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Das neue BAföG

Am 28. Oktober 2010 ist das 23. BAföG-Änderungsgesetz in Kraft getreten. Der Bildungsgewerkschaft GEW, Studierendenvertretungen und bildungspolitischen Organisation ist es gelungen, die überfällige Anhebung der BAföG-Leistungen durchzusetzen. Auch wenn eine deutlich stärke Anhebung notwendig gewesen wäre: Zum 1. Oktober 2010 wurden die Bedarfssätze um zwei und die Freibeträge um drei Prozent erhöht. Das bedeutet, dass mehr Studierende, Schülerinnen und Schüler Anspruch auf BAföG haben und mit höheren Leistungen rechnen können. Wer noch kein BAföG bezieht, sollte daher prüfen, ob sie oder er jetzt einen Anspruch hat. Wer bereits BAföG bezieht, muss die neuen Zahlbeträge automatisch erhalten – spätestens mit der Zahlung für Januar 2011 rückwirkend.

Im Folgenden informieren wir über weitere wichtige Änderungen des 23. BAföG-Änderungsgesetzes:

  • Eingetragene Lebenspartnerschaften von Studierenden, Schülerinnen und Schülern werden nunmehr (rückwirkend ab 01.10.) auch im BAföG den Ehegatten gleichgestellt. Die hat entsprechende Auswirkungen auf die Einkommensanrechnung und die eigenen Freibeträge bei Einkommen und Vermögen.
  • Neu im BAföG ist für Studierende, Schülerinnen und Schüler die Einbeziehung des ehemaligen Mietzuschlags (bis zu 72 Euro) in eine neue Pauschale (224 Euro) für „Wohnen nicht im Haushalt oder Eigentum der Eltern“. Damit entfällt ein umständlicher Mietkostennachweis. Es muss lediglich glaubhaft gemacht werden, dass man nicht mehr im Haushalt oder Eigentum der Eltern lebt. Das kann im Regelfall über eine Meldebescheinigung oder, falls vorhanden, eine Mietbescheinigung/einen Mietvertrag erfolgen.
  • Für Studierende, Schülerinnen und Schüler gibt es eine neue Regelung zur Altersgrenze, sofern sich die Aufnahme der Ausbildung durch Zeiten der Kindererziehung eines Kindes bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres verzögert hat und deshalb das 30. Lebensjahr (bei Ausbildungsbeginn) überschritten wurde.
    Anerkannt werden hierbei Zeiten, in denen die Kindererziehung im Vordergrund stand und die Zeiten der Erwerbstätigkeit bei Verheirateten im Monatsdurchschnitt nicht mehr als 30 Stunden pro Woche umfassen. Bei Alleinerziehenden sind höhere Zeiten der Erwerbstätigkeit möglich, soweit sie dazu dienen, Leistungen der Grundsicherung zu vermeiden.
    Für diese Gruppe verschiebt sich die Altersgrenze bei Ausbildungsbeginn um die anerkennenswerten Erziehungszeiten (also max. bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres des Kindes).
    Die früher notwendige lückenlose Darlegung von Hinderungsgründen seit Erreichen der Zugangsvoraussetzungen entfällt. Der Anspruch entsteht mit Beginn des Monats des In-Kraft-Treten des Gesetzes, also rückwirkend ab 01.10.2010 – sofern ein Antrag gestellt wurde, der noch nicht rechtskräftig abgelehnt wurde. Ansonsten vom Monat der Antragstellung an: Wer in der Vergangenheit aus diesem Grunde abgelehnt wurde, sollte daher umgehend einen neuen Antrag stellen.
  • Nicht unmittelbare Folge des 23. Änderungsgesetzes, sondern Folge der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes wird es sein (Stand Januar 2011), dass nach und nach in den einzelnen Bundesländern bei neuen Bewilligungen von BAföG-Leistungen ein eigenes KFZ nun im vollen Umfang als Vermögen angerechnet wird. Der bislang übliche Freibetrag von bisher 7500 Euro entfällt. Es bleibt nur die Möglichkeit, im Einzelfall eine Freistellung von der Anrechnung als Vermögen (nach § 29 Abs. 3 BAföG) zu erreichen, soweit das KFZ dringend nötig ist, um die Ausbildungsstätte zu erreichen oder zum Lebensunterhalt notwendige Zusatzverdienste zu erzielen. Und ein Verweisen auf einen Umzug an den Ausbildungsort, die Nutzung des ÖPNV oder ein günstigeres Fahrzeug nicht zumutbar erscheint.

Besondere Regelungen für Schülerinnen und Schüler

  • Wer nicht bei den Eltern wohnt und eine Berufsfachschule besucht, die keine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt und dort eine Ausbildung absolviert, die auf zwei Jahre oder länger angelegt ist, braucht nun nicht mehr die „Notwendigkeit“ eines eigenen Wohnraumes darzulegen, um den höheren BAföG-Satz für „eigenen Wohnraum“ zu bekommen. Wer die Kriterien für Notwendigkeit eigenen Wohnraums bisher nicht erfüllte und den niedrigeren Bedarfssatz von bislang nur 212 Euro hatte, sollte sich daher umgehend mit dem BAföG-Amt in Verbindung setzen, um den Anspruch auf den sehr viel höheren Bedarfssatz in Höhe von 465 Euro zu erhalten. Sofern bislang kein BAföG-Antrag gestellt wurde, sollte dies umgehend nachgeholt werden. Dabei ist Eile geboten, denn BAföG wird frühestens vom Monat der Antragstellung an gezahlt. Zur Fristwahrung genügt auch ein formloser Antrag.
  • Mit der Änderung im BAföG entfällt für diese Gruppe der Anspruch auf gleichzeitige Regelleistungen des ALG II (Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz IV) nach § 7 Abs. 6 SGB II (SGB II = Zweites Buch Sozialgesetzbuch). Dadurch wird in vielen Fällen die insgesamt gezahlte Sozialleistung (aus BAföG und ALG II) sinken. In diesem Fall sollte umgehend bei der ARGE oder der Bundesagentur für Arbeit ein Anspruch auf ergänzende Leistungen des SGB II nach § 22 Abs. 7 (Kosten der Unterkunft) geltend gemacht werden.
  • Für SchülerInnen an Gymnasien und zweijährigen Fachoberschulen ist die Notwendigkeit entfallen, dass die Zeit des Auslandsaufenthalts auf die Ausbildung im Inland angerechnet werden können muss.

Besondere Regelungen für Studierende

  • Im Zuge der Auslandsförderung entfällt der Sprachnachweis bei Auslandsaufenthalten, die nach dem 01. Oktober 2010 beginnen. Der Auslandszuschlag (für Nicht-EU-Länder) wird neu geregelt: Er ist nun nicht mehr in der Auslandszuschlagsverordnung festgeschrieben, sondern wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) jeweils am 1. Oktober für das erste Halbjahr des folgenden Jahres und am 1. April für das zweite Halbjahr festgelegt. Die Festlegung des Zuschlages erfolgt nun unter Berücksichtigung des Kaufkraftausgleichs nach § 55 des Bundesbesoldungsgesetzes, wonach die Auslandszuschläge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst geregelt werden. Außerdem wird auch bei einem Auslandsaufenthalt in einem Nicht-EU-Land künftig indirekt der Mietzuschlag gezahlt, da dieser in der neuen Pauschale „Wohnen nicht bei den Eltern“ aufgeht (siehe oben).
  • Die Altersgrenze bei Aufnahme eines Masterstudiengangs wurde von 30 auf 35 Jahre angehoben. Der Anspruch entsteht mit Beginn des Monats des In-Kraft-Treten des Gesetzes, also rückwirkend ab 01. Oktober 2010 – sofern ein Antrag gestellt wurde, der noch nicht rechtskräftig abgelehnt wurde. Ansonsten vom Monat der Antragstellung an: Wer in der Vergangenheit aus diesem Grunde abgelehnt wurde, sollte daher umgehend einen neuen Antrag stellen.
  • Stipendiatinnen und Stipendiaten der Begabtenförderungswerke bleiben für die Dauer ihres Stipendiums auch weiterhin vom BAföG ausgeschlossen. Für alle anderen gilt: Sofern ein Stipendium nicht einkommenssteuerpflichtig ist und leistungs- oder begabungsabhängig erfolgt, wird im BAföG ein neuer Freibetrag gewährt. Dieser entspricht einem durchschnittlichen monatlichen Freibetrag von 300 Euro monatlich. Eine Einmalzahlung von 1.500 Euro für ein Semester beispielsweise würde somit diesen Freibetrag (der für ein Semester sechs mal 300 Euro beträgt) nicht übersteigen. Der Anspruch entsteht rückwirkend ab 01. Oktober 2010 – sofern ein Antrag gestellt wurde, der noch nicht rechtskräftig abgelehnt wurde. Ansonsten vom Monat der Antragstellung an: Wer in der Vergangenheit auf einen Antrag verzichtet hat, weil die Anrechnung des Stipendiums zu keiner oder keiner nennenswerten BAföG Zahlung geführt hätte, sollte daher umgehend einen neuen Antrag stellen. Anrechnungsfrei bleiben demnach künftig auch die neuen „Deutschland-Stipendien“ aus dem „nationalen Stipendienprogramm“.
  • Neben dem Nachweis einer bestandenen Zwischenprüfung und dem alternativ zu erbringenden Nachweis entsprechender Klausuren/Hausarbeiten auf Formblatt 5 kann nunmehr der Leistungsnachweis auch in Form von einem durch den Fachbereich festgelegten Punktestand nach dem ECTS (European Credit Transfer System) erfolgen.
  • Wer aufgrund eines erstmaligen Fachrichtungswechsels oder Abbruchs seines Studiums in den letzten Semestern seiner neuen Förderungshöchstdauer auf BAföG als Bankdarlehen verwiesen wurde, kann aufatmen. Solche Bankdarlehen werden rückwirkend ab dem 01. Oktober 2010 wieder auf „Normalförderung“ umgestellt, die zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als unverzinstes Darlehen erfolgt. Da dies nicht immer automatisch geschieht, sollte man sich umgehend mit dem BAföG-Amt in Verbindung setzen. Auf den Zeitpunkt des Wechsels bzw. Abbruchs kommt es dabei nicht an: Dieser kann auch vor der Gesetzesänderung stattgefunden haben. Wer also aufgrund der Aussicht, nur noch BAföG als Bankdarlehn zu bekommen, auf eine Antragstellung verzichtet hat, sollte diese Entscheidung überdenken und umgehend einen neuen Antrag stellen.
  • Die Teilerlasse im BAföG für besonders schnelles Studium (zwei oder vier Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer) und für eine gute Abschlussnote (30 Prozent der Besten eines Kalenderjahres) werden zum 31. Dezember 2012 auslaufen. Wer bis zu diesem Termin die letzte Prüfungsleistung in seinem Studiengang erbracht hat, kann diese Vergünstigung später bei der Rückzahlung noch geltend machen.
  • Änderung der Karenzzeit nach Bezug von BAföG als Bankdarlehen. Die Rückzahlpflicht setzt nun 18 Monate (bislang 6 Monate) nach Auszahlung der letzten Rate ein.

GEW: BAföG weiter ausbauen!

Immer noch bezieht erst rund ein Fünftel aller Studierenden Leistungen nach dem BAföG, die wenigsten bekommen den Höchstsatz. Zusätzlich schrecken Studiengebühren Studienberechtigte von der Aufnahme eines Studiums ab. Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler geht leer aus.

Die Bildungsgewerkschaft GEW meint daher: Mit dem 23. BAföG-Änderungsgesetz ist es nicht getan – wir brauchen weitere Reformen! Wenn in Deutschland in Zukunft wie im Durchschnitt aller Industrieländer über 50 Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium aufnehmen sollen, dann müssen auch die Mittel für die Ausbildungsförderung deutlich erhöht und die Förderungsstrukturen verbessert werden.

Die GEW setzt sich für eine dynamische und regelmäßige Anpassung der BAföG-Fördersätze an die Lebenshaltungskosten und die Einkommensentwicklung ein. Die GEW fordert, den Darlehensanteil im BAföG zu Gunsten eines nicht rückzahlungspflichtigen Zuschusses zurückzuführen, damit junge Menschen vom „Studentenberg“ aus nicht mit einem „Schuldenberg“ ins Berufsleben starten müssen. Perspektivisch ist das BAföG auf diese Weise zu einem elternunabhängigen Studienhonorar für alle Studierenden weiterzuentwickeln.

Um die soziale Durchlässigkeit beim Übergang zu den zur allgemeinen Hochschulreife führenden Schulen zu verbessern, muss die Ausbildungsförderung für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II an allgemein bildenden Schulen wieder eingeführt werden.