Zum Inhalt springen

"Du träumst von ihnen"

In einem einzigartigen Modellprojekt in Berlin werden Jungen betreut, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. ExpertInnen gehen davon aus, dass sich bei etwa einem Prozent der männlichen Jugendlichen die Libido auf Kinder richtet.

Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/
Link zum Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/07/Gewalt_ist_nie_okay_04.jpg
Foto: Flaggezeigen, "Gewalt im häuslichen Bereich", CC BY-SA 3.0

Anton fährt regelmäßig zu Tobias Hellenschmidt ins Vivantes-Klinikum in Berlin-Friedrichshain. Dort ist der Kinder- und Jugendpsychiater Hellenschmidt leitender Oberarzt. Er hilft Jungs und jungen Männern wie Anton, die sich sexuell zu Kindern hingezigen fühlen, mit ihrem Begehren umzugehen. So dass sie nicht irgendwann ein Kind sexuell missbrauchen.

Anton ist einer von rund 50 betroffenen männlichen Jugendlichen, die Hellenschmidt und seine KollegInnen in einem deutschlandweit einzigartigen Modellprojekt betreuen. Seit die Berliner Charité und das Vivantes-Klinikum 2014 im Internet unter dem Titel „Du träumst von ihnen“ ein Hilfsangebot für Kinder und Jugendliche mit sexueller Präferenz für Jüngere veröffentlicht hatten, haben sich etwa 120 Betroffene gemeldet. Angesprochen sind 9- bis 22-Jährige. Die meisten, die anrufen oder E-Mails schreiben, sind zwischen 12 und 18 Jahre alt.

Fiktion und Realität trennen

Häufig merken Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher in Heimen und Jugendhilfeeinrichtungen, dass sich ein Junge anders verhält, als das sonst in der Pubertät üblich ist. Manche der Betroffenen sind bereits übergriffig geworden. Manchmal melden sich aber auch Eltern oder die Jugendlichen selbst, weil sie etwas bemerken, das ihnen unangenehm ist.

ExpertInnen gehen davon aus, dass sich bei etwa einem Prozent der männlichen Jugendlichen die Libido auf Kinder richtet – ähnlich wie bei Erwachsenen. Studien dazu gibt es bislang nicht. Begehren und das Umsetzen der Lust in Realität seien indes zwei verschiedene Dinge, sagt Hellenschmidt: „Das eine muss mit dem anderen nicht in direkter Verbindung stehen.“ Es gebe Menschen mit eindeutig auf Kinder gerichteten Fantasien, die sie aber niemals auslebten. Die Jugendlichen genau dahin zu bringen, dass sie Fiktion und Realität deutlich trennen, ist das Ziel des Charité-Vivantes-Projekts.

Eine Reportage von Simone Schmollack über das Berliner Modellprojekt ist in der Juli-/Augustausgabe der "E&W" abgedruckt.