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Bundesländervergleich

Einige Bundesländer haben ihre Stichproben im IGLU-Test so erweitert, dass ein repräsentativer Ländervergleich möglich wurde. Eine Analyse von Marianne Demmer.

Nüchtern betrachtet: IGLU - Vergleich einiger Bundesländer

"Kinder im Süden lesen besser“, titelte die FAZ triumphierend - einige Tage bevor die Ergebnisse des IGLU-Bundesländervergleichs Ende Januar in Berlin offiziell bekannt gegeben wurden. Und in der Tat: Bayern und Baden-Württemberg haben die Nase bei IGLU vorne. Allerdings nur knapp, wenn man von Bremen absieht, das weit abgeschlagen ist. Im internationalen Maßstab haben die Grundschulen gut abgeschnitten. Allerdings: Schon in der Grundschule werden soziale Ungleichheiten verstärkt, die Lesekompetenz zu vieler Schüler ist am Ende von Klasse vier zu schlecht.

Was sind die Fakten? Einige Bundesländer haben ihre Stichproben im IGLU-Test so erweitert, dass ein repräsentativer Ländervergleich möglich wurde: Es sind dies Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg (nur Lesefähigkeit), Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Thüringen hatte zwar ebenfalls die Stichprobe erweitert - allerdings nicht nach repräsentativen Gesichtspunkten. Ein kompletter Ländervergleich war nie beabsichtigt – wie ergiebig ein solch unvollständiger Vergleich ist, sei dahingestellt. Sicher ist, dass er sich für südliches Triumphgeheul und arrogantes Gebaren nicht sonderlich gut eignet. Das gute Abschneiden Hessens muss der rot-grünen Vorgängerregierung angerechnet werden.

Das IGLU-Länderranking zur Lesefähigkeit weist einige Verschiebungen gegenüber den PISA-Ergebnissen auf. Bei den Grundschulen liegt Baden-Württemberg mit 549 Punkten diesmal drei Punkte vor Bayern und fünf vor Hessen, das jetzt vor Nordrhein-Westfalen rangiert. Diese Unterschiede sind praktisch nicht bedeutsam. Nordrhein-Westfalen liegt 18 Punkte hinter Baden-Württemberg zurück, was etwa einem Rückstand von zwei Monaten Unterrichtszeit entspricht. Bei Brandenburg sind es 23 Punkte und bei Bremen erschreckende 42. Bis auf Bremen und Brandenburg liegen die beteiligten Bundesländer also nah beieinander. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen haben im internationalen Vergleich deutlich zu den Spitzenländern Schweden, Niederlande und England auf. Mit unseren Grundschulen, der einzigen integrativen Schulform in Deutschland, brauchen wir uns nicht zu verstecken.

In Mathematik und den Naturwissenschaften ist der Vorsprung Baden-Württembergs vor Bayern und Hessen mit mehr als zehn Punkten weitaus deutlicher. In den Naturwissenschaften erreicht Baden-Württemberg 576 und in Mathematik 565 Punkte. Insgesamt stellt sich angesichts dieser Ergebnisse die Frage, ob Bayern in der PISA-Studie nicht doch aufgrund einer fehlerhaften Stichprobe deutlich überbewertet worden ist. Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm hat mehrfach auf diese Möglichkeit hingewiesen.

Beängstigend: Befund Bremens

Die bekannten Probleme - bereits am Ende der Grundschule zu große Risikogruppen, soziale und ethnische Benachteiligung, ungerechte Übergangsempfehlungen - zeigen sich in allen beteiligten Bundesländern – ob sie nun gut oder weniger gut abgeschnitten haben. Beängstigend ist der Befund für Bremen, wo am Ende der Grundschule die Risikogruppe schon mehr als 20 Prozent beträgt. Besonders ungerecht geht es hingegen in Baden-Württemberg zu. Die soziale und ethnische Benachteiligung ist sehr stark ausgeprägt. Bei gleicher sozialer Herkunft und gleicher Leseleistung hat es ein Kind mit Migrationshintergrund fast dreimal so schwer, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, wie ein Kind, dessen Eltern beide deutschsprachig sind.

Brauchen wir diesen differenzierten Blick auf die Bundesländer, auch wenn in der Tendenz vermutlich immer wieder ähnliche Befunde zu erwarten sind? Meine Meinung ist: Ja, wir brauchen diese Art des Systemmonitoring - aber nicht als Selbstzweck, sondern als Ausgangspunkt für vertiefende Nachforschungen. Wir brauchen sie nicht als Munition im Schulkampf oder für Profilierungsspielchen politischer Parteien und Personen.

Dass es den sieben beteiligten Bundesländern nicht gelungen ist, sich auf eine gemeinsame Pressemitteilung zu verständigen, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der Kultusministerkonferenz (KMK). Insbesondere weil sie für sich beansprucht, Deutschland auf dem internationalen Parkett mit einer Stimme vertreten zu können.

Wir brauchen die Untersuchungen hingegen für sorgfältige differenzierte Analysen. Bremen sollte endlich mit Städten von ähnlichem soziokulturellen Hintergrund verglichen werden. Kinder im Süden lesen nicht nur besser, sie leben in der Regel auch besser. Gerade Lehrer haben ein Interesse daran herauszufinden, wo die von ihnen beeinflussbaren Veränderungspotenziale liegen und wo die Bildungs- und Sozialpolitik gefragt ist. Den Autorinnen und Autoren der Studie ist uneingeschränkt zuzustimmen, wenn sie feststellen: "Die Vielschichtigkeit des Lernprozesses verbietet eine einfache kausale Interpretation einzelner Merkmale und macht mehrdimensionale Analysen erforderlich. Letztendlich bleibt man jedoch mit Daten aus Fragebogenerhebungen immer weit entfernt von der Realität des Unterrichts.“