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Gegen Hass und Ausgrenzung

Rund fünfzig Personen waren zur GEW-Jahrestagung Internationales gekommen, um über Gewerkschaften und Rechtspopulismus zu diskutieren und Solidarität mit den in der Türkei verfolgten Lehrkräften und WissenschaftlerInnen zu bekunden.

Politik der Ausgrenzung
Rob Weil von der American Federation of Teachers (AFT) aus Washington war der Gast mit der weitesten Anreise, den die Vorsitzende Marlis Tepe zur GEW-Jahrestagung Internationales am 16./17. Februar 2018 in Bad Hersfeld begrüßen durfte. Aus Warschau war Dorota Obidniak von der polnischen Lehrergewerkschaft ZNP gekommen, um mit rund fünfzig TeilnehmerInnen über Gewerkschaften und Rechtspopulismus zu diskutieren. ZNP und AFT stehen in Polen und in den USA in scharfer Opposition zu den dort herrschenden Rechtsregierungen. „Trump betreibt eine Politik der Ausgrenzung“, schimpfte Rob Weil. „Er hat einen neuen rassistischen Raum geschaffen, indem er eine Sprache benutzt, die indirekt die weiße Vorherrschaft betont.“  In der Bildungspolitik setze die Trump-Regierung auf Privatisierung: „Bildungsministerin Betsy DeVos, eine Milliardärin, ist erklärte Gegnerin des öffentlichen Schulwesens. Sie fördert private ‚Charter Schools‘ und sieht Bildung als Ware. Die Mittel für staatliche Schulen werden gekürzt, gleichzeitig Standards  erhöht und unrealistische Ziele gesetzt, die nicht zu schaffen sind, um dann sagen zu können, dass öffentliche Schulen schlechter sind als private.“

Polens Regierung will mehr staatliche Kontrolle
Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit bestimmen auch den Kurs der in Polen herrschenden PiS-Regierung, wie Dorota Obidniak von der Bildungsgewerkschaft ZNP deutlich machte: „Mit Angst vor Flüchtlingen hat die PiS erfolgreich ihre Anhänger im Wahlkampfs mobilisiert. Unterstützung findet diese Politik bei einflussreichen Kreisen der polnischen katholischen Kirche.“  Ganz im Unterschied zu den USA setze die polnische Regierung in der Bildungspolitik jedoch auf mehr staatliche Einflussnahme und Kontrolle. Das neue Schulgesetz ziele auf eine Zentralisierung nationaler Lehrpläne – ganz wie zu kommunistischen Zeiten. Ohne Erfolg hatte die ZNP im März 2017 einen landesweiten Streik gegen die Bildungsreform der PIS-Regierung organisiert. Dabei ging es vor allem um eine neue Schulstruktur, aber auch um andere Unterrichtsinhalte. „Die polnische Regierung will den Patriotismus fördern und hat jetzt Richtlinien zur Vermittlung eines ‚korrekten‘ Geschichtsbildes  erlassen. Ich habe kürzlich vom Beutelsbacher Konsens erfahren. Das könnte hilfreich für uns sein. Wir sollten in Polen auf einem Überwältigungsverbot bestehen.“

Solidarität bedeutet, nicht allein zu sein
Um Solidarität mit verfolgten LehrerInnen und WissenschafterInnen aus der Türkei ging es im zweiten Themenblock der Tagung. Die ehemalige Generalsekretärin der Gewerkschaft Egitim Sen, Sakine Esen Yılmaz, die 2016 aus der Türkei geflohen war, ist als asylberechtigt anerkannt und lebt in Köln. In Deutschland hat sie bisher in über fünfzig Veranstaltungen berichtet und zahlreiche Interviews gegeben:  „Solidarität bedeutet für mich, nicht allein zu sein, wenn ich bedroht bin und verfolgt werde. Die GEW war solidarisch mit mir, in meiner Zeit im Gefängnis in der Türkei und jetzt in Deutschland. Ich habe viel Unterstützung gehabt. Das hat mir sehr geholfen.“ Sakine ist eine von rund dreißig aus der Türkei geflohenen Frauen, Männern und Kindern, die von der GEW Rechtsbeistand in Asylverfahren und Unterstützung im Alltag erhalten.

Physikalische Experimente im Asylbewerberheim
Zu  ihnen gehört auch die Sozialwissenschaftlerin Latife Akyüz. Sie musste die Türkei verlassen, weil sie 2016 mit anderen einen Aufruf ‚AkademikerInnen für den Frieden‘ veröffentlicht hatte, der zu einem Ende des Krieges im Südosten der Türkei aufforderte. Latife berichtete von einem neu gegründeten Verein der geflohenen WissenschaftlerInnen, um für Frieden und akademische Freiheit einzutreten und ihre wissenschaftliche Arbeit im Ausland fortzusetzen zu können. Auch Elif Akgül Ateş sucht in Deutschland nach einer neuen Perspektive. Mit Tränen in den Augen und stockender Stimme berichtete die ehemalige Egitim Sen Frauensekretärin von Gräueltaten, die sie während des Krieges in den türkischen Kurdenregionen miterlebt hat. Das habe sie traumatisiert. Regelmäßig werde sie heute von Albträumen verfolgt. Hilfe erfährt die Lehrerin durch einen Physik-Experimentierkasten, den man ihr zur Verfügung gestellt hat: „So etwas interessiert die Kinder in meinem Asylbewerberheim in Darmstadt. Damit wecke ich Interesse an Physik und Naturwissenschaften.  Das macht ihnen und mir Freude.“

Delegation nach Israel und Palästina geplant
Die ganze Breite der internationalen Arbeit der GEW spiegelten Kurzberichte zu Frankreich, Kuba, Ungarn, Burkina Faso, Rumänien, Polen, den Niederlanden, Israel, Ukraine, Moskau, Kobane und zur Türkei sowie zu Kinderarbeit, internationaler Bildungsfinanzierung und zu den 0,7 % Mitgliedsbeitragseinnahmen, die die GEW Bremen jedes Jahr für gewerkschaftliche  Entwicklungszusammenarbeit bereit stellt.  Unter Leitung der GEW-Vorsitzenden Marlis Tepe, der GEW-Landesvorsitzenden Hessen und  Berlin, Birgit Koch und Tom Erdmann, und des GEW-Referenten für Internationales, Manfred Brinkmann, wurde in vier Arbeitsgruppen über die Umsetzung der internationalen Beschlüsse des GEW-Gewerkschaftstags 2017 beraten.  In ihrem Ausblick benannte Marlis Tepe die Stärkung der Bildungsinternationale und ihres neuen Generalsekretärs David Edwards, den Kampf gegen Kinderarbeit und den Einsatz für Menschen- und Gewerkschaftsrechte in der Türkei als Schwerpunkte internationaler Arbeit der GEW in 2018. Für den Herbst kündigte die GEW-Vorsitzende eine Delegationsreise nach Israel und Palästina an.