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Deutsche Schule Montevideo

Von 2006 bis 2012 war Ulrike Puteanus als ADLK mit den Fächern Deutsch und Kunst an der Deutschen Schule Montevideo beschäftigt und dort auch für Lehrerfortbildungen, Studienberatung und den Fachbereich Kunst zuständig.

Fotos: Ulrike Puteanus, Manfred Brinkmann

„Ein Haus in Montevideo“, Mate-Tee, Tango, Wasser, Melancholie, Fußball … und Vieles mehr sind die Assoziationen, die man mit Montevideo verbindet. Diese Stadt am Rio de la Plata, Hauptstadt von Uruguay, gelegen in dem kleinen Staat (3,25 Millionen Einwohner/176.000 Quadratkilometern) zwischen seinen beiden großen Brüdern Argentinien und Brasilien ist Mitglied im Mercosur, einer Freihandelszone, zu der auch Paraguay gehört, dessen Mitgliedschaft aber im Moment ruht, weil es nicht bereit war, wie die drei anderen Staaten, Venezuela aufzunehmen. In Uruguay gibt es die ältesten demokratischen Strukturen Südamerikas mit einer zurzeit linksgerichteten Regierungspartei. Genau wie in Paraguay und Argentinien spricht man den Rio-de-la-Plata-Dialekt. Heute gehört Uruguay zu den reichsten Ländern Südamerikas und wird als „aufstrebendes Schwellenland“ bezeichnet (Auswärtiges Amt). Die Armutsgrenze sank in den vergangenen sechs Jahren von 34 auf 14 Prozent, die Arbeitslosenzahlen liegen bei 5,5 Prozent. Die Lebenshaltungskosten sind dagegen sehr gestiegen (Inflationsrate liegt bei 8,6 Prozent), und die Mieten liegen für eine unmöblierte Wohnung für eine vierköpfige Familie bei ca. 1600,- Dollar! Die Korruption wird stark bekämpft und die Kriminalitätsrate ist lange nicht so hoch wie bei den beiden größeren Brüdern.

Begegnungsschule mit deutschem und einheimischem Abitur
Bei der Deutschen Schule Montevideo (DSM) handelt es sich um eine Begegnungsschule mit den deutschen Abschlüssen nach der 10. Klasse und deutschem sowie uruguayischem Abitur. Außerdem werden noch das Deutsche Sprachdiplom I in der 9. Klasse und II in der 11. bzw. 12. Klasse abgelegt. Nach dem wirtschaftlichen Einbruch 2006 und der 150jährigen Feier der DSM 2007 stiegen die Schülerzahlen auf ca. 1.300 an zwei Standorten, wobei dem Kindergarten und der Primaria (1-6 Klasse) ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Das deutsche Abitur legen jedes Jahr etwa 20 SchülerInnen ab, wobei je nach Beratungsintensität zwischen 2 – 6 Schüler ein Studium in Deutschland aufnehmen. Der Anteil der deutschen Schüler in der Schule liegt bei ca. fünf Prozent. Das BVA unterstützt die Schule mit zehn ADLK und zwei BPLK, wobei erstaunlich viele ADLK-Stellen, nämlich drei, auf die Grundschule entfallen. Hinzu kommt der deutsche Generaldirektor. Weiterhin beschäftigt die Schule etwa 80 Ortslehrer, wovon ca. 20 Deutsch sprechen. Das Verhältnis zwischen den deutschen und uruguayischen Lehrern hat sich dank der Initiative einiger Ortslehrerinnen und der ADLK sowie der neuen Schulleiterin (seit 08/2011 im Amt) stark verbessert. Seit Februar 2006 bis Februar 2012 war ich mit den Fächern Deutsch und Kunst als ADLK an der DSM beschäftigt und für die Lehrerfortbildungen und die Studienberatung sowie den Fachbereich Kunst zuständig. Außerdem arbeitete ich bei einem Konzept für die Etablierung des Faches DFU mit und half beim Aufbau eines Methodencurriculums. Um die Schwierigkeiten, die in den Jahren 2008 – 2011 an der DSM auftauchten, erklären zu können, muss ich vier Jahre zurückschauen.

Schwere Zeit ohne Leitung
Nachdem der Schulleiter, Herr Schwesig, im Jahre 2008 die Schule verließ, übernahm Herr Dr. Michel die Leitungsfunktion. Nach nur 4 Monaten, die er an der Schule erfolgreich wirkte, erkrankte Herr Dr. Michel und starb, nachdem er noch ein halbes Jahr die Leitungsfunktion von Deutschland ausübte. In dieser und den folgenden drei Jahren übernahm der stellvertretende Schulleiter, Herr Harpf, die Leitung der Schule. Obwohl wir versuchten, Herrn Harpf zu unterstützen, häuften sich die Konflikte, bis hin zu mehreren Eskalationen, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Leider erhielten wir keinerlei Unterstützung von dem Referenten des BVA. Ruhe kehrte erst wieder in das Schulleben ein, als nach langer Verschleppungstaktik seitens des Vorstandes und dann auf Druck des BLASchA Ländervorsitzenden, Herrn Dr. Köhler, eine neue Direktorin ausgewählt wurde. Meine weiteren Ausführungen beziehen sich auf die Zeit vor dem August 2011. Ich möchte versuchen, trotz oder gerade weil wir eine schwere Zeit ohne Leitung durchstehen mussten, konstruktive Hinweise für die weitere Arbeit an den Auslandsschulen zu geben. Grundsätzlich gilt für die Auslandsschulen folgendes Konstrukt: deutscher Generaldirektor, einheimischer Direktor, stellvertretende Direktoren (deutsch/inländisch), Lehrer mit verschiedenen Funktionen, Schulverein mit seinem Vorstand, Elternbeirat, Lehrerbeirat und die Schulverwaltung. Verliert eine derartige Schule ihren deutschen Generaldirektor, so ist die Schule erst einmal führungslos und müsste sofort eine Unterstützung vonseiten BVA/ZfA erhalten, zumindest müsste sichergestellt werden, dass der Stellvertreter seinen Aufgaben gewachsen ist. Auch die Rolle des Vorstandes sollte klar auf die finanziellen Regelungen begrenzt bleiben und ein unabhängiges Gremium (z. B. Lehrerbeirat) sollte dies überprüfen und gegebenenfalls seine Bedenken an die ZfA übermitteln (ansonsten gilt die Vereinbarung: Dienstweg)! Die ZfA müsste dann entsprechend reagieren.

Gelassenheit und HerzlichkeitIm Vergleich zu anderen deutschen Auslandsschulen (z. B. Lima, Buenos Aires, Santiago, Istanbul) ist die Stellung des Deutschen an der DSM nach wie vor sehr schwierig. Ich verstehe darunter, dass die deutsche Sprache nicht nur abgeprüft wird und ein notwendiges Übel ist, was man in seiner Schulzeit erlernen muss, sondern dass die deutsche Kultur fester Bestandteil im Schulleben wird und man sich seitens der Schulleitung und des Vorstandes darum bemühen müsste, genügend deutschsprachige Lehrkräfte und Verwaltungspersonal zu finden, die deutsches Kulturgut an der Schule etablieren. Leider ist es oft so, dass die Lehrkräfte bei der Ausübung ihrer Aufgaben, wie z. B. Ausstellungen, Lehrerfortbildungen, Abiturcamp, Materialfrage … nicht unterstützt werden, im Gegenteil durch oft unsinnige Aktivitäten (hoher Verwaltungsaufwand, 5 Zeugnisse im Jahr, uneffektive Konferenzen) beschäftigt werden. Gelernt habe ich in meinen sechs Jahren, dass die uruguayischen Kollegen ihren Schülern mit sehr viel mehr Gelassenheit und Herzlichkeit begegnen als die meisten deutschen Kollegen. Auch haben viele uruguayische Kollegen – trotz deutlich geringerer Verdienstmöglichkeiten – ein echtes Interesse an der Begegnung mit Deutschen und ihrer Kultur. Auch deutsche Unterrichtsmethoden sowie deren Umsetzung sind stets auf großes Interesse gestoßen und so konnte ich viele Ortslehrkräfte davon überzeugen, ihren Unterrichtsstil mit neuen Methoden (Portfolioarbeit, Filmdidaktik, Projektarbeit, Binnendifferenzierung …) anzureichern. Es war eine Freude zu erleben, wie begeistert mir zwei Kolleginnen bei der Multiplikation der ReFo „Binnendifferenzierung“ geholfen haben.

Zeit für die Berufsfindung
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt meiner Arbeit war die der Studienberatung. Hier sehe ich einen großen Vorteil bei der Unterstützung von Privatschulen durch kommerzielle Anbieter. Gerade Firmen werden großes Interesse an gut ausgebildetem Nachwuchs haben. So werden sie die Schulen in privater Trägerschaft dabei unterstützen, dass die Schüler bereits während ihrer Schulzeit bestimmte Aufgabenbereiche in den Firmen kennen lernen und auch bei der späteren Berufsfindung, sprich Universität oder duales Studium, fördern. Vielleicht ließe sich ja auch die duale Ausbildung etablieren, für das es immer ein großes Interesse in Montevideo gab. So waren die Informationsveranstaltungen des Berufsbildungszentrums (BBZ) aus Buenos Aires stets gut besucht und jedes Jahr haben etwa 2 -6 Schüler ihre Ausbildung in Buenos Aires begonnen. Das war eine gute Alternative für die Schüler, zumal sie noch sehr jung sind, wenn sie ihr Abitur abgelegt haben und aus behüteten Elternhäusern kommen und daher mehr Zeit für die Berufsfindung benötigen. Schwierigkeiten bei der Zulassung kommerzieller Anbietern sehe ich eher darin, wie viel Einfluss ein kommerzieller Anbieter auf die pädagogische Arbeit einer Schule nehmen darf. Wer wird Streit zwischen Schulleitung/Schulvorstand und Schülern schlichten? Wie gestaltet sich die rechtliche Situation der deutschen Lehrkräfte, die auch im Moment nicht eindeutig ist, was ich am eigenen Leib erfahren musste.

Begegnung auf internationaler Ebene 
Was das Gastland angeht, so habe ich meinen Platz in Uruguay gefunden. Stets begegnete mir die einheimische Bevölkerung mit viel Offenheit und Herzlichkeit. So konnte ich echte Freundschaften aufbauen und einige künstlerische Projekte durchführen, auch noch über meine Einsatzzeit an der DSM hinaus (Bertold-Brecht-Institut, Vortrag zum Bauhaus, Info-Arte …). Die Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut gestaltete sich sehr gut (Theater-Projekt mit dem Regisseur V. Lösch – Chor der Frauen), wie auch die Arbeit mit den Botschaftsangehörigen (Ausstellung mit Schülern und Ehemaligen der DSM). Für kulturelle Ideen haben die Uruguayer viel Verständnis und geben oft noch ihren letzten Peso für eine Theaterveranstaltung oder ein Konzert aus. Hier findet Begegnung auch auf internationaler Ebene statt. Allerdings muss man bei allen Aktivitäten sehen, dass die Uruguayer eher konservativ sind und lieber ihren Mate Tee auf der Kaimauer trinken als sich in ein Café zu setzen. Große Begeisterung lösen stets die einheimischen Fußballspiele aus. So fand auch mein Fußballprojekt in der DSM zur Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 breite Zustimmung. Hier ließen sich auch noch so müde Schüler wieder aktivieren. Aber nicht zu vergleichen mit der Weltmeisterschaft, bei der Uruguay sehr erfolgreich spielte und seinen Höhepunkt in dem Spiel Deutschland gegen Uruguay um den dritten Platz fand.

Kein Interesse an Auslandserfahrungen
Bei der Wiedereingliederung gab es auf persönlichem Gebiet keinerlei Probleme. Meine Familie half mir in allen Belangen, und schnell konnte ich an meiner neuen Schule die ersten persönlichen Kontakte zu KollegInnen knüpfen. Allerdings unternahm die hiesige Schulleitung keinerlei Anstrengungen meine Erfahrungen zu nutzen. Ich wurde nicht einmal gefragt, welche Funktionen ich in der Auslandsschule übernommen hatte. Auch die Erfahrungen mit dem Qualitätsprogramm fanden keinerlei Beachtung. Ich bekam meine 24,5 Stunden und damit war der Fall „Puteanus“ erledigt. Man wunderte sich nach 1,5 Monaten nur, dass ich mich so schnell eingelebt hätte, und sprach mir Anerkennung aus! Es ist sehr schade, dass es weder ein Rückkehrerseminar noch eine Plattform gibt, auf der sich die Kollegen austauschen können. Auch finde ich es unverständlich, dass man auf teure Referenten bei den Lehrerfortbildungen zurückgreift, ohne das eigene Potenzial zu aktivieren. Auf diesem Gebiet gäbe es noch viel Handlungsbedarf in Rheinland-Pfalz.