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Bildungsgipfel: Qualität frühkindlicher Bildung stärken!

Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung ist in den letzten Jahren immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Das Anforderungsprofil an die Arbeit von Krippen und Kindertagesstätten ist enorm gestiegen. Damit die Einrichtungen diesen Anforderungen gerecht werden können, müssen auf dem Bildungsgipfel jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden.

1. Der Elementarbereich des Bildungswesens hat sich in den letzten zehn Jahren am stärksten von allen verändert.

Der Kita-Bereich ist in den letzten Jahren enorm aufgewertet worden - beginnend 1998 mit der „Nationalen Qualitätsinitiative im System der Tageseinrichtungen für Kinder“ der Bundesjugendministerin Christine Bergmann bis zum Ausbau der Kita-Plätze für unter dreijährige Kinder, der auf Initiative der derzeitigen Ministerin Ursula von der Leyen im September 2008 beschlossen wurde. In diesen zehn Jahren hat sich vor allem auch qualitativ enorm viel getan. Der Bildungsauftrag der Kita wurde in 16 Kita-Bildungsplänen der Länder und dem „gemeinsamen Rahmen“ der KMK und JMK inhaltlich beschrieben. Dabei geht man generell in allen Ländern (mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, die die Aufgabe der Kita lediglich in der Schulvorbereitung sehen) von einem umfassenden Bildungsverständnis aus. Leitnorm ist § 1 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz), das den rechtlichen Rahmen vorgibt: die Förderung der Entwicklung der Kinder zu einer „eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ und dies mittels „Erziehung, Bildung und Betreuung“.

Diese Aufwertung ist das Ergebnis kontinuierlicher Politik im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen mit Trägern, Wissenschaft, Fachverbänden, Wirtschaft und Gewerkschaft.

Wenn der Bildungsgipfel jetzt so tut, als sei frühkindliche Bildung eine Erfindung der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten, ist dies eine Herabwürdigung des politischen und fachlichen Prozesses. Der Bildungsgipfel soll sich nicht mit fremden Federn schmücken, sondern unterstützen, wo Unterstützung nötig ist. Dazu gehört vor allem, das Budget für frühkindliche Bildung deutlich zu erhöhen. Die Zielgröße muss sein, statt wie zur Zeit 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Zukunft – wie dies erfolgreiche Länder tun und europaweit empfohlen wird - ein Prozent in Kindertagesstätten zu investieren.

2. Bessere Qualität ist die Leistung der Erzieherinnen.

Dort, wo es gelungen ist, auf der Grundlage der neuen Bildungspläne und mit dem Fundus langjähriger Berufserfahrung die Bildungsqualität zu steigern, ist dies das Verdienst der Erzieherinnen. Sie haben sich in Fortbildungen – oft am Wochenende und auf eigene Kosten – qualifiziert, mit ihren Teams neue Konzepte ausgearbeitet und sich trotz widriger Umstände den Herausforderungen gestellt. Weder wurde die Zeit für Vor- und Nachbereitung und die konzeptionelle Arbeit erhöht, noch der Personalschlüssel verbessert oder Leitungen freigestellt.

Wenn der Bildungsgipfel etwas bewegen soll, dann dies: eine deutliche Aufforderung an die Länder und Kommunen, die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen zu verbessern. Nur so wird man die Qualität von frühkindlicher Bildung anheben können. Der Erarbeitung neuer Konzepte frühkindlicher Bildung muss jetzt die Umsetzung folgen und das heißt: ein Personalschlüssel von 1:4 bei unter dreijährigen und von 1:10 bei drei- bis sechsjährigen Kindern. Ein Drittel der Arbeitszeit muss frei sein für Vor- und Nachbereitung, Qualifizierung und Elternarbeit.

3. Sprachkompetenz verbessert man nicht durch Tests, sondern durch bewusst erlebte Kommunikation.

„Sprache ist das Tor zur Welt“, so Ministerin von der Leyen im GEW-Film „Traumjob Erzieherin“. Dem kann man nur zustimmen. Wenn Erziehungswissenschaftler darüber nachdenken, was man zur Verbesserung der Sprachkompetenz tun kann, kommt als Erstes heraus: Sprachstandserhebung, sprich ein Test, mit dem überprüft wird, wie weit das Kind in der Lage ist, die in der Schule bedeutsamen Anforderungen hinsichtlich Wortschatz, Phonetik und Grammatik zu erfüllen. Ein Kind, das den Test nicht besteht, soll gezielt gefördert werden. Ein Kind, das den Test besteht, nicht. Hier zeigt sich der pädagogische Unsinn der Methode testen, Defizite feststellen und ausbessern.

Die Kindertagesstätte hat genügend Zeit, alle Kinder hinsichtlich ihrer Sprachentwicklung zu fördern. Man muss ihr allerdings die Mittel geben, dies auch tun zu können. Das heißt: Zeit für die Beobachtung und Dokumentation der Bildungsprozesse der Kinder während der gesamten Kita-Zeit, eine kommunikativ anregende Lernumgebung, Kontinuität des Personals zum Aufbau von Bindungen, die die Grundlage sind für Zeit für Bildung.

Ein Bildungsgipfel, dem zum Thema Sprachförderung nichts anders einfällt als das Schema „Test und aussondernde Förderung“, hat von den viel zitierten Hirnforschern nichts verstanden: Sprachentwicklung ist ein komplexer Prozess, der Zeit und vielfältige Anregung braucht. Normierung und Stigmatisierung sind der falsche Weg.

4. Quantitativer Ausbau versus qualitativer Entwicklung

Der im September 2008 mit der Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes (KiföG) normierte Ausbau der Angebote für unter dreijährige Kinder wird nur gelingen mit einer massiven Aufwertung des Berufs der Erzieherin. In den nächsten Jahren werden – rechnet man den Ersatz für in Rente gehendes Personal hinzu – jährlich 17.000 Erzieherinnen neu eingestellt werden müssen. Aus den Fachschulen kommen aber jährlich nur 7.000 Absolventinnen. Deutschland hat es schlicht verschlafen, die Zeichen auf Zukunft zu stellen.

Erzieherausbildung an Hochschulen, berufliche Perspektiven in Kindertagesstätten und Grundschulen, deutliche Verbesserung der Gehälter, sichere Vollzeitstellen sind die wichtigsten Markierungspunkte für einen Beruf, der für junge Menschen attraktiv ist. Stattdessen bietet man eine verschlungene Berufsausbildung an Fachschulen mit unbezahlten Praktika und ohne BaföG, einen Berufseinstieg, der für die Hälfte der jungen Erzieherinnen nur befristete Teilzeitstellen vorsieht und ein Einstiegsgehalt von 1.922 Euro, das sich nach 15 Berufsjahren nach derzeitigem Tarifrecht zu einem Spitzengehalt von 2.407 Euro hochschleppt. Da kann man es verstehen, wenn sich eine junge Frau für den Einzelhandel mit Durchschnittsgehältern von 2.700 Euro oder für den Beruf der Bankkauffrau mit 2.900 Euro entscheidet.

In der Not, den gesetzlichen Ausbau der Plätze hinzubekommen, versucht man jetzt, alle Reserven aus dem Arbeitsmarkt herauszuholen. Mit Kurzausbildungen will man Personal gewinnen. Dieses Personal stellt man dann als Hilfserzieherinnen an und bezahlt sie nach den Vorgaben des TVöD mit einem Monatsgehalt von 1.675 Euro. Welche Qualität von Bildung und Erziehung soll das sein, die einen Stundenlohn von 10,16 Euro Wert ist?

Der Bildungsgipfel muss klar zum Ausdruck bringen: Wir wollen keinen Ausbau der Plätze auf billigstem Qualitätsniveau. Weil Kinder ein Recht auf Erziehung und Bildung haben, brauchen wir gut ausbildete Erzieherinnen mit guten Arbeitsbedingungen und angemessener Bezahlung.

Die Länder müssen den Weg frei machen für den weiteren Aufbau von Bachelor-Studiengängen für Erzieherinnen und die Durchlässigkeit von Fachschule und Hochschule ermöglichen. Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und die Wohlfahrtsverbände müssen endlich Verhandlungen aufnehmen für eine neue Eingruppierung von Erzieherinnen. Die Gewerkschaften fordern ein Gehalt auf dem Niveau von Entgeltgruppe 9 TVöD, also dem Niveau eines Bachelor-Abschlusses.


Bernhard Eibeck
GEW-Hauptvorstand
Referent für Jugendhilfe