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Dichtung und Wahrheit

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, noch nie waren wir in laufenden Tarifverhandlungen gezwungen, uns auf diese Weise an die Mitglieder zu wenden, wie wir dies heute in Reaktion auf das fälschlicherweise mit „Memorandum“ überschriebene Pamphlet der Geschäftsführung vom 3. Dezember 2010 tun müssen

Dabei wollen wir klarstellen: In Tarifverhandlungen geht es selten feinfühlig zu. Das kennen alle Gewerkschaften und Arbeitgeber. Beide Seiten müssen oft viel einstecken.

Doch auch hier gibt es Grenzen. Eine wichtige Grenze ist die Pflicht zur Wahrheit. Diese ist in dem Schreiben vom 3. Dezember eindeutig überschritten. Das „Memorandum“ ist vom Ton her freundlich und besorgt. Der Inhalt hingegen ist eine reine Märchenstunde und bedarf der Richtigstellung. Die Wahrheiten klingen weniger süß – das liegt in der Natur der Sache.

 

DichtungWahrheit
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an dieser Stelle müssen wir Sie leider darüber informieren, dass die Tarifverhandlungen mit der GEW, die wir mit dem gestrigen Termin wieder aufnehmen wollten, erneut gescheitert sind.Die GEW hat die Vertreter von Berlitz zu Verhandlungen über einen Sozialplan-Tarifvertrag eingeladen – nicht umgekehrt.
Der gestrige Termin war mit der GEW mit dem klaren Ziel vereinbart, zu einem Ergebnis zu kommen. Zu keinem Termin wurde bisher vereinbart, dass dies der letzte sein soll. Wahr ist, dass die Geschäftsleitung diesen Druck aufbaut, um in den Verhandlungen ihre Position durchzusetzen.
Die Berlitz-Geschäftsleitung hatte der GEW im Vorfeld zu dem Verhandlungstermin deshalb – wie abgesprochen – den überarbeiteten Entwurf eines Manteltarifvertrages vorgelegt, der zum 1. Januar 2011 in Kraft treten sollte und sehr viele arbeitgeberseitige Zugeständnisse enthielt.
Eine Absprache, über einen neuen Vorschlag der Geschäftsleitung zu verhandeln, gab es nicht. Berlitz hat dies einseitig angekündigt. Zugeständnisse der Geschäftsleitung konnte die Tarifkommission im Arbeitgeber-Entwurf nicht erkennen. Auf Nachfrage wurden Zuschläge für Integrationskurse als Entgegenkommen genannt. Diese Zuschläge gelten aufgrund einer Betriebsvereinbarung aber ohnehin. Etwas Geltendes als Entgegenkommen zu definieren, ist unlauter. Fazit: Es gibt kein Entgegenkommen
Uns war eine rasche Einigung über die im Manteltarifvertrag vorgesehenen Arbeitsbedingungen vor allem deshalb wichtig, weil sich durch die dort vorgesehenen Einsparmaßnahmen die Zahl der zu kündigenden festangestellten Lehrkräfte um mehr als die Hälfte reduzieren lässt. Deshalb haben wir der GEW vorgeschlagen, zunächst über den Manteltarifvertrag und im unmittelbaren Anschluss daran dann über den Tarifsozialplan zu verhandeln.
Kündigungen zu „vermeiden“, hätte sie zuerst über die Vorschläge der GEW zu einem Sozialtarifvertrag verhandelt. Genau das ist der Sinn eines tariflichen Sozialplans.In einem Schreiben an Rechtsanwalt Thon hat die Anwältin, die Berlitz in den Verhandlungen vertritt, die wirklichen Ziele genannt: „avisiert“ sei die „geplante Umstellung von angestellten Lehrkräften auf Honorarkräfte“. Also: Kündigung von Festangestellten, die dann ggf. als Honorarkräfte wieder beschäftigt werden. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze werden durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse ersetzt.
Um das zu erreichen hatten wir der GEW sogar angeboten, wenn nötig, bis spät in die Nacht zu verhandeln.Dieses „Angebot“ ist nichts anderes als ein Ultimatum: Entweder so oder gar nicht!
Leider war die GEW nicht dazu bereit, zuerst über einen Manteltarifvertrag zu verhandeln, ..Die Tarifkommission der GEW hat gefordert, zuerst einen Sozialtarifvertrag zu verhandeln. Dennoch hat sie zu dem „Vorschlag“ der Geschäftsleitung Stellung genommen.
... sondern wollte zuerst einen Tarifsozialplan abschließenDas ist wahr! Und dafür gibt es einen guten Grund. Wer zuerst die Einkommen senkt und die Zahl der Kündigungen dann definiert, braucht keinen Sozialtarifvertrag mehr. Das weiß auch die Rechtsanwältin von Berlitz.
Und das obwohl auf der Basis der vorliegenden Informationen noch gar nicht absehbar war, wie viele Mitarbeiter überhaupt zu kündigen wären und welche sozialen Härten sich im Einzelfall hätten ergeben können.Dies ist nicht Inhalt eines Sozialtarifvertrages. Er legt nicht die Zahl der Kündigungen und „Härten“ im Einzelfall fest, sondern versucht Kündigungen zu vermeiden und legt für den Fall, dass doch gekündigt wird, z.B. die Höhe der Abfindungen fest.
Unser Ziel als Geschäftsleitung war es von Anfang an, mit der GEW einen neuen Manteltarifvertrag zu verhandeln, um unser Unternehmen zukunftsfähiger zu machen und unsere Kostenstruktur so zu gestalten, dass wir als Unternehmen am Markt besser bestehen können. Von Beginn an war unser Ansinnen, uns mit der GEW und dem Gesamtbetriebsrat an einen Tisch zu setzen, um gemeinsam ein Paket zu schnüren, das es ermöglicht, die Anzahl an notwendigen Kündigungen im Bereich der festangestellten Lehrkräfte so gering wie möglich zu halten.
Die Ziele der Geschäftsführung hat sie mehrfach klar benannt: Umstellung von festangestellten Lehrkräften auf Honorarkräfte (siehe oben), zwei Millionen Einsparungen allein zu Lasten der angestellten Lehrkräfte, Absenkung der Einkommen um monatlich mehrere Hundert Euro, ersatzlose Streichung wichtiger tarifvertraglicher Sicherheiten.
Bei den Mitarbeiterversammlungen der letzten Wochen zeigten Sie, liebe Berlitz-Mitarbeiterinnen und Berlitz-Mitarbeiter, sehr viel Verständnis für diese Ziele.Die übergroße Mehrheit der Beschäftigten ist gewerkschaftlich organisiert und hat kein Verständnis für diese Geschäftspolitik. Aber alle haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Mit dieser Angst zu spekulieren, ist verwerflich.
Sie signalisierten eindeutig die Bereitschaft, durch Veränderungen und Einschnitte mit dazu beizutragen, Berlitz wieder auf Kurs zu bringen und notwendige Kündigungen zu minimieren. Die Beschäftigten wollen keine Kündigungen. Sie wollen nicht beteiligt werden an der „Minimierung“ (was für ein Begriff!) von Kündigungen. Die Arbeitgeber wollen so den Anschein erwecken, alle säßen in einem Boot. Das ist aber nicht wahr. Die Beschäftigten sitzen in einem Boot, das die Geschäftsführung versenken will. Sonst nix.
Bedauerlicherweise nimmt die GEW dies nicht zur Kenntnis, sondern versucht – aus welchen Gründen auch immer – die Verhandlungen über den Manteltarifvertrag und auch die Gespräche mit dem Gesamtbetriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan unnötig in die Länge zu ziehen. Wir ziehen nichts in die Länge. Wir übereilen aber auch nichts. Die Geschäftsführung übt Druck aus, um ihre Ziele zu erreichen. Wir nehmen Druck raus, um die Beschäftigten zu schützen.
Dass dieser Schwebezustand und die Ungewissheit, wie viele Kündigungen es an welchen Standorten und welche Einschnitte es noch geben muss, nicht nur für uns, sondern vor allem für Sie, belastend ist, scheint die Gewerkschaft nicht zu interessieren.Wer die Gewerkschaft diffamiert, diffamiert die eigenen Beschäftigten. Denn diese sind die Gewerkschaft. Der Schutz sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ist Sache der GEW – und nur dieser trauen die Beschäftigten das zu.
Uns als Geschäftsleitung fehlt jegliches Verständnis dafür, weshalb die GEW nicht dazu bereit ist, sich zunächst auf die Einzelheiten des Manteltarifvertrages zu verständigen, um die Zahl der zu kündigenden Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten und direkt im Anschluss daran dann einen Tarifsozialplan zu verhandeln und abzuschließen. Dass wir auf Arbeitgeberseite zum Abschluss eines solchen Tarifsozialplans bereit sind, hatten wir schon im Vorfeld zu dem gestrigen Termin signalisiert.Die Geschäftsführung weiß genau, weshalb die Reihenfolge wichtig ist. Wenn sie unwichtig wäre, weshalb beharrte die Geschäftsleitung dann darauf, zuerst den Manteltarifvertrag zu verhandeln?
Nachdem die GEW sich gestern geweigert hat, die Verhandlungen zu dem neuen Manteltarifvertrag fortzuführen, ist es uns nun leider – solange wir keinen neuen Manteltarifvertrag haben – nicht möglich, die Zahl der im Rahmen stehenden Kündigungen zu minimieren.Die GEW hat sich nicht geweigert, im Gegenteil: Die Tarifkommission hat ausdrücklich erklärt, nach dem Sozialtarifvertrag den Mantel zu verhandeln. Es war die Geschäftsführung, die daraufhin die Ordner zugeschlagen hat, aufgesprungen ist und grußlos den Raum verlassen hat.
Im Rahmen der heutigen Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat haben wir wieder über die ursprünglich im Raum stehende wesentlich höhere Anzahl von Kündigungen an 10 Berlitz-Standorten verhandelt. Dies ist außerordentlich bedauerlich, und wir hätten diese Maßnahme sehr gerne vermieden.Die Geschäftsleitung alleine verantwortet die Kündigungen. Hier wird nur versucht, der GEW die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben.
Es ist aus unserer Sicht unverständlich und enttäuschend, dass die GEW nach einem fast zweimonatigen Verhandlungsmarathon mit unzähligen Sitzungen aus rein verhandlungstaktischen Gründen die Arbeitsplätze von so vielen Mitarbeitern aufs Spiel setzt.Ein Verhandlungsmarathon sieht anders aus. Ein Marathon wird in einem Stück durchlaufen. Die Anzahl der Sitzungen ist mit 5 noch nicht im Bereich „unzählig“. Zweck des misslungenen Wortspiels ist auch, erneut die GEW zu diffamieren. Die Arbeitsplätze werden nur von Berlitz aufs Spiel gesetzt, nicht von den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft.
Wir als Unternehmen Berlitz wollen keine „Gewerkschaftspolitik“ oder sonstige Politik machen, sondern müssen uns jeden Tag neu auf dem Markt beweisen.Was immer die Geschäftsleitung mit diesem bemerkenswerten Satz sagen will, wahr ist: die Geschäftsleitung macht Geschäfts- und Beschäftigungspolitik zum Nachteil der Beschäftigten. Diese Geschäftsleitung bricht mit der 130-jährigen Tradition und will mehrere hundert Jahre Berufserfahrung kündigen. Diese Politik ist weder zukunfts- noch qualitätsorientiert.