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Ein sehr brasilianisches Weltsozialforum

Frauen- und Bildungsthemen nahmen breiten Raum beim Weltsozialforum Mitte März in Salvador de Bahia ein – neben aktuellen brasilianischen Themen, die das Forum dominierten. Die GEW war mit einer Delegation dabei.

Mehrere zehntausend Menschen haben vom 13. – 17. März 2018 am Weltsozialforum in Salvador de Bahia teilgenommen. Auch eine siebenköpfige GEW-Delegation war in die drittgrößte Stadt Brasiliens gereist. Das tropisch-heiße Salvador gilt als afrikanisches Herz des Landes. Die Nachkommen schwarzer Sklaven stellen die Mehrheit der Bevölkerung und prägen das Alltagsbild der Hafenstadt.

Trotziges Motto in Salvador
Unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“ hatte das Weltsozialforum 2001 im südbrasilianischen Porto Alegre  seinen Anfang genommen und damals die weltweite Aufbruchstimmung der globalisierungskritischen Bewegung zum Ausdruck gebracht. Davon ist heute nur noch wenig zu spüren. Die Welt befindet sich im Krisenmodus. Kriege, Gewalt und Vertreibung  stürzen viele Menschen ins Elend und in Verzweiflung.  In zahlreichen Ländern sind rechtspopulistische und autoritäre Regime auf dem Vormarsch. Soziale und demokratische Errungenschaften werden in Frage gestellt. Eher trotzig klang daher das Motto des Weltsozialforums 2018 in Salvador: Widerstehen heißt gestalten, widerstehen heißt verändern.

Keine Unterstützung der brasilianischen Regierung
Brasilien ist ein Land mit kontinentalen Ausmaßen, fast 25 mal so groß wie Deutschland. Wer kein Portugiesisch sprach, hatte es nicht leicht, den Diskussionen auf dem Campus der staatlichen Universität von Bahia zu folgen.  Nur wenige der zahlreichen, selbstorganisierten Veranstaltungen wurden ins Englische übersetzt. Das Weltsozialforum litt an Unterfinanzierung und organisatorischen Mängeln. Anders als in der Vergangenheit konnten die Organisatoren diesmal auf keinerlei Unterstützung der Regierung hoffen.  Im Gegenteil: Die Rechtsregierung unter dem aktuellen Präsidenten Temer, der 2016 durch ein fragwürdiges Amtsenthebungsverfahren gegen die gewählte Präsidentin Rousseff an die Macht gekommen war und seitdem eine Politik der Privatisierung und des Sozialabbau betreibt, war erklärter Feind der mehrheitlich brasilianischen Besucher der Weltsozialforums.

Kämpferischer Lula
Die politische und gesellschaftliche Krise Brasiliens und die Aussicht, dass der frühere Gewerkschafter und ehemalige Staatspräsident Lula da Silva in einem vielfach als politisch motiviert eingeschätzten Gerichtsverfahren wegen angeblicher Korruption zu einer zwölfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde und damit nicht wieder zu den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2018 antreten darf, prägten das Weltsozialforum. „Weg mit Temer“ und „Wahlen ohne Lula sind Betrug“ waren allgegenwärtige Slogans auf dem Uni-Campus in Salvador. Lula selbst, der in Meinungsumfragen zu den Wahlen weiterhin führend ist,  begeisterte seine Anhänger bei einer Abendveranstaltung im Fußballstadium von Salvador mit der Ankündigung,  er werde niemals aufhören zu kämpfen.

Ausufernde Gewalt
Überschattet wurde das Weltsozialforum durch den Mord an der schwarzen Politikerin und Vorkämpferin für Frauenrechte in Rio de Janeiro, Marielle Franco, der schlaglichthaft ein Augenmerk auf das Ausmaß an Gewalt in dem Land lenkte. Statistisch gesehen werden stündlich sieben Menschen in Brasilien umgebracht. Mit gut 200 Millionen Einwohnern repräsentiert das Land knapp drei Prozent der Weltbevölkerung, doch 13 Prozent aller Morde weltweit geschehen hier. Die Opfer sind oft Schwarze, Indigene, Umweltschützer und Landlose. Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet.

Positives Fazit
Trotz schwacher internationaler Beteiligung zog die GEW-Delegation ein positives Fazit des Weltsozialforums in Salvador. „Es ist nicht zuletzt das Verdienst der GEW, dass Bildungsthemen beim Weltsozialforum eine prominente Rolle spielten“, resümierte der GEW-Landesvorsitzende in Brandenburg, Günther Fuchs, der bereits an mehreren Weltsozialforen teilgenommen hat. Und die Hamburger GEW-Kollegin Barbara Geier, die der deutschen Gewerkschaftsdelegation mit ihren Landes- und Portugiesischkenntnissen unermüdlich zur Seite stand, ergänzte: „Das Weltsozialforum ist einzigartig als Treffpunkt der Zivilgesellschaft und hat gerade angesichts der vielen Krisen und Probleme unserer Zeit seine Berechtigung.“