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„Ablasshandel“ zwischen Goethe-Institut und DRV

„Ein Schlag ins Gesicht der Lehrkräfte“

Die Einigung mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ist aus Sicht der GEW ein sozialpolitischer Skandal: Den Honorarlehrkräften drohen Nachzahlungen, während sich der Arbeitgeber mit offiziellem Segen die Hände in Unschuld wäscht.

Am 16. Januar 2020 verkündete der Vorstand des Goethe-Instituts in einer Rundmail, dass die Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV), die sich über drei Jahre hinzog, abgeschlossen sei. Das überraschende Ergebnis: Entgegen der ursprünglichen Annahme der DRV, dass nahezu alle Honorarlehrkräfte „scheinselbstständig“ gewesen seien, kommt sie nun zum gegenteiligen Urteil. Kurz darauf flatterten den ehemaligen Lehrkräften entsprechende Mitteilungen der Rentenversicherung ins Haus. Jetzt droht ihnen eine individuelle Überprüfung, ob sie ihrer Versicherungspflicht als selbstständige Lehrkräfte nachgekommen sind – mit womöglich hohen Beitragsforderungen. Die GEW bewertet das Prüfergebnis als fragwürdig und wirft der DRV „Tatsachenverdrehung“ und „Realitätsverleugnung“ vor – zu Lasten der Honorarlehrkräfte.

Was war passiert?

Die DRV ist dafür zuständig zu kontrollieren, ob „Scheinselbstständigkeit“ vorliegt. So soll verhindert werden, dass den Sozialversicherungen – und damit der Solidargemeinschaft – Beiträge vorenthalten werden. Zugleich soll sichergestellt werden, dass die Betroffenen in geeigneter Weise sozial abgesichert sind. Diese gute Intention wird durch das Verfahren der Betriebsprüfung geradezu in ihr Gegenteil verkehrt.

Nach Informationen der GEW hat das Goethe-Institut sich mit der DRV auf eine Nachzahlung für bestimmte Beschäftigtengruppen geeinigt. Davon ausgenommen sind jedoch alle Honorarlehrkräfte, die mit Abstand größte Gruppe, um die es bei der Betriebsprüfung ging. Ihnen wird in gleichlautenden Schreiben der DRV nun pauschal Selbstständigkeit attestiert. Dies hat zur Folge, dass keine Einzelfallprüfung vorgenommen wird. Die betroffenen Lehrkräfte hatten deshalb keine Chance, das Ergebnis der Prüfung zu beeinflussen.

In dem Schreiben der DRV an die betroffenen ehemaligen Honorarlehrkräfte heißt es: „Die im Rahmen der Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Beurteilung bestätigte, dass Sie als Dozent/-in im Fach Deutsch beim Goethe Institut e.V. eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben.“ Der Goethe-Vorstand hat unterdessen seine ehemaligen Honorarlehrkräfte darauf hingewiesen, „dass die Deutsche Rentenversicherung in den nächsten Monaten Bescheide zur Nachzahlung an jene Honorarlehrkräfte versendet, die ihre Rentenversicherungsbeiträge als selbstständig tätige Lehrkräfte im betroffenen Zeitraum nicht/oder nur bedingt gezahlt haben.“ Man habe sie bei Vertragsabschluss stets darauf hingewiesen, dass sie als Selbstständige Beiträge abführen müssten.

„Es entsteht der Eindruck eines Ablasshandels auf Kosten der Honorarlehrkräfte.“ (Daniel Merbitz)

Während der Arbeitgeber einen Freibrief erhalte, werde den Betroffenen nun eine Überprüfung angekündigt. „Es entsteht der Eindruck eines Ablasshandels auf Kosten der Honorarlehrkräfte. Mit dem Segen der Rentenversicherung darf das Goethe-Institut nun wieder behaupten: Es war alles in Ordnung“, sagte Daniel Merbitz, Vorstand für Tarif- und Beamtenpolitik in der GEW.

„Für die Betroffenen liest sich das wie ein Schlag ins Gesicht: Ätsch, wir haben alles richtig gemacht. Wir haben der Rentenversicherung nicht rechtswidrig Beiträge vorenthalten. Wir durften euch prekär beschäftigen. Ihr hingegen steht jetzt unter Verdacht, eure Rentenbeiträge nicht ordentlich gezahlt zu haben“, sagte Merbitz. Es bestehe dringender politischer Handlungsbedarf, um zu verhindern, dass sich die Arbeitgeber weiter aus der sozialen Verantwortung stehlen können. Nur so ließen sich Honorarlehrkräfte wirksam schützen.

Was können betroffene Lehrkräfte jetzt tun?

Das Ergebnis der Betriebsprüfung kann nur durch den Arbeitgeber angefochten werden, dem die Betriebsprüfung galt. Das Goethe-Institut wird davon bei diesem Ausgang keinen Gebrauch machen. Insofern wird das fragwürdige Ergebnis der Überprüfung rechtlich Bestand haben.

Honorarlehrkräfte, die seinerzeit ihre Rentenversicherungsbeiträge gezahlt haben oder die sich nach Paragraph 231 Sozialgesetzbuch (SGB) von der Versicherungspflicht haben befreien lassen, haben nichts zu befürchten. Für sie ändert sich nichts. Ehemalige Lehrkräfte, die ihrer Rentenversicherungspflicht nicht nachgekommen sind oder die unsicher sind, ob sie sich wirksam haben befreien lassen, sollten abwarten, ob die DRV von ihnen Beiträge nachfordert. Die GEW empfiehlt ihren Mitgliedern, sich beraten zu lassen und gegebenenfalls Rechtsschutz zu beantragen.

Update vom 10.02.2020:

Der Vorstand des Goethe-Instituts hat die GEW nach Erscheinen des Goethe-Infos Nr. 2-2020 um folgende Richtigstellung gebeten:

„Das Ergebnis der Prüfung der Deutschen Rentenversicherung ist nicht das Ergebnis einer Verhandlung. Es handelte sich um die turnusgemäße Regelprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd, bei der stets alle Sachverhalte geprüft werden. Im Rahmen dieser Prüfung sind die Honorarlehrkräfte als Selbständige eingestuft worden. Im Rahmen derselben Prüfung stuft die Deutsche Rentenversicherung die Ausübung betreuender Tätigkeiten – wie beispielsweise im Rahmen von Jugendcamps – hingegen als abhängige Beschäftigung ein. Das Goethe-Institut begleicht die damit einhergehenden Nachforderungen der DRV. Die Nachzahlungen stehen also nicht mit der Prüfung des Status der Honorarlehrkräfte in Verbindung, sondern betreffen andere Arten von Tätigkeiten.“

Wir korrigieren hiermit die Aussage, dass es eine „pauschale“ Nachzahlung gegeben habe. Die Nachzahlung erfolgt nach den nun vorliegenden Informationen vielmehr entsprechend konkreter Nachforderungen der DRV für bestimmte Beschäftigtengruppen. Für die Honorarlehrkräfte, um die es in unserem Info geht, ändert das rein gar nichts. Der Eindruck eines Ablasshandels bleibt bestehen. Auch die Interpretation, dass das Prüfergebnis auf Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und DRV basiert, erhalten wir aufrecht.