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Gesunde Ernährung in Kita, Schule und Hochschule

„Essen nicht stigmatisieren“

15 Kinder vom ersten Lebensjahr bis zur Einschulung besuchen die Kita Wildblume in Berlin-Kreuzberg. Nilda Bezerra kocht für sie – vegetarisch, regional, biologisch. Alle Kinder essen mit. Wie macht sie das?

Nilda Bezerra (Foto: Kay Herschelmann)
  • E&W: Wenn Sie morgen kochen, was wird es geben?

Nilda Bezerra: Grünkernbratlinge. Auf der Basis von Grünkernen, mit Eiern und geraspeltem Gemüse: Zucchini, Karotten, Pastinaken und Kartoffeln.

  • E&W: Die Kinder essen das?

Bezerra: Ja, Kinder essen sehr gerne Bratlinge, auch zum Beispiel in der Hafer-Käse-Variante. Von denen kann ich gar nicht genug machen.

  • E&W: Woher kommt der verbreitete Glaube, Kinder hätten nicht gerade eine innige Verbindung zu derlei?

Bezerra: Mein Eindruck ist: Das hat viel mit der Haltung der Familie zu tun. Auch hier erklären „neue“ Eltern gelegentlich, einen Gemüseteller würde ihre Tochter oder ihr Sohn nicht anrühren. Oft stimmt das gar nicht. Die Kinder sehen, dass alle essen, und essen mit. In schlechteren Fällen allerdings überträgt sich eine ablehnende Haltung der Eltern auf das Kind. Es gibt so etwas wie eine Ernährungssozialisation. Es ist wichtig, Essen nicht zu stigmatisieren.

  • E&W: Den Trick, Gemüse klein geraspelt in der Soße verschwinden zu lassen, wenden Sie gar nicht an?

Bezerra: Doch, ich rasple auch Gemüse in Soßen. Und: Nicht alle Kinder essen alles. Darauf bestehen die Erzieherinnen auch nicht – und ich ebenfalls nicht. Was ein Kind nicht mag, bleibt liegen. Wo immer es geht, achte ich darauf, zum Beispiel verschiedene Gemüsesorten nicht übereinander zu legen, sondern getrennt anzurichten. So gibt es eine Wahlmöglichkeit. Und auch das Liegengebliebene bieten wir beim nächsten Mal wieder an: Wenn ein Kind dreimal keinen Kohlrabi anrührt, dann vielleicht beim vierten Mal. Geschmack zu entwickeln, ist auch ein Prozess.

  • E&W: Wie und wo kaufen Sie ein?

Bezerra: Haltbares wie Nudeln und Mehl bestellt der Kita-Träger. Alles Frische kaufe ich jeden Morgen ein und bringe es mit. Dann koche ich für diese und eine weitere Kita. Viel Zeit ist nicht, aber die Kinder können hereinkommen, in die Töpfe schauen, Fragen stellen. Mittags essen wir gemeinsam: die Kinder, die Erzieherinnen und ich. All das trägt dazu bei, eine Beziehung aufzubauen – auch zu dem Wissen, dass jede Kartoffel auf dem Teller angebaut, geerntet, geschält und gekocht wurde. Darüber sprechen wir nicht ständig. Doch ich glaube, es gelingt uns, den Kindern Respekt davor zu vermitteln, was es braucht, bis ein Essen auf dem Tisch steht.

  • E&W: Was ist eigentlich gesundes Essen, nach welchen Kriterien kochen Sie?

Bezerra: Ich bin weder gelernte Ernährungsexpertin noch -Köchin; meine Liebe zum Kochen rührt aus meiner Kindheit in Brasilien. Mein Vater hat sehr gern gekocht; was heute „regionale Küche“ heißt, war in unserem Dorf selbstverständlich. Mein Ziel ist im Verlauf der Woche eine ausgewogene Mischung: aus Nudeln, Kartoffeln, Reis, Hirse, Polenta. Dazu gibt es täglich frisches Gemüse, zweimal in der Woche Nachtisch, all das vegetarisch, biologisch, regional angebaut. Zu verschiedenen Jahreszeiten gibt es also verschiedene Gerichte; im Sommer ist die Vielfalt größer als im Winter.

  • E&W: Bestimmen die Kinder mit, was gegessen wird?

Bezerra: Ja, seit einigen Jahren. Von allen Gerichten gibt es Fotos, jeden Freitag sprechen die Erzieherinnen mit den Kindern, was sie sich in der kommenden Woche wünschen. Allerdings muss man ehrlicherweise sagen, dass die Mitbestimmung Grenzen hat: Manches steht weitgehend fest; montags gibt es immer Nudeln, freitags Suppe. Und bei anderen Wünschen schaue ich, dass die Mischung stimmt, es zum Beispiel nicht dreimal Weizenmehl-Gerichte gibt. Oder Schokopudding. Denn den wünschen sich die Kinder natürlich. Und es gibt ihn auch manchmal. Doch auch Wassermelone ist ein Nachtisch.

  • E&W: Was kostet so ein Mittagessen?

Bezerra: Genau kann ich das nicht sagen, weil Grundnahrungsmittel in größeren Mengen vom Träger bestellt und gelagert werden. Ich selbst kaufe jede Woche für rund 250 Euro ein; das entspricht bei je 40 Mittagessen an fünf Tagen 1,25 Euro pro Essen. Im Grunde macht ja das bereits deutlich: Am Geld muss gesunde Ernährung nicht scheitern.