Zum Inhalt springen

Britisch-Deutsches Gewerkschaftsforum in London

Wie geht es nach dem Brexit weiter mit den sozialen und gewerkschaftlichen Rechten in Europa? Welchen Einfluss können die Gewerkschaften auf den Brexit nehmen? Darum ging es beim jährlichen Treffen der britischen TUC und des DGB.

Der Brexit und seine Folgen für die ArbeitnehmerInnen standen im Mittelpunkt des diesjährigen Treffens britischer und deutscher Gewerkschafter am 11./12. Juli 2017. Das deutsche-britische Gewerkschaftsforum hat Tradition: Bereits zum 16. Mal kamen KollegInnen des Trade Union Congress (TUC) mit VertreterInnen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften zusammen, um sich über aktuelle Entwicklungen und gewerkschaftliche Positionen auszutauschen. Unterstützt wird die Veranstaltung von der Friedrich-Ebert-Stiftung. In London waren diesmal auch Parlamentarier der Labour Party und der SPD eingeladen.

Wahlerfolg von Labour bietet neue Optionen

Keir Starmer, „Schattenminister“ der Labour-Partei und Parlamentsmitglied im britischen Unterhaus sähe natürlich Labour lieber an der Macht, als in der Opposition. Er zeigte sich aber optimistisch, dass sich durch den jüngsten Wahlerfolg seiner Partei die Diskussion in England um den Brexitprozess verändert hat. Statt Feindseligkeit und Aggression gegenüber der EU gebe es nun neue Optionen und Chancen für gewerkschaftliche Ziele wie den Erhalt und Ausbau vorhandener sozialer Rechte und Standards sowie die Verhinderung einer ungebremsten Deregulierung. Im Mittelpunkt stehe die Frage: „Arbeitet das politische und ökonomische System für dich?“

Stabilisierung der EU als vorrangiges Ziel

Norbert Spinrath, Sprecher der Parlamentsgruppe der SPD in Sachen Europa und Mitglied des Bundestages, machte deutlich, dass eine Stabilisierung der EU im Vordergrund der deutschen Politik stehe. Es wäre nicht zu vermitteln, wenn Großbritannien nach dem Brexit in den Genuss von Vorteilen käme, die anderen Drittstaaten verwehrt sind. Dennoch gehe es nicht darum, Großbritannien zu bestrafen. Gemeinsame Interessen sieht er u.a. bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den zahleichen bestehenden Kooperationen auf dem Feld von Forschung und Wissenschaft.

„Was ist am besten für die arbeitenden Menschen?“

DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann beklagte, dass die EU aus der Sicht der Konzerne nur ein freier Markt sei. Leider gehe es immer vorrangig um die Frage, was am besten für’s Geschäft sein. Die EU habe vielfach die Sorgen um die sozialen Rechte der Menschen aus dem Auge verloren, was den Brexit provoziert habe. Jetzt bestehe aber eine Chance für ein Umdenken in Richtung auf soziale Rechte: „Was ist am besten für die arbeitenden Menschen?“, müsse zur Leitfrage werden.

Verfehlte Krisenpolitik der EU entfremdet Arbeitnehmer

Nur etwa 40 Prozent der Mitglieder hätten anders als von ihrer Gewerkschaft empfohlen für den Brexit gestimmt, berichtete Neil Forster (TUC) und machte damit ein Dilemma gewerkschaftlicher Politik gegenüber der EU deutlich. In den letzten zwanzig Jahren, ergänzte Reiner Hoffmann, seien Arbeitnehmerinteressen in der EU durch eine verfehlte Krisenpolitik unter die Räder gekommen. Die pro-europäische Haltung der Gewerkschaften sei schwer vermittelbar, weil soziale Rechte nicht eingehalten wurden und so eine Entfremdung vieler Bürger von der EU und der Demokratie eingetreten sei, die der Rechtspopulismus ausnutze. Dennoch: Europa dürfe nicht zerbrechen, die Gewerkschaften müssten jetzt Grundsätze formulieren, um deren Einhaltung es auf jeden Fall geht.

Sozialpolitische Ziele verständlich darstellen

In der weiteren Debatte ging es um Konkretionen, um die sozialpolitischen Ziele verständlich darzustellen. Angesprochen wurden Initiativen gegen befristete Beschäftigungsverhältnisse, Sozialdumping und Frauenrechte. Es müsse darum gehen Kollektivrechte (z.B. Bildungsurlaub) gegenüber den im Vordergrund stehenden Individualrechten zu stärken.

Britische Arbeiter nicht als Billigkonkurrenz

Die Generalsekretärin der TUC, Frances O’Grady, will britische Arbeiter nicht als Billigkonkurrenz zur EU sehen. TUC leite eine Kampagne zur Schaffung von Arbeitsplätzen, für öffentliche Investitionen und die Stärkung sozialer Rechte ein. Auch Sicherheitsaspekte spielten in der britischen Debatte aus ihrer Sicht eine große Rolle. Sie forderte von den Politikern, dass sie sich mit der anderen Seite der Globalisierung, z.B. Niedriglöhnen, offensiver auseinandersetzen. Das Forum von TUC und DGB in London machte deutlich, dass es kein Gegeneinander der Gewerkschaften im Brexitprozess gibt. Nur klare gemeinsame Positionen der Gewerkschaften können verhindern, dass es auf allen Seiten Verlierer gebe. Die Arbeit an diesen Positionen ist in vollem Gange.