einer ganzen Generation junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler realisiert. Damit muss Schluss sein – wir brauchen einen Kurswechsel in der Hochschulfinanzierung“, erklärte Keller.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek (CDU), fordert er auf, die Weichen für ein stärkeres Engagement des Bundes in der Grundfinanzierung der Hochschulen zu stellen. „Statt Milliarden in Exzellenzprojekte und Drittmittelwettbewerbe zu pumpen, muss der Bund für einen Ausbau der Hochschulen in der Fläche und eine bessere Grundfinanzierung sorgen. Dabei darf die Lehre nicht auf der Strecke bleiben: Wir brauchen mehr Studienplätze und bessere Betreuungsrelationen. Der Hochschulpakt muss daher nicht nur verstetigt, sondern auch kräftig ausgebaut und dynamisiert werden. Mindestens drei Prozent mehr pro Jahr – was für DFG, Max Planck und Co. möglich ist, darf auch den Hochschulen nicht vorenthalten werden“, forderte Keller.