Zum Inhalt springen

EuroCampus der Deutschen Schule Shanghai

Sechs Jahre hat Claus von Eitzen in China an der Deutschen Schule Shanghai unterrichtet und dort die IT-Abteilung betreut. Zurück im Bremer Schuldienst bemüht er sich um asiatische Ruhe und Gelassenheit.

Skyline von Shanghai (Foto: Fotolia, Roman Sigaev)

Ich bin Diplom-Ökonom, Datenverarbeitungskaufmann und Gymnasiallehrer mit den Fächern Wirtschaftslehre und Politik und komme aus Bremen. Von 2005 bis 2011 war ich im Status einer Ortslehrkraft mit insgesamt drei Zweijahresverträgen am EuroCampus der Deutschen Schule Shanghai als IT-Manager und Gymnasiallehrer mit voller Stundenzahl/Stelle beschäftigt. Die Hälfte bzw. ein Drittel meines Deputats habe ich in der IT-Abteilung gearbeitet. Unterricht habe ich in den Fächern Politik, Informatik, Naturwissenschaften in der Sekundarstufe des Gymnasiums und der Realschule sowie kurzfristig auch in Rechnungswesen an der Berufsschule der Groß- und Außenhandelskaufleute erteilt. Meine umfangreichen Reisen und Erlebnisse habe ich in einem visuellen Reisetagebuch unter dem Titel „Per Glückskeks nach Shanghai – Sechs Jahre im neuen China und umzu” im Jahre 2012 veröffentlicht.

Eine der größten deutschen Auslandsschulen

Die Deutsche Schule Shanghai ist keine Begegnungsschule. Sie bildet gemeinsam mit der Ecole Francaise den EuroCampus in einem 2005 eröffneten, neu gebauten Schulgebäude im Shanghaier Stadtteil Qingpu. Unterrichtssprache ist Deutsch, es gilt der Thüringer Lehrplan und es werden deutsche Schulabschlüsse, insbesondere der Realschulabschluss, das Abitur und die DIAP nach KMK-Standards vergeben. Der gemeinsame Gebäudekomplex EuroCampus umfasst neben der Ecole Francaise auch einen französischen und deutschen Kindergarten und jeweils eine deutsche bzw. französische Grundschule. Zum EuroCampus gehört neben einer Bibliothek, einer Mensa sowie Sporthalle und einem Sportplatz mit 400m-Tartanbahn auch ein Fine-Art-Center sowie ein schuleigenes Hallenschwimmbad. Mit zurzeit etwa 1.200 deutschen und etwa 1.300 französischen Kindern und Jugendlichen am EuroCampus dürfte es sich um eine der größten deutschen Auslandsschulen handeln.

Ankunft in China

Das Ankommen in Shanghai ist für mich kulturell ein Sprung ins kalte Wasser. Kaum dem Flugzeug entstiegen, kann ich nichts mehr lesen und verstehen – von englischen Ausdrücken und Pinyin-Beschriftungen abgesehen. Es dauert lange, bis ich ein wenig Alltags-Chinesisch sprechen und verstehen kann. Das Schreiben und Lesen sofort zu lernen, halte ich für eine Überforderung. Für eine Wohnung hat die Schule glücklicherweise schon gesorgt, weitere Lebensnotwendigkeiten regeln sich schnell. Drei Dinge braucht der Mann, hieß es früher in einem Werbeslogan. In Shanghai sind es heute auch drei Dinge, die Mensch sofort braucht: Internet, Mobiltelefon, Geldkarte. Den Internetzugang gibt es sofort. Von den Internetdiensten funktioniert leider mein E-Banking Programm nicht auf Anhieb so, wie es soll, aber nach einigen Tagen sind die Einstellungsprobleme behoben.

Mein Mobiltelefon aus Deutschland funktioniert über World-Wide-Roaming mit China-Telecom, aber zu Apothekenpreisen. Am nächsten Tag wird ein einfaches Nokia-Handy für etwa 400 RMB angeschafft. Mit der Prepaid-Karte von China Mobile bin ich von aller Welt aus erreichbar und kann in China für umgerechnet etwa 0,04 ct/min. telefonieren. Die Kontoeröffnung bei der Bank of China ist ein kleiner Staatsakt, auch er erfolgt am nächsten Tag unter Anleitung der Verwaltung der Deutschen Schule. Die Versorgung mit Bargeld über Visa-Kreditkarte funktioniert im Allgemeinen, auch das Maestro-System ist an immer mehr ATM-Geräten verfügbar.

Doch bevor es überhaupt zur Kontoeröffnung kommt, muss der Gesundheitscheck passiert werden. Ohne Gesundheitszeugnis gibt es keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, also auch kein Gehalt. Der Gesundheitscheck ist gut organisiert, das Gebäude liegt nicht weit entfernt, die Auslagen werden vom Arbeitgeber erstattet. Das Prozedere ist nicht ungewöhnlich, also Fragebogen, Röntgen, Ultraschall, Blutabnahme, Augentest. Mein in Deutschland durchgeführter Aids-Test wird gar nicht erst zur Kenntnis genommen, ich hätte ihn mir sparen können. Insgesamt passiere ich den Test ohne Probleme und sehe meinem Aufenthaltstitel hoffnungsvoll entgegen.

Alltag in Shanghai

Mein Apartment im Parterre befindet sich im 1. Stock; es dauert ein wenig, bis ich diese chinesische Selbstverständlichkeit verinnerliche und in Fahrstühlen nicht mehr das Erdgeschoss suche. Verständlich ist diese Ansicht des Nullniveaus schon: Wo beginnt sie, die Normalnull? Es soll ja sogar Mathematiker geben, die darüber streiten, ob die Null nun positiv oder negativ ist. Das erste Service-Apartment ist einfach eingerichtet, umfasst Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Dusche, Balkon, eine Grundausstattung an Geschirr, Besteck, Handtücher, Bettwäsche, Waschmaschine, Herd, Kühlschrank, Einbauschränke, TV mit chinesischen Sendern, Kaffeemaschine, Toaster, Mikrowelle, Klimaanlage – das wichtigste Gerät Sommers und Winters also zum Schluss.

Schnell steht mein Entschluss fest, ich will in dieser Anlage eine Wohnung haben: In Möbel und Innenausstattung muss ich kein Geld stecken; über die Einrichtung, passende Farben, Muster, Geräte muss ich mir als männlicher Single keine großen Gedanken machen. IKEA habe ich in Deutschland viel zu oft von innen gesehen, die Shanghaier Filiale wird erst Jahre später besucht. Und mit chinesischen Maklern brauche ich keine Wohnungsbesichtigungen zu vereinbaren und wochenlange Verhandlungen zu führen. Verkehrsgünstig ist der tägliche Weg zur Schule, nach zehn Minuten Fußweg zum Shanghai-Zoo kann ich in den Schulbus einsteigen – später fährt uns gar ein Shuttlebus des Compounds zur Haltestelle des Schulbusses. Und diese Strecke muss ich ja mindestens fünfmal pro Woche hin und zurückfahren.

Ins Zentrum sind es per Taxi je nach Verkehr am Wochenende ca. 30 min für umgerechnet 2,50 Euro, auch das ist erträglich. Eine riesige Shoppin-Mall ist ebenfalls in 20 Minuten zu Fuß erreichbar, gleich um die Ecke gibt es viele kleine Restaurants, Bank, Post und Supermarkt. Das Personal ist zuvorkommend und kann relativ gut Englisch. Der Zoo ist nicht weit und bietet gute Möglichkeiten zum Entspannen. Und im ersten Stock, pardon im Parterre, ist eine nette kleine Kneipe mit Karaoke-Maschine und Großbildleinwand. Bald hängt meine erste maschinengewaschene Wäsche auf dem Balkon, die chinesische Beschriftung des Programmschalters der Waschmaschine ist entmythologisiert.

Eine internationale Metropole
Wenige Stockwerke über mir wird gerade der Dachgarten fertiggestellt mit Whirlpool, Liegestühlen und Barbecue-Anlage sowie schöner Aussicht auf die Stadt. Zur Apartmentanlage gehören außerdem eine Squash-Halle und ein Fitness-Center. Die Gestaltung des Evergreen-Garden umfasst einen schönen Teich voller Fische und viele Vögel in Volieren. Einer von zwei Beos ruft einem immer „Nihao“ – Guten Tag hinterher – abends im Dunkeln erschrecke ich mich oftmals. Beim Wachpersonal liegt auch ein schöner, großer Hund, sieben Monate alt und als Golden Retriever gekauft. Aber Irrtum sprach der Igel, er ähnelt einer Mischung aus Bernhardiner und Hirtenhund. Er wird hier trotzdem adoptiert, eine Lizenz beantragt (so heißt die Hundesteuer hier) und „Oskar“ gehört als lebendes Inventar zur Anlage genauso wie eine weiße Katze, deren Lieblingsspiel das Angeln und Vogel fangen ist. Shang¬hai ist nicht nur die Wiege der chinesischen Revolution, es ist eine internationale Metropole mit immer wieder neuen Höhepunkten: Fußball-WM der Frauen, Formel-Eins, Tennis-ATP-WM der Herren, EXPO 2010, Konzerte mit Weltstars und anderes mehr.

Und welcher deutsche Bundespolitiker hat hier nicht seine lange Nase in den Transrapid gesteckt, den er zu Hause nicht zum Laufen kriegt? Wenn ich auch viele der Großveranstaltungen lieber im Fernsehen verfolgt habe, die internationale Atmosphäre prägt diese Stadt, und von Puong über den Bund bis in die Hong Mei Lu spiegeln sich die Events im internationalen Publikum wider. Das Gefühl, ich könnte ja hingehen, ist nicht unangenehm. Und es gibt noch einen weiteren Spiegel für die Öffnung dieser Stadt und des Landes - die rasante Zunahme der Beziehungen zwischen deutschen (vorwiegend) Männern und chinesischen (vorwiegend) Frauen. Der A¬teil der Kinder aus solchen binationalen Ehen steigt in den Kindergärten und Grundschulen der Deutschen Schule sowohl in Puxi als auch in Pudong - auf Anteile bis 40 % - die Zukunft hat also ein neues, erfrischendes Gesicht und das Unter-richtsfach Deutsch als Zweitsprache bekommt eine kräftige chinesische Note hinzu.

Die Schule

Erwartungsvoll ist meine erste Fahrt zur neuen Schule, besser gesagt zur Baustelle der neuen Schule 2005. Alle Neuen werden dazu eingeteilt, die Schulmöbel aus den Containern in Empfang zu nehmen und auf die Klassen- und Fachräume zu verteilen. Bis zum Unterrichtsbeginn regiert die Umzugs- und Baumängelbeseitigungsaktivität meinen Dienst. Und Freitag ist nachmittags Dienstbesprechung in der neuen Schule mit anschließendem Sektimbiss und kollegialem Karaoke bis zum Abwinken in unserem Compound. Im Kollegium bin ich nach dem Schulleiter der Älteste, der Schnitt liegt so deutlich unter 40. Meinen habe ich auch besichtigt, 50 neue iBooks und etliche Mini-Macs warten an meinem Arbeitsplatz, dem Computer- und Serverarbeitsraum, auf das Auspacken und Einrichten. Wenn in der Schule auch sonst noch wenig geht: Der Verwaltungsserver, der Schülerserver, der Internetserver und die Telefonanlage mit über 200 Anschlüssen sind im Betrieb. Natürlich in einem extra gekühlten Raum mit den genormten, noch etwas leer wirkenden Serverschränken und einem riesigen Notstromaggregat. Die Verkabelung ist kilometerlang, es laufen 45 Airport-Extreme-Basisstationen – überall in der Schule ist unter den Decken verteiltes WiFi, also drahtloses Inter- und Intranet, verfügbar.

Das Lehrerzimmer besteht aus zwei Räumen, einem Aufenthaltsraum und einem Arbeitsraum mit Druckern. In jedem abschließbaren Lehrerfach liegt ein Stromanschluss, damit man seine mobilen Teile aufladen kann. Und für die Klassenräume sind fünf fahrbare Laptopwagen mit je 24 Apple-Laptops und je einem drahtlos anzusteuernden Laserdrucker vorgesehen. An Arbeit mangelt es nicht. Zum ersten Tag der offenen Tür werden 650 deutsche Eltern bzw. Schüler und ca. 850 Franzosen erwartet. Damit ist die Kapazität des Neubaus schon zur Eröffnung fast ausgeschöpft. In der Woche folgen dann jede Menge Konferenzen. Persönlich muss ich insgesamt zwölf Stunden unterrichten. Der Rest meiner Arbeitszeit ist für die Web-Site, Server, Verwaltungsrechner und den Bereich der Medien verplant; für all die vielen mobilen und stationären Geräte. Heute verteilt sich diese Arbeit auf die PR- und IT-Abteilung. Schnell wird auch klar – analoge Medien sind hier Auslaufmodelle – d. h. zunächst einmal Video- und Tonbandkassetten. Sie können zwar auf CD/DVD digitalisiert werden, aber für diese veraltete Technik wird auf dem chinesischen Markt längst nicht mehr produziert.


Große Nachfrage nach deutscher Bildung

Die erste Schulwoche ist gefüllt mit zwei Elternabenden jeweils um 19.30 Uhr. Um diese Zeit wie auch morgens um sieben Uhr brauche ich für 9 km Schulweg mehr als eine Stunde. Manchmal bin ich von acht bis 21 Uhr in der Schule, Wochenende nicht ausgeschlossen. Auf dem Elternabend wird positiver Erwartungsdruck aufgebaut. Die neuen Lehrer werden den Eltern vom Schulleiter als die beste Auswahl, die der deutsche Lehrerarbeitsmarkt gerade zu bieten habe, vorgestellt.
Bald ist mein erstes Schulhalbjahr absolviert, und auch die Probezeit mit der fristlosen Kündigungsmöglichkeit meines Arbeitgebers überstanden. Anerkennende Worte des Schulleiters signalisieren mir, dass ich als Oldie in einem jungen Kollegium angekommen bin. Und dieses Kollegium wird weiter wachsen, die Nachfrage nach deutscher Bildung steigt unablässig.

Die im September 2005 eröffnete Schule ist im März 2006 schon zu klein, daher wird ein Ausbauplan beschlossen. Durch ein Bauvolumen von mehr als fünf Millionen Euro sollen zwölf neue Klassenräume und ein Fine-Art-Center bis September 2006 gebaut werden. Diese Expansion ist bis heute nicht zum Ende gekommen, aus einer Deutschen Schule in Shanghai sind mittlerweile zwei Schulen geworden: Die Filiale in Pudong mit 2012 etwa 300 Schülern rüstet sich für die Abnahme des Abiturs 2014. Verschiedene Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind absolviert worden, die BLI ist dort gewesen und die DSS hat das Prädikat „Exzellente Deutsche Auslandsschule” erworben.

Der qualitativen Entwicklung entspricht die Medienergänzung und -erneuerung. Das drahtlose Netzwerk ist auf den neuesten Stand mit differenzierten Zugängen und Bandbreiten für unterschiedliche Benutzergruppen gebracht worden. Der drahtlose Internetzugang für alle Schulräume wurde aufwändig optimiert. In den Klassenräumen ersetzen jetzt enorm lichtstarke, drahtlos anzusteuernde Beamer die aus den Jahren 2008/09 stammenden, unter der Decke hängenden, etwas betagteren Geräte.

Herzstück der Medienausstattung der Klassen bleibt ein erneuerter Mini-Mac sowie ein angepasstes Soundsystem. Drahtlose, zuverlässig funktionierende Tastatur und Maus sowie eine ausfahrbare Leinwand runden die mustergültige Einbindung von Medien und Internet in den Unterrichtsraum ab. Die Werkzeuge kommen dahin, wo sie gebraucht werden und nicht umgekehrt. Fallstrickähnlicher Kabelsalat, schwächelnder Steckerkontakte und Belegungsgerangel um computerausgestattete Räume sind Geschichte.

Die entscheidende Schnittstelle für den Einsatz bleibt natürlich der Mensch, der hier aber in Echtzeit auf die hilfreiche Unterstützung der IT-Abteilung zurückgreifen kann und nicht auf schulfernen, externen Support warten muss.

Modernste Technik und Programme

Von der verfügbaren Unterrichtssoftware habe ich dabei noch gar nicht gesprochen. Es sind insgesamt über 200 Programme installiert, die Online-Lernplattformen wie Antolin oder Online-Dienste wie Duden.de und andere Nachschlagewerke noch gar nicht mitgezählt. Windows-Systeme laufen auf den Intel-Prozessoren ebenso wie das jeweils aktuelle Microsoft-Office-Paket; sprich Word, Excel und Powerpoint, auch Photo-shop. Und für sämtliche Oberstufenschüler gibt es jetzt einen superflachen Acer-Laptop in die Schultasche, mit Flashspeicher und einer Startzeit für Windows 8 von wenigen Sekunden. In der Grundschule sind aktuelle MacBook-Laptops in mehreren Klassen-sätzen verfügbar; zwei Stunden Textverarbeitung sind Bestandteil des Unterrichts in der Grundschule von Klasse 1 an, natürlich auch Englisch und Chinesisch als Wahlfach.

„Gemeinsam wagen, geboren wachsen” lautet das Motto der DSS. Geborgenheit gibt es auf dieser Insel deutscher Kultur in hohem Maße, gerade auch unter Sicherheitsaspekten. Keine schulfremde Person kommt ohne Registrierung auf das Schulgelände. Die Ausstattung von Schülern, Lehrern und Mitarbeitern mit einer multifunktionalen Chipkarte mit Passfoto regelt den Zugang, auch zu Fachräumen in der Schule. Gleichzeitig ist dieser Chip eine schulinterne Geldkarte für Mensa und Cafeteria. Kinder können nur unter Aufsicht der Schule oder ihrer Eltern das Schulgelände verlassen, für die älteren Schüler im heranwachsenden Alter gibt es selbstverständlich erweiterte Möglichkeiten. Der mit Schulbussen und sogenannten Bus-Ais organisierte Transport sorgt für einen gesicherten Schulweg bis zur heimischen Haustür und zurück.

Auch für die unvermeidlich auftauchenden kleineren Blessuren in Kindergarten und Schule ist gesorgt, eine während der Kernunterrichtszeit immer besetzte Erste-Hilfe-Station mit deutschem und französischem ausgebildetem Sanitätspersonal sorgt für qualifizierte Hilfe in Notfällen. Dem Verdrücken aus dem Unterricht unter gesundheitlichen Vorwänden wird auch so ein wirksamer Riegel vorgeschoben. Auch wird im Leitbild der DSS insbesondere auf die Individualität der Kinder und Jugendlichen abgehoben. Das bleibt keine leere Floskel, mithilfe eines Förderkonzeptes werden deren Fähigkeiten und Bedürfnisse ganzheitlich vom Kindergarten bis zum Abitur entwickelt. Lern- und unterrichtsbegleitende Einzelförderung verbinden sich hier zu einem positivem Lern- und Entwicklungsklima in Toleranz, Wertschätzung und Respekt.



Alter wird mit Respekt behandelt

Natürlich hat Shanghai aus mir keinen anderen Menschen gemacht, aber verändert hat es mich schon. Schaue immer auf die positive Seite, blicke immer nach vorne - dann erkennst du das Positive, dann kommst du auch selber voran. „Yi Fen Wei Er – Eins teilt sich in Zwei.” Alles, was ich so persönlich in Europa als Schwarz empfunden habe, erscheint auf einmal in China als Weiß: das Alter wird mit Respekt behandelt, einem Lehrer wird mit besonderer Hochachtung begegnet ein männlicher Bauch im Alter ist kein Schandmal, sondern ein oftmals gestreicheltes Übertragungsobjekt von Buddhas Glück.In allem Ärger, gerade dem Beruflichen, den es in Shanghai wie überall sonst auf der Welt gibt, habe ich immer wieder versucht, das Positive zu entdecken. Ärger über Stundenplan, Fächereinsatz, Vertretungsunterricht, unsinnige Anwesenheitspflicht, fehlende Arbeitnehmerschutzrechte und un-verständliche Entscheidungen? Nicht so wichtig!

Was für eine Freude, in meinem Alter Schülerinnen und Schülern noch positive Impulse geben zu können. Welch ein Vergnügen, das Wachsen und Werden von laufenden Metern zu jungen Erwachsenen begleiten zu dürfen. Welch eine Ehre, die deutsche Schule in Shanghai, auch mal im lokalen Sportfernsehen, vertreten zu können. Aber auch welch angenehme Anerkennung von ehemaligen Abiturienten aus Bremen in China besucht und in den lokalen Bremer Medien gewürdigt zu werden. Während meines ersten Berufsjahres 1983 hatte ich eine Halbjahresvertretung einer 8. Gymnasialklasse in Deutsch und Geschichte am damaligen Bremer Schulzentrum Graubündener Straße. Zum Abschied gab es bei der Zeugnisausgabe für mich von der Klasse ein silberfarbenes Feuerzeug mit der Gravur eines damals im Deutschunterricht als Gossensprache gebrandmarkten Ausdrucks: „Es war affentittengeil” – dem habe ich nichts hinzuzufügen.


Wiedereingliederung

Während der AGAL-Tagung in Mariaspring 2012 tritt meine oberste Chefin Jürgens-Pieper als Bildungssenatorin in Bremen zurück. Die Bremer Grünen hatten ihre bescheidenen Ansprüche an die Finanzierung des Bildungsressorts kompromisslos blockiert. Die SPD-Nachfolgerin wird den absurden Sparkurs 2013 fortsetzen. Demokraten müssen manchmal schon recht unangenehme Kröten schlucken. Die sechs Jahre in Shanghai sind der späte Höhepunkt meines Lebens, beruflich will ich es nun locker ausklingen lassen, das Renteneintrittsalter naht. Wieder zurück in Deutschland zu sein, speziell in Bremen, ist aber schon etwas Besonderes. Schließlich wird Bremen schon mal mit Griechenland verglichen. Was mir in Shanghai noch als lockere Restlebensarbeitszeit von drei Schuljahren bis zur Rente erscheint, verändert sich für mich in der Realität der Bremer Bildungspolitik. Jetzt heißt es für mich, das große Zertifikat in asiatischer Ruhe und Gelassenheit zu erwerben.

Eigentlich sollte ich schweigen und abwarten, doch so ganz gelingt mir das nicht. Das Gefühl, als Bremer immer in der zweiten Reihe zu sitzen, immer auf dem letzten Platz der Bildungsvergleiche zu landen, ist mehr als nur bitter. So erzählen mir Schüler mehrfach, dass an etlichen Universitäten Studienbewerber mit einem Bremer Abitur, egal von welcher Schule und mit welchem Notendurchschnitt, von vornherein aussortiert werden. Bremen als bildungspolitische No-Go-Area – unter der Hand scheint dieses Phänomen durchaus bekannt zu sein. Zusätzliche Sparbeschlüsse für alle gymnasialen Oberstufen zwei Tage vor dem Sommerferienbeginn 2011 führen zu Kursfrequenzen in der Eingangsphase von Jahrgang 11 eines Gymnasiums mit 30 bis 34 Schülern. Das ist lediglich der Vorlauf zu weiteren Personalkostensparmaßnahmen laut Koalitionsvereinbarung. Sprachschöpfungen wie „Ausdehnung der Schüler-Selbstlernphasen” – sprich lehrerloser Unterricht – sind eigentlich nur Lachsalven wert, doch sie mutieren zur Realsatire. Geschichtsbücher in Auflagen aus dem Jahre 1974 für die Schüler eines 8. Jahrgangs sind meine Realität der Lernmittelfreiheit im Deutschland des Jahres 2011.

Menschen zu treffen, die überhaupt etwas über Shanghai oder China hören möchten, ist nicht so ganz einfach. Und wenn, so kennen sie sich oftmals dank ARTE und PHÖNIX sowieso besser aus. Persönlich höre ich immer wieder einen Standardsatz: „Hier ist alles nicht mit einer deutschen Privatschule in Shanghai vergleichbar!” Richtig, es ist auch nicht mit den Schulen anderer Nationen vergleichbar, Ausnahmen im beruflichen Bereich bestätigen dabei die Regel. Deutschland liegt auf Platz 30 im internationalen Vergleich der relativen Bildungsausgaben. Auch erweist sich der Föderalismus als Fessel für notwendige Veränderungen und Spielwiese für den Schwarzen Peter. Aber weshalb lassen sich die vielen deutschen Staatsbürger im Inland Schulstandards zumuten, die ihre wenigen Staatsbürger im Ausland längst hinter sich gelassen haben?