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GEW-Delegation zu Gast in Moskau

Auf Einladung des Moskauer Stadtverbands der russischen Bildungsgewerkschaft EDUPROF waren drei GEW-KollegInnen Mitte April in die russische Hauptstadt gereist, um sich über Bildungs- und Gewerkschaftsthemen auszutauschen.

EDUPROF – Eine "unpolitische" Gewerkschaft?

Die russische Bildungsgewerkschaft EDUPROF hat allein in Moskau über 300.000 Mitglieder. Die Vorsitzende der Moskauer Stadtorganisation der Gewerkschaft, Marina Ivanova, informierte über die aktuellen Arbeitsschwerpunkte ihrer Organisation. Unter russischen Bildungsarbeiterinnen und Bildungsarbeitern gebe es einen hohen Organisationsgrad, der auch damit zusammenhängt, dass die Gewerkschaft Aufgaben der Sozialversicherung wahrnimmt und damit in der Tradition der Gewerkschaften der Sowjetunion steht, erklärte Ivanova. Dies sei auch daran zu erkennen, dass die Gewerkschaft in die Administration der Bildungseinrichtungen eingebunden ist. Die Gewerkschaft versteht sich selbst als "unpolitisch" und sieht sich den sozialen und tariflichen Belangen ihrer Mitglieder verpflichtet.

Megathema: Inklusion
In den letzten Jahren sind verstärkt auch pädagogische Fragen in den Fokus der Gewerkschaft gekommen. Denn die Mitglieder verlangen Unterstützung im beruflichen Alltag, fordern Fortbildung und Einsatz der Gewerkschaft für gute Bildung und Ausbildung. Aktuelles Megathema: Inklusion! Marina Ivanova selbst und ihr Stellvertreter, Konstantin Guschewkin, leiten Kongresse und Seminare zu diesem Thema. Die Gäste aus Deutschland lernten Trainerinnen kennen, die sich auch auf Fragen junger Gewerkschaftsmitglieder konzentrieren und gewerkschaftliche Bildung betreiben, wie wir sie auch bei uns kennen. Die Moskauer sind deshalb sehr an einem Austausch mit der GEW interessiert, den sie bereits mit Bildungsgewerkschaften in Singapur, Finnland und Estland intensiv pflegen.

Weiterer Austausch geplant
Wie kann eine Intensivierung der Kontakte aussehen? Den Mitgliedern beider Gewerkschaften soll ermöglicht werden, Bildungseinrichtungen und Konzepte der Partner kennen zu lernen. Spontan wurden von den Gastgebern zwei bis drei Plätze in einem Bildungscamp der Moskauer EDUPROF an der Schwarzmeerküste für junge Lehrerinnen und Lehrer angeboten, die sich in der Jungen GEW engagieren. Gleichzeitig sprachen die deutschen BesucherInnen eine Gegeneinladung für eine Delegation der Moskauer Gewerkschaft im Herbst 2017 nach NRW aus und schlugen vor, für 2018 eine Reisegruppe nach Moskau zu ermöglichen, die GEW-Mitgliedern offen steht. Neben gewerkschaftlichen Kontakten und Schulbesuchen soll dann natürlich auch ein Besichtigungsprogramm in Moskau mit dabei sein.

Begegnung mit KollegInnen aus der "Volksrepublik Donezk"
Die GEW-Kolleginnen und Kollegen aus NRW waren nicht die einzigen Gäste in Moskau. Auch aus der "Volksrepublik Donezk" waren eine Vertreterin der dortigen Bildungsgewerkschaft und eine Hochschuldelegation geladen. Zu ihrer großen Freude traf die GEW-Delegation die ihnen seit Beginn der Kontakte bekannte Vorsitzende der Donezker Bildungsgewerkschaft, Acja Gorschkowa, wieder. Diese berichtete, dass sie alle ihre Funktionen auf der nationalen Gewerkschaftsebene der Ukraine verloren habe, nachdem sie sich entschieden hatte, in Donezk zu bleiben und ihre Gewerkschaftsarbeit unter der Herrschaft der Separatisten fortzusetzen. Die GEW-Delegation erfuhr, dass von den 1,2 Millionen Menschen, die vor dem Krieg in Donezk lebten, etwa 500.000 die Stadt verlassen hätten - unter ihnen auch unsere langjährige Freundin Alla Fedorenko, die jetzt als Pensionärin mit ihrem Mann in Russland lebt. Zeitweilig sei in Donezk kein Schulbetrieb möglich gewesen. Auch jetzt sei täglich der Donner von Geschützen zu hören.

Eine Stadt im Ausnahmezustand
Die abtrünnige Stadt, die politisch von niemandem anerkannt wird, stehe unter dauernder Anspannung. Die Versorgung erfolge fast ausschließlich von Russland aus - einschließlich der Gehälter für Lwehrkräfte sowie Dozentinnen und Dozenten -, die Mailkontakte enden auf .ru. Nach und nach werde die Produktion in den Kohlezechen und dem Stahlwerk wieder aufgenommen. Elena Andrienko, eine Philosophieprofessorin aus Donezk, erklärte, dass gerade junge Leute bemüht seien, ein normales Leben zu führen. In der Innenstadt von Donezk seien Geschäfte, Theater, Universitäten und Schulen geöffnet. Und die Zukunft? Achselzucken. So recht kann sich niemand vorstellen, dass Donezk wieder Teil der Ukraine wie vor dem Krieg wird. Zu groß seien die gegenseitigen Verletzungen. Da müsse, so Elena, eine ganz neue Generation von Politikern mit neuen Ideen heranwachsen. Donezk bleibt also eine Stadt im Ausnahmezustand.

Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Moskau

Bereits seit den 1990er Jahren bestehen im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Moskau freundschaftliche Beziehungen zwischen den lokalen Gliederungen der russischen Bildungsgewerkschaft EDUPROF und der GEW, die vom GEW-Hauptvorstand sowie dem GEW-Landesverband NRW unterstützt werden. Bis 2008 gab es regelmäßig gegenseitige Besuche, bei denen Informationen ausgetauscht und über die jeweilige gewerkschaftliche Arbeit berichtet wurde. Ebenso lebendige Kontakte gibt es seit mehr als 25 Jahren zwischen den lokalen Gliederungen der Bildungsgewerkschaften der Partnerstädte Bochum und Donezk in der Ukraine. Da auch die Moskauer und Donezker Gewerkschaften intensive Kontakte pflegen, ergab sich bald ein Freundschafts-Dreieck NRW-Moskau-Donezk.

Einladung in die russische Hauptstadt
Leider flauten die sehr stark von Ehrenamtlichen getragenen Kontakte in den letzten Jahren ab. Der Krieg im Osten der Ukraine und die Machtübernahme durch Separatisten in Donezk führten dazu, dass alle Kontakte dorthin abbrachen. Umso erfreulicher war es, dass die Initiative einer Gruppe um Benno Hammerschmidt (GEW Bochum), Dietger Rohwerder (GEW Düsseldorf) und Manfred Diekenbrock (GEW-NRW) zu einer Einladung nach Moskau in der Woche vor Ostern führte. Im Auftrag des GEW-Landesverbandes NRW fuhren Rike Müller (Junge GEW), Jan Rohwerder (Hochschule und Forschung) und Manfred Diekenbrock (Landesvorstand NRW/Gewerkschaftliche Bildung) nach Moskau.