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Schattenbericht Kindersoldaten

Deutschland ignoriert UN-Forderungen und verletzt Kinderrechte

15 Jahre nach Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention zu Kindern in bewaffneten Konflikten ist die deutsche Bilanz nach Ansicht von Expertinnen und Experten „katastrophal“.

Statt das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben, wie es der UN-Kinderrechteausschuss seit 2008 fordert, sind die Zahlen minderjähriger Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bis 2017 stetig angestiegen und haben in dem Jahr einen Höchststand von 2.128 erreicht. „Damit ist Deutschland eines der wenigen Länder weltweit, dessen Militär noch minderjährige Soldaten rekrutiert. Über 150 Länder halten den sogenannten Straight 18-Standard dagegen ein. In der Bundeswehr sind junge Soldatinnen und Soldaten immer wieder schweren Rechtsverletzungen wie Vergewaltigung oder erniedrigenden Aufnahmeritualen ausgesetzt,“ sagte Ralf Willinger von terre des hommes bei der Vorstellung des dritten Schattenberichts Kindersoldaten.

„Die zentralen Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes an Deutschland werden immer noch nicht umgesetzt – im Gegenteil, die Situation hat sich weiter verschlechtert.“ (Ralf Willinger)

Im Auftrag der Kinderrechtsorganisationen Kindernothilfe, terre des hommes Deutschland und World Vision Deutschland untersuchte der Völkerrechtler Michael Krennerich, wie Deutschland das 2004 ratifizierte Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zu Kindern in bewaffneten Konflikten („Kindersoldaten-Protokoll“) umsetze. „15 Jahre nach der Ratifizierung des Zusatzprotokolls ist die deutsche Bilanz angesichts der Folgen für betroffene Kinder katastrophal“, sagte Willinger. „Die zentralen Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes an Deutschland werden immer noch nicht umgesetzt – im Gegenteil, die Situation hat sich weiter verschlechtert.“ Kindernothilfe, terre des hommes und World Vision appellierten an die Bundesregierung, die Empfehlungen des UN-Ausschusses endlich ernstzunehmen.

Das Deutsche Bündnis Kindersoldaten moniert ferner einen mangelnden Schutz geflüchteter Kindersoldaten und -soldatinnen aus Kriegsländern. „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verweigerte ehemaligen Kindersoldaten aus Somalia mehrfach die Anerkennung als Flüchtling mit dem Argument, in Somalia sei jedes Kind von Rekrutierung bedroht, deshalb handele es sich nicht um individuelle Verfolgung“, kritisierte Willinger. Frank Mischo von der Kindernothilfe forderte die Bundesregierung auf, die Mittel für Unterstützungsprojekte für frühere Kindersoldatinnen und -soldaten zu erhöhen und eine eigene Budgetlinie im Entwicklungshilfehaushalt einzuführen. Der Schattenbericht Kindersoldaten wird direkt in das UN-Berichtsverfahren zur deutschen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention eingespeist.

GEW gegen Bundeswehr an Schulen

Auch die GEW fordert seit langem den Stopp der Rekrutierung Minderjähriger. Die Zahl der Auftritte von Jugendoffizieren und Karriereberatern der Bundeswehr stieg im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr an: Allein bei Vorträgen im Schulunterricht erreichten Jugendoffiziere fast 120.000 Schülerinnen und Schüler, wie eine Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken ergab. Die Karriereberater warben bei etwa 368.000 Schülerinnen und Schülern auf Jobmessen und Schulgeländen. Die Werbemaßnahmen des Verteidigungsministeriums hatten einen Etat von 31 Millionen Euro.

Das Deutsche Bündnis Kindersoldaten veröffentlichte auch die Broschüre Why 18 Matters. Eine Analyse der Rekrutierung von Kindern, welche die weltweiten Rekrutierungszahlen und die besonderen Probleme in Deutschland skizziert. Die Publikation kann gegen Zahlung der Versandkosten bei der Referentin des Vorstandsbereichs Schule beim GEW Hauptvorstand, Martina Schmerr, bestellt werden.