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Sprachlehrkräfte

Fair oder prekär? Meist prekär

Eine ungezählte Anzahl Sprachlehrkräfte arbeitet zu völlig unterschiedlichen Bedingungen. Die meisten sind prekär beschäftigt, auf Honorarbasis, ohne arbeitsrechtlichen Schutz und mit unzureichender sozialer Sicherung. Der Gesetzgeber muss handeln.

Rund 700.000 Menschen sind in Deutschland im Weiterbildungssektor tätig – rund 400.000 von ihnen lehren auf Honorarbasis. Die Zahl der Sprachlehrkräfte wird statistisch nicht erfasst. Schon das ist ein Hinweis auf die mangelnde Aufmerksamkeit für diese Beschäftigtengruppe und ihre Arbeitsbedingungen. Sicher ist, dass sie einen erheblichen Teil der Weiterbildungsbeschäftigten stellen. Sie unterrichten Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache (DaF/DaZ) in Integrationskursen, an Volkshochschulen und Goethe-Instituten, sowie andere Fremdsprachen an Hochschulen, Sprachschulen und in betrieblichen Bildungseinrichtungen.

Doch wie viel verdient man als Sprachlehrkraft; wie gestalten sich die Arbeitsbedingungen; wie steht es um die soziale Sicherung? Auch dazu gibt es keine allgemeinen statistischen Daten. Folgende Beispiele verdeutlichen jedoch die Bandbreite: An vielen Universitäten sind Sprachlehrerinnen und -lehrer als „Lehrkräfte für besondere Aufgaben“ (LfbA) beschäftigt. Sie erhalten ein tarifliches Monatsentgelt nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) Entgeltgruppe EG13 – derzeit sind das zwischen 3.672 Euro monatlich für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger und 5.379 Euro nach 15 Jahren Berufserfahrung. Die Tätigkeit als LfbA ist anders als die anderer wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht an eine Qualifikationsarbeit – eine Dissertation oder Habilitation – gekoppelt. Die Lehrkräfte können unbefristet beschäftigt werden, was aber nicht immer der Fall ist. Der Umfang ihrer Unterrichtsverpflichtung variiert von Bundesland zu Bundesland; meist liegt sie zwischen 12 und 18 Unterrichtseinheiten (UE) à 45 Minuten bei Vollzeit. Hinzu kommen Prüfungstätigkeiten, Organisatorisches sowie Vor- und Nachbereitung. An Fachhochschulen kann die Lehrverpflichtung bis zu 24 UE betragen, die Eingruppierung erfolgt in manchen Bundesländern in die EG11 des TV-L.

Kaum eine Sprachlehrkraft erzielt auf Basis von Honorarverträgen ein Einkommen, das dem einer festangestellten Lehrkraft entspricht.

Viele Sprachlehrkräfte an Hochschulen werden zudem auf Basis von Lehraufträgen beschäftigt. Als Lehrbeauftragte erhalten sie pro Unterrichtsstunde eine Vergütung, die meist irgendwo zwischen 20 und 45 Euro liegt; Vor- und Nachbereitung sind damit abgegolten. In den vorlesungsfreien Zeiten erhalten sie keine Bezahlung. Ihre Sozial- und Krankenversicherung müssen Lehrbeauftragte komplett selbst finanzieren. Sie haben keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, können also stets nur von Semester zu Semester planen. Um ein vergleichbares Nettoeinkommen wie eine Lehrkraft für besondere Aufgaben zu erzielen, müssten sie während des Semesters bis zu 60 Stunden die Woche unterrichten – und während der vorlesungsfreien Zeit ihr Geld an einem anderen Arbeitsplatz verdienen. Insgesamt gilt: Mit dem Einsatz von Lehrbeauftragten im Sprachunterricht schaffen die Hochschulen in großem Umfang prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Vollzeit.

Ähnlich ist die Situation von Honorarlehrkräften bei privaten Trägern sowie an Volkshochschulen. Ihre Honorare liegen teils weit unter 30 Euro pro UE; nur für Integrationskurse gilt seit 2016 ein Mindesthonorar von 35 Euro. Kaum eine Sprachlehrkraft erzielt auf Basis von Honorarverträgen ein Einkommen, das dem einer festangestellten Lehrkraft entspricht: Um nach Abzug aller Sozialversicherungsbeiträge und Steuern auf das Einkommensniveau einer Lehrkraft in der EG11 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu kommen, müssten – je nach Berufserfahrung – 42 bis 68 Euro pro UE bezahlt werden; um auf das Niveau der EG13 des TVöD zu kommen, 53 bis 76 Euro.

Einen Flächentarifvertrag für die gesamte Weiterbildungsbranche, der allen Beschäftigten faire und gleiche Arbeitsbedingungen auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes garantieren würde, konnten die Gewerkschaften bislang nicht durchsetzen.

Doch auch festangestellte Sprachlehrkräfte arbeiten häufig prekär. Viele sind befristet beschäftigt; zudem liegt ihr Gehalt deutlich unter dem Niveau des öffentlichen Dienstes. Über viele Jahre lieferten sich die Weiterbildungsträger einen regelrechten Unterbietungswettbewerb; mit Monatsgehältern von unter 1.000 oder Stundenlöhnen von 5 bis 6 Euro für Sprachlehrkräfte. Um dem einen Riegel vorzuschieben, handelten GEW und ver.di erstmalig 2012 mit der Zweckgemeinschaft des Bundesverbandes der Träger Beruflicher Bildung einen Mindestlohntarifvertrag aus, der durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales allgemeinverbindlich erklärt wurde. Aktuell liegt der Mindestlohn bei 15,26 Euro pro Stunde; bei einer 40-Stunden-Woche entspricht das einem Monatsgehalt von 2.654,02 Euro.

Allerdings ist er nur für jene Träger bindend, die Maßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II und III anbieten. Und er regelt nur einen Mindeststandard: Hochqualifizierte Fachkräfte sollten deutlich mehr verdienen. Einen Flächentarifvertrag für die gesamte Weiterbildungsbranche, der allen Beschäftigten faire und gleiche Arbeitsbedingungen auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes garantieren würde, konnten die Gewerkschaften bislang nicht durchsetzen. Daher schließt die GEW mit einzelnen Trägern Tarifverträge ab, zum Beispiel mit den Berlitz-Sprachschulen. Dort wird einer Sprachlehrkraft eine Bezahlung im Umfang von 75 Prozent einer Vollzeitstelle garantiert, das entspricht tariflich gesichert mindestens 2.133,54 bis 2.489,94 Euro im Monat. Bei höheren Einsatzzeiten steigt das Gehalt entsprechend. Allerdings arbeitet auch bei Berlitz die Mehrzahl der Lehrkräfte auf Honorarbasis. In den Integrationskursen zahlt Berlitz das Mindesthonorar von 35 Euro.

Viele Träger sind nicht tarifgebunden und zahlen weiterhin sehr viel niedrigere Gehälter und Honorare bei Unterrichtsverpflichtungen von bis zu 40 UE pro Woche. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts könne man ja in den Pausen machen, so erklärte es einmal die Leitung einer privaten Sprachschule in Frankfurt. All diese Sprachlehrkräfte verfügen über eine hohe Qualifikation und teils langjährige Berufserfahrung. Von allen wird erwartet, dass sie einen qualitativ hochwertigen Sprachunterricht für Erwachsene anbieten. Mit einem Honorar von 35 Euro pro UE für 25 Stunden Unterrichtsverpflichtung kostet die Lehrkraft den Arbeitgeber hochgerechnet auf eine Vollzeitstelle mit 39 Wochenstunden 21,70 Euro pro Zeitstunde. Das ist deutlich unter den vom Statistischen Bundesamt für alle Branchen ermittelten durchschnittlichen Arbeitskosten pro Stunde, die 2017 bei 34,50 Euro lagen.

Der Gesetzgeber hat bislang versäumt, eine klare Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern und Selbstständigen vorzunehmen, die sich auf Lehrkräfte in der Weiterbildung anwenden lässt.

Meist unterscheidet sich die Tätigkeit von angestellten Lehrkräften und Honorarlehrkräften nicht – auch letztere sind häufig dauerhaft nur für einen Auftraggeber tätig und erteilen denselben Unterricht. Der Unterschied liegt allein im Status: Die einen gelten als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, die anderen als Selbstständige. Nur in seltenen Fällen ist dieser Status frei gewählt. Die Mehrheit der selbstständigen Honorarlehrkräfte hätte gerne einen Arbeitsvertrag, bei dem der Arbeitgeber seinen Anteil zur Sozialversicherung zahlen muss und der in aller Regel ein wesentlich höheres Nettoeinkommen sichert. Warum ist die überwiegende Zahl der Sprachlehrkräfte trotzdem selbstständig? Der Grund liegt auf der Hand: Sie sind für den Auftraggeber wesentlich billiger und können jederzeit vor die Tür gesetzt werden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Ihre Verträge umfassen meist nur den aktuellen Kurszeitraum.

Warum ist das rechtlich möglich? Hier beginnt der eigentliche sozialpolitische Skandal: Der Gesetzgeber hat bislang versäumt, eine klare Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern und Selbstständigen vorzunehmen, die sich auf Lehrkräfte in der Weiterbildung anwenden lässt. Deshalb beschäftigt diese Frage immer wieder die Gerichte – und die kommen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Ein aktueller Fall ist der eines Gitarrenlehrers, der an einer kommunalen Musikschule auf Honorarbasis tätig war. Weil er im Unterricht ein vorgegebenes Lehrplanwerk zu beachten habe, hatte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bei einer Statusklärung festgestellt, er sei „scheinselbstständig“. Die Folge: Der Arbeitgeber hätte nicht geleistete Anteile zur Rentenversicherung nachzahlen müssen. In zwei Instanzen folgten die Sozialgerichte dieser Bewertung. Dann hob das Bundessozialgericht die Entscheidung auf. Der Gitarrenlehrer sei selbstständig, weil die Parteien das so vereinbart hätten – Lehrplanwerk hin oder her.

Wer dauerhaft und überwiegend für einen Auftraggeber tätig ist, muss sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden.

Allerdings: Selbst wenn das Bundessozialgericht dem Gitarrenlehrer „Scheinselbstständigkeit“ attestiert hätte – es hätte ihm nichts genützt. Dann wäre er arbeitsrechtlich nämlich immer noch kein Arbeitnehmer, dazu hätte er vor dem Arbeitsgericht klagen müssen. Die Arbeitsgerichte wiederum kommen bei Honorarlehrkräften fast ausnahmslos zu dem Ergebnis, diese seien Selbstständige. Das Resultat: Der Leidtragende ist in jedem Fall der Beschäftigte.

E&W 3/2017 berichtete darüber, dass das Goethe-Institut rund 400 Honorarlehrkräfte nach einer Überprüfung durch die DRV vor die Tür gesetzt hatte. Später wurden etwa 70 Lehrkräfte befristet angestellt. Für die anderen Honorarlehrkräfte einigte sich das Goethe-Institut bis zum Sommer 2017 auf eine Neufassung der Honorarverträge, die unter anderem vorschreiben, dass sie keine Betriebsmittel des Goethe-Instituts nutzen dürfen. Sofern sie unter diesen Umständen weiter für diesen Auftraggeber tätig sind, haben sich ihre Arbeitsbedingungen verschlechtert. Die Leidtragenden sind auch hier die Beschäftigten.

Es wäre Sache des Gesetzgebers, dem einen Riegel vorzuschieben. Wer dauerhaft und überwiegend für einen Auftraggeber tätig ist, muss sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden. Lehrkräfte, die aus freien Stücken selbstständig sind, entscheiden sich dafür, weil sie unabhängig von einem bestimmten Auftraggeber sein wollen und können so ihren Status als Selbstständige aufrechterhalten. Solange der Gesetzgeber untätig bleibt, wird es weiter eine große Zahl unfreiwillig selbstständiger Lehrkräfte geben, die zudem die Leidtragenden der unterschiedlichen Bewertung ihres Status‘ durch die DRV und die Gerichte sind.