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Streit um Zivilklausel

„Ein fatales Zeichen“

Im neuen nordrhein-westfälischen Hochschulgesetz soll die Verpflichtung zu rein nicht-militärischer Forschung wegfallen. Tausende protestieren dagegen.

Foto: Pixabay / CC0

Die Empörung war groß im November 2013, als NDR und „Süddeutsche Zeitung“ enthüllten, dass das US-Verteidigungsministerium in den Jahren zuvor mehr als zehn Millionen Dollar in militärisch nutzbare Forschung an deutschen Hochschulen gesteckt hatte. Zu den Empfängerinnen gehörte auch die RWTH Aachen: Genau 428.370 Dollar hatte sie seit 2009 vom Pentagon erhalten.

Nicht zuletzt diese Enthüllungen sorgten dafür, dass die damalige rot-grüne Landesregierung im Hochschulgesetz eine Zivilklausel verankerte. In Paragraf 3 heißt es: „Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach.“ Das Gesetz trat 2014 in Kraft – doch wenn es nach der aktuellen CDU/FDP-Regierung in Düsseldorf geht, ist die Zivilklausel demnächst schon wieder Geschichte: Im neuen Hochschulgesetz, das gerade vorbereitet wird, soll sie gestrichen werden.

Die Pläne seien „ein fatales Zeichen“, sagt Dorothea Schäfer, bis Ende Mai GEW-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen (NRW): „Die Verantwortung einer Landesregierung für die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen zeigt sich auch an einem entschiedenen Eintreten für eine Forschung, die ausschließlich friedlichen Zielen verpflichtet ist.“ Zusammen mit der GEW-Vorsitzenden Marlis Tepe hat Schäfer eine Petition zum Erhalt der Zivilklausel unterschrieben. Mehrere Tausend Unterzeichner haben sich der Forderung mittlerweile angeschlossen. „Forschung an öffentlichen Hochschulen muss ihren Beitrag zu einer friedlichen Welt leisten“, sagt Anja Weber, DGB-Vorsitzende in NRW.

„Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab, dass es gelingt, die Welt demokratisch, friedlich und nachhaltig zu gestalten.“ (Senta Pineau)

Auch aus der Wissenschaft gibt es Proteste. „Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist kein willkürliches Recht, sondern ein ethisches Prinzip, das an die Verantwortung für die Gesellschaft rückgebunden ist“, heißt es in einer Erklärung des Instituts für Erziehungswissenschaft an der Uni Duisburg-Essen. „Wirtschaftliche Vereinnahmung von Wissenschaft widerspricht diesem Prinzip ebenso wie jegliche Bewerbung und Durchführung von Forschung für militärische Zwecke.“

Und auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Studierende haben sich dem Protest angeschlossen. „Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab, dass es gelingt, die Welt demokratisch, friedlich und nachhaltig zu gestalten“, betont Senta Pineau vom Aktionsbündnis an der Universität Köln, das die Petition mit initiiert hat. In den vergangenen Jahren habe die Zivilklausel gut funktioniert: Mindestens vier rüstungsrelevante Projekte seien deshalb seit 2014 an Hochschulen in NRW nicht durchgeführt oder abgebrochen worden – in der Regel auf Initiative von Hochschulangehörigen, sagt der Kölner Student Felix Massenbach. Zu den bekanntesten Beispielen, so Massenbach, gehöre eine Machbarkeitsstudie an der RWTH Aachen zum Bau einer Panzerfabrik durch Rheinmetall in der Türkei. Dass sich die RWTH aus dem Projekt zurückgezogen habe, sei bemerkenswert für eine Hochschule, die im besonderen Maße abhängig von der Industrie sei.

Doch der Weg zur vollständig friedlich forschenden Hochschule ist noch weit. Seit 2015 hat die RWTH Aachen weitere 934.825 US-Dollar vom Pentagon erhalten – trotz der seit 2014 geltenden Zivilklausel. Gefördert wurden zahlreiche Einzelprojekte, etwa Untersuchungen zur Entflammbarkeit von Kühlmitteln oder Forschungen an Radar- und Funksystemen. Als Begründung für die Forschungsaufträge geben die US-Behörden unter anderem an, es gehe um die „Aufrechterhaltung der technologischen Überlegenheit in den für den Bedarf der Luftwaffe relevanten wissenschaftlichen Bereichen“ sowie um die „Verhinderung technologischer Überraschungen für unsere Nation und Schaffung derselben für unsere Gegner“.