Zum Inhalt springen

Forum 3: Attraktivität der dualen Berufsausbildung stärken

Das Forum 3 mit Matthias Anbuhl vom DGB-Bundesvorstand in Berlin setzte sich in einer sehr angeregten Diskussion mit der Attraktivität der dualen Ausbildung auseinander.

Foto: Kay Herschelmann

Einführende Betrachtungen machten den Teilnehmer*innen sehr schnell deutlich, dass duale Ausbildung einen höheren Stellenwert besitzt, als es im Rahmen der Akademisierungsdiskussion spürbar ist. Die Berufsausbildung in Deutschland besitzt im internationalen Maßstab einen hohen Stellenwert. Immer wieder werden seitens der Vertreter beim GEW-Hauptvorstand internationale Gäste betreut, die Einblick in das System der dualen Berufsausbildung erlangen möchten und trotzdem gerät dieses System immer mehr unter Druck.

Infolge des demographischen Wandels können Betriebe offene Stellen (ca. 41.000) derzeit nicht mehr besetzen. Es gibt Schwierigkeiten in der Vermittlung von Jugendlichen mit Problemen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann auch noch niemand konkret sagen, wie viele junge Geflüchtete sich in Deutschland aufhalten, die vielleicht in eine Ausbildung übernommen oder unmittelbar dem „Facharbeitermarkt“ zur Verfügung stehen werden.

2014 waren es in Deutschland 500.000 Studienanfänger*innen, davon 90.000 Bildungsanfänger*innen aus anderen Ländern. Diesen standen 518.000 Anfänger*innen im dualen System gegenüber, eine doch sehr attraktiv-hohe Anzahl, die zugleich Beweis dafür ist, dass die duale Ausbildung durchaus ein gutes Fundament für nachfolgende, weiterführende Qualifizierungen legt.

Und dennoch - nur 21% der Betriebe bilden aus. Nur jeder dritte Betrieb bietet einem Hauptschüler die Möglichkeit, einen Lehrberuf zu erlernen. Ein weiterer Trend zeichnet sich ab, denn zwei von drei Ausbildungsstellen stehen im Bereich Industrie und Handel für einen jungen Menschen mit Hauptschulabschluss gar nicht zur Verfügung. 1,3 Millionen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren sind ohne Qualifizierung, natürlich regional unterschiedlich.

Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, wie man das duale Ausbildungssystem stärken kann. Im Forum 3 entfachte sich eine sehr intensive Diskussion, die in nachfolgenden Schwerpunkten zusammengefasst werden sollen.                                      

Dem Standpunkt vieler Eltern, „…Studium an einer Hoch- oder Fachhochschule um jeden Preis, damit es meinem Kind einmal besser gehen möge..“, ist mit sachlichen Argumenten, die die Perspektiven der dualen Ausbildung begründen, zu begegnen. Verstärkt sollte darauf geachtet werden, was die Jugendlichen wirklich interessiert. Dazu sind die Angebote im Bereich der Praktika zu erweitern und zu verbessern.

Betriebe/Firmen sollten Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen aufzeigen, Perspektiven eröffnen und auch finanzielle Voraussetzungen schaffen. Gemeint sind damit angemessen-motivierende Ausbildungsvergütungen und im Anschluss an die Ausbildung z.B. eine Bezahlung mindestens „nach Tarif“ als auch der Möglichkeit des Aufstieges durch Qualifizierung. Die große Differenz bei der Vergütung für tertiär gebildete Arbeitnehmer*innen, die durchschnittlich 75 % mehr Entgelt erhalten, als beruflich Gebildete, muss verringert werden.

Zusammenfassung der Ergebnisse: 

1.       Informationsdefizite abbauen

  • Elternarbeit muss gezielter erfolgen. Dabei sind frühzeitig die verschiedenen Bildungswege zu erläutern,
  • Berufsorientierung soll sehr zeitig beginnen
  • Um die Berufsorientierung zu unterstützen, sind gezielte Praktika hilfreich. Dabei sollen diese qualitativ anspruchsvoll sein.
  • Eine Berufsorientierung ist für alle Schüler*innen nutzbringend, auch für diejenigen, die an allgemeinbildenden Gymnasien lernen.

2.       Durchlässigkeit verbessern

  • Doppelqualifizierungen sollen angeboten und anerkannt werden
  • Bereits erworbene Abschlüsse sind einzubeziehen und anzurechnen.
  • Durchlässigkeit muss von „oben“ nach „unten“ und umgekehrt möglich sein. Damit kann  der Zugang für Abiturient*innen/Studienabbrecher*innen zu einem dualen Ausbildungsberuf erleichtert werden. Gleichfalls soll für Absolventen der beruflichen Aus- und Weiterbildung der Weg zu einem Studium offen stehen.
  • Erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sollen einbezogen werden
  • Formal, nonformal sowie informell erworbene Kompetenzen sind zu berücksichtigen
  • Es ist zu empfehlen, Aufstiegsfortbildungen systemischer zu konzipieren, um diese gezielter anbieten zu können.

3.       Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen

  • Individuelle Interessen sind für eine erfolgreiche Ausbildung von großer Bedeutung.
  • Jugendliche brauchen eine entsprechende Ausbildungsvergütung.
  • Die Arbeitszeit ist wesentlich für junge Menschen.
  • Umgangsnormen in der Berufsschule und im Betrieb sind wichtig.
  • Im Berufsleben ist die Verdienstperspektive entscheidend.
  • Die Entfernung zur Berufsschule ist zu beachten.
  • Wir brauchen für eine gute duale Ausbildung kompetentes Ausbildungs- und Lehrpersonal.

  •  Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb sind von entscheidender Bedeutung.

4.       Unterstützungssysteme

  • Ein engmaschiges Netz an Beratungsstellen wird benötigt, besetzt mit sachkompetenten Berater*innen.
  • Förder- und Coaching-Systeme werden benötigt, die allen Jugendlichen, besonders denjenigen mit Problemen, Unterstützung bieten. Zielstellung ist dabei der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung.

Aus all den hier benannten Forderungen sind aber auch Zielstellungen für die GEW abzuleiten.

Um sich für die duale Ausbildung stark machen zu können, sollten GEW-intern alle, die mit Aus- und Weiterbildung im weitesten Sinne zu tun haben, einbezogen werden. Es ist ratsam, dass die einzelnen Fachgruppen enger zusammenrücken und gemeinsam abgestimmte Zielstellungen formulieren. Gemeint und zugleich angesprochen sind insbesondere die BFG Gymnasien, die BFG Berufsbildende Schulen als auch der Bereich Hochschule und Forschung. Der Absprache- und Koordinierungsbedarf der GEW mit den DGB-Partnergewerkschaften wird an dieser Thematik ebenso deutlich.

Die duale Ausbildung in Deutschland macht es möglich, dass junge Menschen mit solide erworbenen Kompetenzen, auf denen es sich durch die vielfältigsten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen aufbauen lässt, in das Berufsleben zu starten als auch persönlich-anspruchsvolle, perspektivreiche, berufliche sowie private Ziele anzustreben und zu erreichen. Besonders wir Berufsschullehrer*innen sollten uns dazu bekennen und offen/selbstbewusst für diesen Ausbildungsweg eintreten/werben.