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Kommentar

Das Warten beenden!

Auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit fordert die GEW Programme für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen und bildungsfernen Haushalten. Damit Gelder zielgerichtet investiert werden können, ist ein Sozialindex erforderlich.

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe (Foto: Kay Herschelmann)

Die Bundesregierung und die Landesregierungen bekommen es zum wiederholten Male vom nationalen Bildungsbericht, aber auch von der Europäischen Kommission ins Stammbuch geschrieben:

  • Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg nehmen stetig zu, aber nicht für alle Menschen. Beides ist in Deutschland über die Maßen eng mit der sozialen Herkunft verknüpft. Die Schere zwischen Bildungsgewinnern und -verlierern geht weiter auseinander, statt sich zu schließen.
  • Die Bildungsausgaben steigen zwar, erreichen aber weiterhin nicht das bereits 2008 zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten festgeschriebene Ziel, 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung einzusetzen: Unterschreitung um ein Prozent! Das sind jährlich 31,3 Milliarden Euro.
  • Das pädagogische Fachpersonal fehlt in Krippe, Kita, Schule, beruflicher Schule, Hochschule und Weiterbildung – auch und gerade wegen der steigenden Bildungsbeteiligung. Vielfach können Stellen nicht besetzt werden, Gruppen und Klassen werden größer.

Worauf wartet die Politik noch? Warum nimmt sie die Forschungsergebnisse seit PISA 2000 nicht ernst? Wir fordern: Handeln Sie jetzt! Packen Sie das Problem Fachkräftemangel an! Bauen Sie die Kapazitäten für die Erzieherinnenausbildung und die Studienplätze für Lehrkräfte aus. Unterstützen und qualifizieren Sie Seiten- sowie Quereinsteigerinnen und -einsteiger. Der Bedarf steigt, weil viele ältere Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand gehen, weil die frühkindliche Bildung ausgebaut wird, weil es bis 2025 einen Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule geben soll und mehr Menschen zur Hochschulreife geführt werden und danach studieren. Jetzt müssen die pädagogischen Berufe attraktiv gemacht werden! Jetzt muss besser bezahlt werden! Jetzt müssen die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass die Kolleginnen und Kollegen die Anforderungen der Gesellschaft, aber auch die eigenen Ansprüche an ihren Beruf und ihre Lebenszufriedenheit einlösen können. Sie brauchen umgehend beste Bedingungen!

„Insbesondere brauchen wir Programme für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen und bildungsfernen Haushalten.“

Ausgaben für gute Bildung lohnen sich: Sie führen zu mehr Chancengleichheit und gesellschaftlicher Teilhabe, verbessern die Berufs- und Lebensperspektiven der Menschen und stärken deren Gesundheit. Deshalb appelliere ich an die Bundesregierung: Stellen Sie Ländern und Kommunen mehr Geld für gute Bildung zur Verfügung. Diesen fehlen die Mittel, um den Investitionsstau anzugehen und die Schulen so auszustatten, dass eine Vorbereitung auf das Leben in der digitalen Welt möglich ist. Wir brauchen Breitband, W-LAN und Lernräume, die individuelles und gemeinsames Lernen bestmöglich unterstützen. Wegen der falschen Politik der vergangenen Jahre fehlt für Baumaßnahmen aber nicht nur Geld, in den Bauämtern mangelt es an Personalkapazitäten: Hier muss nachgesteuert werden.

Insbesondere brauchen wir Programme für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen und bildungsfernen Haushalten. Damit Gelder zielgerichtet investiert werden können, benötigen wir einen Sozialindex. Mit diesem Instrument haben einige Bundesländer schon gute Erfahrungen gemacht. Oder Schottland: Der Staat stattet Bildungseinrichtungen mit vielen Kindern in Risikolagen zusätzlich aus. Würde sich Deutschland an Schottland orientieren, wären das allein für diese Aufgabe 11,5 Milliarden Euro, die oben drauf zu satteln sind. Zudem müssen die Kommunen schon bei der Stadtplanung darauf achten, dass sich keine sozialen Gettos bilden, sondern eine gute soziale Mischung entsteht. In den sozialen Wohnungsbau muss mehr investiert werden.

Gern entwickeln wir mit der Politik auf Bundes- und Länderebene pädagogische Konzepte, um die Schere zu schließen und Kindern aus Armutsverhältnissen und in Risikolagen durch gute Pädagogik Wege in ein erfolgreiches Leben zu ermöglichen. Es ist unerlässlich, dass die GEW im Nationalen Bildungsrat mit ihrer Expertise und als Sprachrohr der Beschäftigten Sitz und Stimme erhält. Entscheidend ist aber, dass die Politik handelt! Mehr Geld für Bildung – jetzt!