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Aktuelle Stunde zur Kritik am WissZeitVG

Bundestag debattierte über Dauerstellen

„Sichere Jobs statt Dauerbefristung“ hieß die Aktuelle Stunde, in welcher der Bundestag über Zeitverträge und unsichere Karrierewege in der Wissenschaft debattierte – eine Reaktion auf die Twitter-Kampagne #IchBinHanna.

Foto: Pixabay / CC0

Wer Karriere in der Wissenschaft machen möchte, muss mit vielen befristeten Verträgen rechnen. Nachdem die Debatte über Zeitverträge und unsichere Karrierewege in der Wissenschaft durch die Twitter-Kampagne #IchBinHanna neu entfacht wurde, hat sich der Bundestag am vergangenen Donnerstag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema „Sichere Jobs statt Dauerbefristung“ beschäftigt.

Die Idee für die Aktuelle Stunde hatte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, per Tweet auf Twitter am 18. Juni. Zudem wandte er sich gezielt an Abgeordnete der Oppositionsfraktionen FDP, Linke und Grüne. Die Links-Fraktion griff die Anregung schließlich auf – fortan machte der Hasthag #HannaImBundestag die Runde.

Für die Linke sprach Hochschulpolitikerin Nicole Gohlke und verlangte den „Einstieg in eine andere Logik, in die Logik von Dauerstellen für Daueraufgaben.“ Damit bestimmte der von der GEW geprägte Slogan „Dauerstellen für Daueraufgaben“ die weitere Debatte im Parlament. Aktuell sammelt die GEW mit ihrer Online-Petition „Dauerstellen für Daueraufgaben“ Unterschriften, um Beschäftigungsbedingungen zu verbessern und Karrierewege in Hochschule und Forschung zu reformieren.

Karliczek löst Empörung aus

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) ließ es sich nicht nehmen, selbst auf Gohlke zu antworten, um „ein bisschen aufzuräumen mit all dem, was Sie behauptet haben.“ Sie verwies auf Maßnahmen, die die Große Koalition bereits ergriffen habe – von der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) über den Zukunftsvertrag Studium und Lehre Stärken bis hin zum Tenure-Track-Programm für verlässliche Karrierewege nach der Promotion. Jetzt seien die Länder und Hochschulen in der Verantwortung.

Mit einer spontanen Reaktion auf einen Zwischenruf des Grünen-Abgeordneten Kai Gehring löste sie eine weitere Empörungswelle bei der #IchBinHanna-Community auf Twitter aus. „Aber Sie können eine Evaluation nicht vornehmen, wenn an Hochschulen im Moment gar nichts stattfindet“, erwiderte Sie auf Gehrings Vorwurf, sie würde die Evaluation des WissZeitVG hinauszögern.

“Schlag ins Gesicht aller Hochschulbeschäftigten“

Von einem “Schlag ins Gesicht aller Hochschulbeschäftigten, die seit März 2020 am Limit sind”, sprach GEW-Vize-Keller auf Twitter.

„Karliczeks Aussage wird von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so kritisch wahrgenommen, weil die Ministerin damit zeigt, wie wenig sie eine Vorstellung von dem hat, was seit drei Semestern nicht trotz, sondern wegen der Coronakrise an den Hochschulen stattfindet. Diese sind eben nicht geschlossen, sondern organisieren unter schwierigsten Rahmenbedingungen Online-Lehre, Prüfungen, Forschung und wissenschaftliche Qualifizierung“, sagte Andreas Keller.

Aber auch was die Gesetzesevaluation selbst angeht, zeigte ich Karliczek schlecht informiert. „Tatsächlich fand und findet die Befragung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen der BMBF- Evaluation durch Interval und HIS auch während der Pandemie statt“, sagte Keller, der die Gewerkschaften im Beirat zur WissZeitVG-Evaluation vertritt.

Die Ergebnisse sollten zwar pandemiebedingt statt Anfang 2022 erst im zweiten Quartal 2022 vorgelegt werden, die Große Koalition habe aber von Anfang an geplant, die Evaluation erst Ende 2021 abzuschließen. „Ganz offensichtlich um unangenehme Ergebnisse vor der Bundestagswahl und eine darauffolgende Debatte über das WissZeitVG zu vermeiden“, kritisierte Keller.

Potenzial zum  Wahlkampfthema

Im weiteren Verlauf der Bundestagsdebatte setzte sich die SPD-Fraktion erkennbar vom bisherigen Kurs der Großen Koalition ab. So griff die Abgeordnete Wiebke Esdar Forderungen auf, die die GEW in die Diskussion eingeführt hatte, aber bisher von der Bundesregierung blockiert worden waren: etwa die nach verbindlichen Mindestlaufzeiten von Zeitverträgen oder, dass es nach Promotion keine Befristung ohne Entfristungsperspektive über einen Tenure Track mehr geben dürfe.

Auch der FDP-Abgeordnete Thomas Sattelberger prangerte die Regierungspolitik an. „Dauerstellen für Daueraufgaben“, „zwingende Vertragslaufzeiten“ und „reguläre Beschäftigungsverträge für bisher prekär beschäftigte Lehrbeauftragte“ gehörten zu seinem Credo – ganz im Sinne der Dauerstellen-Petition der GEW.

Der Bundestag geht in die Sommerpause, danach wird er neu gewählt. Mit der GEW-Konferenz zur Bundestagswahl im Mai und der #IchBinHanna-Kampagne ist es gelungen, Beschäftigungsbedingungen und Karriereweg in der Wissenschaft zu einem potenziellen Wahlkampfthema zu machen.

Damit das Thema nicht wie ein Strohfeuer erlischt, hat die GEW Ministerin Karliczek und die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Britta Ernst (SPD) vorgeschlagen, zu einem Runden Tisch „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ einzuladen.

Darüber hinaus sieht sich die GEW in der Verantwortung, Aktivistinnen und Aktivisten zu vernetzen. Den Auftakt bildet ein Aktiven-Ratschlag im Rahmen einer Online-Veranstaltung am 1. Juli mit dem Titel #“IchbinHanna - Per Hashtag gegen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz“.