Zum Inhalt springen

Buchtipp

Ernst Seidenberger und das München der Nachkriegszeit

Peter Neumaier hat die Verfolgungsgeschichte seines jüdischen Großvaters, der Theresienstadt überlebte, erkundet und in dem Buch „Wehe dem, der allein ist! - Mein Großvater Ernst Seidenberger. Münchner Rechtsanwalt in der NS-Zeit“ dokumentiert.

Der Münchner Rechtsanwalt Ernst Seidenberger entstammte einer alten jüdischen Familie. Schon früh verspürte er jedoch den Wunsch, sich von seiner jüdischen Herkunft abzugrenzen und in die „deutsche Gemeinschaft“ zu streben. Er konvertierte zum katholischen Glauben und meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger. 1933 wurden seine Kanzlei wurde geschlossen, die „Mischehe“ mit seiner „arischen“ Frau geschieden. Nach Zwangsarbeit in einem Münchner Rüstungsbetrieb blieb ihm nur noch die Betreuung jüdischer Mandanten als „Konsulent“. Getrennt von Familie, Beruf und Mitmenschen folgte die Deportation nach Theresienstadt. Seidenberger überlebte jedoch und beteiligte sich aktiv an der Entnazifizierungsdebatte der Nachkriegszeit. 

Um die Verfolgungsgeschichte seines Großvaters für das Buch „Wehe dem, der allein ist!“– Mein Großvater Ernst Seidenberger. Münchner Rechtsanwalt in der NS-Zeit“ zu erkunden, musste der Enkel und Autor Peter Neumaier jahrzehntelanges familiäres Schweigen durchdringen und Überlieferungen nachspüren. Gespräche, Briefe, Notizen und zahlreiche Dokumente ließen das Bild eines Menschen entstehen, dessen Lebenswelt zusammenbrach und der durch die Verfolgungsmaschinerie der Nationalsozialisten Schritt für Schritt in die Einsamkeit getrieben wurde.

Zeitgleich und vielfach verwoben mit der Verfolgungsgeschichte des Großvaters ergriff die Nazidiktatur auch Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder „halbjüdischer“ und jüdischer Herkunft, die die Nachforschungen des Autors erstmals ans Licht brachten. Das Buch eignet sich nach Einschätzung des Autors und von Rezensenten auch zum Einsatz im Geschichtsunterricht. 

Peter Neumaier, „Wehe dem, der allein ist! – Mein Großvater Ernst Seidenberger. Münchner Rechtsanwalt in der NS-Zeit“, 346 Seiten, 51 Abbildungen, ISBN: 978-3-95565-277-7, 2018, 24,90 Euro.