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Der lange Weg zu einer besseren Schule

Berlin (dpa) - Eines ist sicher: Ein Scherbengericht für die deutschen Kultusminister wird es diesmal nicht, wenn am Dienstag in Berlin die neuen internationalen PISA-Ergebnisse präsentiert werden. Doch ob die bereits durchgesickerten Nachrichten über die leichten deutschen Leistungsverbesserungen bei dem weltweiten Schultest gar Jubelstürme rechtfertigen, bleibt abzuwarten. Der Weg zu einer besseren Schule in Deutschland ist mit Dornen gepflastert.

Der Schock in der deutschen Öffentlichkeit saß tief, als die Ergebnisse des ersten PISA-Tests aus dem Jahr 2000 präsentiert wurden. Die Schülerleistungen aus dem Land der Dichter, Denker und Erfinder und des Rechenmeisters Adam Riese waren nicht wie erwartet weltspitze - sondern deutlich unter Mittelmaß: und das gleich in allen drei PISA-Disziplinen, Lesen und Textverständnis, Mathematik und Naturwissenschaften.

PISA belegte zudem, was bereits frühere deutsche Schulstudien aus den 1970er-Jahren mehrfach politisch folgenlos angeprangert hatten: die hohe Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Schulerfolg. Doch die internationale PISA-Studie lieferte diesmal die Daten, dass diese soziale Selektion in der Bildung in keinem anderen vergleichbaren Industriestaat der Welt so ausgeprägt ist wie in Deutschland.

Ein dritter Punkt schockierte: PISA förderte zutage, dass mehr als ein Fünftel der 15-Jährigen in Deutschland nur auf Grundschulniveau lesen und rechnen konnte. Eilig rauften sich die Kultusminister der 16 Bundesländer noch am Abend unmittelbar nach der ersten PISA-Veröffentlichung am 5. Dezember 2001 bei einem Treffen in Bonn zusammen und beschlossen sieben "Handlungsfelder" - darunter die Verabredung bundesweiter Bildungsstandards, die beschreiben, was ein Schüler am Ende der jeweiligen Jahrgangsstufe beherrschen muss.

Die seit den 1970er-Jahren heftig umstrittene Frage der Schulstruktur - dreigliedriges Schulsystem gegen längeres gemeinsames Lernen - wurde in der Kultusministerkonferenz (KMK) zum Tabu erklärt. Gegen viel Widerstand aus der Union konnte die rheinland-pfälzische Kultusministerin Doris Ahnen (SPD) noch durchsetzen, dass der Ausbau der Ganztagsschule als siebtes Handlungsfeld mit in den KMK-Katalog der PISA-Konsequenzen aufgenommen wurde.

In den deutschen Schulen ist in den vergangen zehn Jahren viel in Bewegung gekommen - manches sicherlich nicht schnell genug und vieles auch zu unkoordiniert. Doch auch ohne KMK-Beschluss verändert sich die Schulstruktur. Immer mehr Bundesländer verabschieden sich von der Hauptschule. Der Trend geht in Richtung Zweigliedrigkeit. Neben dem Gymnasium wird es vielfach nur eine zweite Schulform geben, die auch zum Abitur führen kann. Und der Ausbau der Ganztagsschule ist inzwischen weitgehend Konsens - auch wenn das von einigen Politikern in der Union immer noch nicht so gern gesehen wird.

Treffen die ersten PISA-Vorabmeldungen vom Wochenende zu, dann hat sich Deutschland in Sachen Lesen/Textverständnis zehn Jahre nach dem ersten Test ins Mittelfeld der 34 OECD-Industrienationen vorgearbeitet. Ein mühsamer, langwieriger Weg bei 17 verschiedenen Lese-Förderprogrammen in den Bundesländern.

Erfreut und überrascht werden auch deutsche Punktgewinne in Mathematik kolportiert. In den Naturwissenschaften schafften die deutschen Schüler bereits 2006 einen Sprung nach vorn. Ein um Umfeldfragen erweiterter PISA-Aufgabenkatalog kam ihnen dabei sicherlich entgegen.

Doch wie steht es um die Chancengleichheit bei der deutschen Bildung? Wie geht es mit den sogenannten 15-jährigen Risikoschülern weiter, die auch einfachste Texte nicht richtig verstehen können? Deren Zahl konnte zwischen PISA 2000 und PISA 2006 von 22,6 Prozent auf 20,1 Prozent pro Jahrgang reduziert werden. Aber auch wenn diese Zahl etwa im gleichen Tempo weiter verringert werden kann - angesichts der wachsenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt sind das einfach zu viele junge Menschen.

"Deutschland kann sich mit Mittelmaß nicht zufriedengeben und auch soziale Spaltung in der Bildung nicht hinnehmen», sagte die Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marianne Demmer. Solange rund ein Fünftel der Jugendlichen zurückgelassen wird und nicht die erforderliche Bildung erhält, sieht die Gewerkschafterin keinen Anlass zur Zufriedenheit.