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Corona-Beschluss von Bund und Ländern

„Den Ländern freie Hand zu geben, ist ein Eigentor“

Die GEW kritisiert, dass es keine einheitliche Regelung für die Öffnung der Schulen gibt. „Der Bund hat beim Thema Schulen und Kitas vor den Ländern kapituliert“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe.

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Foto: Shutterstock/GEW

Bund und Länder haben bei ihrem Corona-Spitzentreffen am Mittwoch darauf verzichtet, einen einheitlichen Fahrplan zur Öffnung der Schulen vorzulegen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte sich nicht durchsetzen, die Schulen erst ab 1. März wieder zu öffnen, weil mehrere Länder frühere Termine anstreben. „Den Ländern freie Hand zu geben, ist ein Eigentor“, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen werde dadurch weiter sinken.

GEW begrüßt früheren Impftermin

Allerdings begrüßt die GEW ganz ausdrücklich, dass offenbar auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geprüft werden soll, Grundschullehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher, die kaum die Möglichkeiten haben, Abstände einzuhalten, früher zu impfen und in die zweite Prioritätsstufe für die Impfungen vorzuziehen. Diese Prüfung muss jetzt schnell über die Bühne gehen und sollte alle Lehrkräfte einbeziehen, um sich und die anderen bei der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen zu schützen. Wichtig ist, dass es sich um ein Impfangebot und keine -pflicht handelt.

„Der Bund hat beim Thema Schulen und Kitas vor den Ländern kapituliert.“ (Marlis Tepe)

Die Ministerpräsidenten hatten bei ihren Beratungen mit Merkel am Mittwoch keine einheitliche Regelung für die Öffnung der Schulen festgelegt. Etliche Länder wollen die Schulen bereits im Februar schrittweise öffnen. Berlin plane diesen Schritt für den 22. Februar, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Auch andere Länder orientierten sich an diesem Termin. Merkel sagte, sie hätte mit der Öffnung gerne erst ab dem 1. März begonnen. Die Länder, die für Bildung zuständig sind, hätten dies aber anders beurteilt.

„Der Bund hat beim Thema Schulen und Kitas vor den Ländern kapituliert. Das ist ein schlechtes Zeichen. Damit sind dem föderalen Vielerlei Tür und Tor geöffnet“, sagte Tepe. Weder die Kultusministerkonferenz noch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hätten bis heute eine klare Strategie und einen bundesweit einheitlichen, verlässlichen Stufenplan vorgelegt. Ein solcher Plan müsste deutlich machen, bei welchen Inzidenzwerten welche Maßnahmen greifen sollten. Auf dieser Grundlage hätten die Länder dann mit Blick auf das Infektionsgeschehen vor Ort die Möglichkeit, flexibel zu agieren, argumentiert die GEW.

Marlis Tepe mahnte: „Das Vorpreschen der Länder nach dem Motto ‚Hauptsache öffnen‘, das schon seit Wochen zu beobachten ist, zeigt, dass der Gesundheits- und Infektionsschutz von Lehrenden, Lernenden und deren Eltern nur eine Nebenrolle spielt. Kaum eine Spur vom Ausgleich zwischen dem Recht auf Bildung und dem Gesundheitsschutz. Wer jedoch Schulen und Kitas schnell öffnen will, ohne sie noch schneller für längere Zeit wieder schließen zu müssen, muss dafür die Voraussetzungen schaffen.“

Die Richtschnur für die Maßnahmen in der Schule sollen nach Ansicht der GEW die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sein. Dafür schlägt die GEW ein Fünf-Punkte-Programm vor:

5-Punkte-Programm zum Gesundheitsschutz an Schulen
Ab der 5. Klasse muss das gesellschaftliche Abstandsgebot von 1,5 Metern gelten. Dafür müssen Klassen geteilt und zusätzliche Räume beispielsweise in Jugendherbergen gemietet werden.
Um die Schulräume regelmäßig zu lüften, gilt das Lüftungskonzept des Umweltbundesamtes. Können die Vorgaben nicht umgesetzt werden, müssen sofort entsprechende Filteranlagen eingebaut werden.
Die Anschaffung digitaler Endgeräte für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler muss endlich beschleunigt werden. Flächendeckend müssen eine datenschutzkonforme digitale Infrastruktur geschaffen und IT-Systemadministratoren eingestellt werden. Zudem müssen die Länder Sofortmaßnahmen zur digitalen Fortbildung der Lehrkräfte anbieten.
Für die Arbeitsplätze in den Schulen müssen Gefährdungsanalysen erstellt werden, um Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler besser zu schützen.
Transparenz schaffen: Kultusministerien und Kultusministerkonferenz müssen zügig ihre Planungen umsetzen, wöchentlich Statistiken auf Bundes-, Landes- und Schulebene über die Zahl der infizierten sowie der in Quarantäne geschickten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zu veröffentlichen. „Wir brauchen eine realistische Datenbasis, um vor Ort über konkrete Maßnahme zu entscheiden“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. 

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

Dazu gehört aus Sicht der GEW, eine alltagstaugliche Teststrategie zu entwickeln und die Impfstrategie für Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher zu verbessern. Das sei bisher nicht geschehen. Die GEW hält es weiterhin für richtig, ab einem Inzidenzwert von über 50 Neuinfektionen auf 100.000 Menschen in einer Woche in einer Kommune in der Schule auf Wechselunterricht, ab über 100 auf Fernunterricht umzustellen. Liege der Inzidenzwert unter 50 Neuinfektionen sollten sich die Schulen auf Grundlage der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) wieder auf die Öffnung vorbereiten.

Dafür sei der Wechselunterricht ein zentrales Instrument, für die Umsetzung brauchten die Schulen aber Zeit. „Das klappt nicht von Freitag auf Montag“, sagte Tepe. „Das Modell Wechselunterricht ermöglicht, Gesundheitsschutz und Recht auf Bildung miteinander zu verknüpfen.“

„Wechselunterricht heißt nicht, dass Lehrkräfte morgens im Präsenz- und nachmittags im Fernunterricht arbeiten.“ (Marlis Tepe)

Entscheidend sei, feste Gruppen zu bilden, die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den Klassen zu halbieren und einen Schulweg zu sichern, auf dem Abstände eingehalten werden könnten. Der Wechselunterricht schaffe die Voraussetzung, dass ohnehin benachteiligte Kinder und Jugendliche nicht weiter abgehängt würden.

„Wechselunterricht heißt nicht, dass Lehrkräfte morgens im Präsenz- und nachmittags im Fernunterricht arbeiten“, betont die GEW. Das ist nicht zu stemmen. Die Lehrkräfte, aber auch die Eltern, die bei der Betreuung und Unterstützung ihrer Kinder während des Wechselunterrichts stark unter Druck stehen, müssen entlastet werden. Auch dadurch, dass Stoff und Leistungsprüfungen reduziert werden und sich an den neuen Erfahrungen und Kompetenzen orientieren, die die Schülerinnen und Schüler während der Corona-Pandemie erworben haben.“

Für die Kitas verlangt die GEW, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Jede Kita braucht passgenaue und wirksame Hygienepläne. „Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz sind zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe. Sie regte zudem an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten.

  • Freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten
  • Passgenaue und wirksame Hygienepläne für jede Kita
  • Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an Kitas
  • Risikogruppen von Betriebsmedizinern beraten lassen und im Einzelfall von der Arbeit an der Kita freistellen

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.