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Empfehlungen von KMK und HRK zur Bologna-Reform

Die mit Spannung erwartete gemeinsame Erklärung von Kultusministerkonferenz (KMK) und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zur „Europäischen Studienreform“ hat am Ende wenig Neues gebracht.

Es soll keine Reform der Bologna-Reformen geben, "Konsolidierung und Optimierung" stünden vielmehr im Mittelpunkt, heißt es in der Präambel des Papiers, das am 15. Juli veröffentlicht wurde. Strukturelle Defizite der Bologna-Reformen, die die Bildungsgewerkschaft GEW und Studierendenvertretungen seit Jahren kritisieren, sind KMK und HRK in ihrer Erklärung nicht angegangen. Etwa die Hürden beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium. Es fehlen nicht nur in vielen Bereichen Masterstudienplätze, viele Hochschulen behalten sich ausdrücklich vor, die "Eignung" von Bachelorabsolventinnen und -absolventen zu prüfen – die ländergemeinsamen Strukturvorgaben der KMK für Bachelor- und Masterstudiengängen bestätigen diese Option. Der freie Zugang zum Masterstudium – unter dem Eindruck der studentischen Bildungsproteste 2009 sogar von der damaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan gefordert: leider kein Thema in der aktuellen KMK/HRK-Erklärung.

Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass KMK und HRK ihre Erklärung hinter verschlossenen Türen ausgearbeitet haben. Studierendenvertretungen und Gewerkschaften wurden nicht informiert, geschweige denn beteiligt. Sogar die gemeinsame Arbeitsgruppe "Fortführung des Bologna-Prozesses" von KMK und Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), in der neben Bund und Ländern auch Interessenorganisationen wie das Deutsche Studentenwerk oder die Arbeitgebervereinigung BDA, aber eben auch der Dachverband der Studierendenvertretungen fzs sowie die GEW vertreten sind, blieb außen vor - und das, obwohl die "Stakeholder"-Beteiligung zu den Grundsätzen des Bologna-Prozesses gehört.

Mit einem einzigen Reformvorschlag sorgen KMK und HRK dann doch für etwas Aufsehen. In den ersten beiden Semestern sollen die Hochschulen auf die Vergabe von Noten verzichten können - oder die Noten nicht in die Endnote einberechnen. Unklar bleibt aber, ob die Länder tatsächlich eine Reform der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen angehen und wie viele der Mitgliedshochschulen der HRK dann von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden.

Ob die ländergemeinsamen Strukturvorgaben der KMK überarbeitet werden sollen, wird erst noch geprüft. Stattdessen heben KMK und HRK hervor, dass die Strukturvorgaben schon seit ihrer Lockerung in Folge der studentischen Bildungsproteste 2009 Spielräume zur flexiblen Umsetzung eröffnen, die nur sehr zurückhaltend genutzt werden. So sei die Obergrenze von 300 ECTS-Punkten (10 Semester) für das Bachelor- und Masterstudium als Vorgabe für die Studiengangs- und Ressourcenplanung der Hochschulen zu verstehen. Individuelle Lernbiografien, die ein nur dreisemestriges Masterstudium nach einem sechssemestrigen Bachelorstudium vorsehen oder die Kombination eines achtsemestrigen Bachelorstudiums mit einem viersemestrigen Masterstudium, seien zulässig. Dass das geltende BAföG diese Gestaltungsmöglichkeiten "nicht vollständig" abbilde, räumen KMK und HRK ein - ohne einen entsprechenden Handlungsbedarf zu benennen.

Positiv ist, dass KMK und HRK eine konsequente Anwendung der Grundsätze der Lissabon-Konvention anmahnen. Diese Konvention regelt die gegenseitige Anerkennung von Hochschulqualifikationen (Studienabschlüsse und Studienleistungen) in der europäischen Region. Grundlage dafür ist die Umkehrung der Beweislast: Es müssen nicht mehr die Studierenden nachweisen, dass ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen gleichwertig sind, sondern umgekehrt die Hochschulen, dass sie es nicht sind – wenn sie Zweifel haben. KMK und HRK stellen klar, dass dieser Grundsatz auch für im Inland erworbene Qualifikationen gilt – also etwa im Falle eins Hochschulwechsels von Potsdam nach Berlin oder von Dresden nach Aachen.

Weiter machen KMK und HRK deutlich, dass die KMK-Strukturvorgaben keine Unterscheidung von Fachhochschulen (FH) und Universitäten vorsehen. Wer einen Bachelorabschluss an einer FH gemacht hat, kann ein Masterstudium an einer Uni anschließen – und umgekehrt. Das gleiche gilt für den Zugang zur Promotion, der Uni- wie FH-Absolventinnen und Absolventen offen steht. Die Einlassungen im KMK/HRK-Papier belegen, dass es in der Praxis durchaus massive Probleme beim Übergang von der FH zur Uni gibt.

Anerkennung von Hochschulqualifikationen – Übergang von der FH zur Uni: Mit bloßen Appellen, wie sie jetzt von KMK und HRK formuliert werden, dürften die Probleme nicht zu lösen sein. Überfällig wäre vielmehr eine Verpflichtung der Hochschulen, die Qualifikationen anderer Hochschulen im In- und Ausland und die Abschlüsse von Fachhochschulen als gleichwertig anzuerkennen. Die GEW hat daher wiederholt gefordert, dass der Bund endlich seine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Hochschulabschlüsse nutzt und Länder und Hochschulen zu einer entsprechenden Anerkennungspraxis verpflichtet.

Offen bleibt, wie KMK und HRK mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Akkreditierung von Studiengängen umgehen möchte. Die GEW hatte aus diesem Anlass eine "umfassende Erneuerung" des Akkreditierungssystems gefordert.

Ambivalent ist die Verabredung von KMK und HRK, das bestehende Kapazitätsrecht "weiterzuentwickeln". Richtig ist auf der einen Seite, dass die Umsetzung der Bologna-Reformen in einer inklusiven Hochschule, die einem immer höheren Anteil eines Altersjahrgangs mit immer unterschiedlicheren Anforderungen optimale Studienbedingungen bieten möchte, bessere Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden braucht. Das muss sich auch in der Berechnung der Kapazität von Studiengängen widerspiegeln. Auf der anderen Seite ist das grundgesetzlich gewährleistete Recht auf Hochschulzulassung ein hohes Gut – es wäre falsch, es den Hochschulen zu überlassen, wie sie ihre Kapazitäten ermitteln und festsetzen. Wir brauchen klare und transparente gesetzliche Regelungen, damit die Hochschulen nicht willkürlich Bewerberinnen und Bewerber abweisen können, obwohl Studienplätze unbesetzt sind. Perspektivisch brauchen wir eine vollständige Überwindung des Numerus clausus – durch einen bedarfs- und nachfragegerechten Ausbau der Hochschulen.

Deutlich wird schließlich, dass ausgerechnet dort, wo Bund und Länder selbst gefragt wären, die Bologna-Reformen umzusetzen, Stillstand herrscht. Etwa in den staatlich regulierten Studiengängen Rechtswissenschaft, Medizin und Pharmazie. Dort sind es die Justiz- bzw. Gesundheitsministerinnen und -minister, die die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen blockieren. In der Lehrerinnen- und Lehrerbildung haben wir es mit einem regelrechten Flickenteppich zu tun: Manche Länder haben Bachelor und Master eingeführt, andere nicht; die Länge des Studiums ist häufig unterschiedlich – je nachdem, für welches Lehramt die Studierenden ausgebildet werden. Presseberichten zufolge wollten KMK und HRK in diesen Bereichen ursprünglich Bewegung anmahnen, stattdessen heißt es in der Endfassung jetzt, dass "in nächster Zeit eine weitere Umstellung auf Bachelor-/Masterstrukturen in diesen Studiengängen nicht in Betracht kommt". Was den Zugang von Bachelorabsolventinnen und -absolventen zum öffentlichen Dienst angeht, so weigern sich die Innenministerinnen und -minister standhaft, den Zugang zum höheren Dienst zu ermöglichen – selbst für promovierte Bachelors.