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Kommentar

Bildung krisenfest machen

Wenn die Kultusministerkonferenz (KMK) sowohl für die Schulen als auch die Hochschulen Präsenz verspricht, dann müssen diesem Versprechen auch Taten folgen.

Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissen
Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW, Foto: GEW)

Inzwischen sind nahezu alle Schulen in das neue Schuljahr gestartet, das Kita-Jahr hat längst begonnen, das Wintersemester steht kurz bevor. Und erneut sind die Unsicherheiten groß – genau wie die Hoffnungen auf so viel Normalität wie möglich. Alle Beteiligten sehnen sich nach einem Jahr mit Präsenz, mit gemeinsamem Lernen und Gemeinschaftserlebnissen sowie einer verlässlichen Jahresplanung. Aber: Die Pandemie dauert nun bereits eineinhalb Jahre an, sie hat die Schwächen unserer Bildungssysteme gnadenlos offengelegt – passiert ist zu wenig, um die Defizite zu beheben.

Zu Beginn der Pandemie sind wir alle von der Situation überrascht worden und konnten nur reagieren, spätestens im Frühsommer des vergangenen Jahres hätten aber alle Betroffenen bei der Debatte um Maßnahmen in Kitas, Schulen, Hochschulen und Weitbildungseinrichtungen beteiligt werden müssen. Vor dem jüngsten Schuljahr hatten die Kultusminister*innen verkündet, man wolle möglichst viel Normalität in der Schule – dafür getan haben sie aber zu wenig. Das gleiche gilt für Kitas, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen.

Hohe Impfbereitschaft

Inzwischen haben alle Beschäftigten sowie die Studierenden die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, die Impfbereitschaft der Lehrkräfte ist mit über 80 Prozent sehr hoch. Impfen ist neben Hygienemaßnahmen, einem Testkonzept, baulichen Investitionen und mehr Personal eine Säule zur Bekämpfung der Pandemie. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, Kinder und Jugendliche von zwölf bis 17 Jahren zu impfen, ist eine Grundlage für die Immunisierung dieser Altersgruppe. Niedrigschwellige Impfangebote sind sinnvoll, sichergestellt muss dabei sein, dass die Eltern und Ärzte einbezogen sind. Impfen kann kein Angebot der Schule sein, dafür muss externes und medizinisches Personal zur Verfügung stehen. Für die Teilnahme an Unterricht oder Vorlesung kann eine Impfung keine Voraussetzung sein.

Versprechen müssen Taten folgen

Tests sind genau diese Voraussetzung. Das heißt aber, dass diese nichts kosten dürfen, sowohl an Schulen als auch an Hochschulen. Das ist gerade unter dem Aspekt der Chancengleichheit wichtig. Studierende haben in den vergangenen Monaten stark unter Corona gelitten, nicht nur wegen fehlender Präsenzveranstaltungen, viele sind bei der Finanzierung ihres Studiums an ihre Grenzen gestoßen. Wenn Tests für die Teilnahme am Studium kostenpflichtig werden, bedeutet das gerade für Studierende aus ärmeren Familien, die sich nicht impfen lassen wollen, eine hohe finanzielle Belastung, die zum Studienabbruch führen kann.

Wenn die Kultusministerkonferenz sowohl für die Schulen als auch die Hochschulen Präsenz verspricht, dann müssen diesem Versprechen auch Taten folgen. Es ist unerlässlich, die extrem hohe Belastung der Kolleg*innen und Schulleitungen zu reduzieren, indem mehr Personal an den Schulen (pädagogisches und nicht-pädagogisches) beschäftigt und der Druck gesenkt wird, beispielsweise durch eine geringere Unterrichtsverpflichtung.

Der Digitalpakt muss endlich so umgesetzt und ausgeweitet werden, dass allen Beschäftigten sowie Schüler*innen und Studierenden ein digitales Endgerät zur Verfügung steht und IT-Expert*innen für eine stabile Infrastruktur sorgen.

Unser Ziel ist die Vereinbarkeit des Rechts auf Bildung mit guten Arbeitsbedingungen und gutem Arbeits- und Gesundheitsschutz für alle. Dafür gilt es, Leitlinien zu entwickeln, an denen sich die Bildungseinrichtungen orientieren können. In diesen müssen ein Testkonzept und der Umgang mit Quarantäneanordnungen geregelt werden. Genauso braucht es eine neue Regelung für die Bestimmung der Infektionslage, die Inzidenzwerte sind sicherlich anders einzuordnen als vor einem Jahr, als es noch keinen Impfstoff gab; sie jedoch einfach ohne neue oder erweiterte Kriterien wegzulassen, ist keine Lösung.

Der Digitalpakt muss endlich so umgesetzt und ausgeweitet werden, dass allen Beschäftigten sowie Schüler*innen und Studierenden ein digitales Endgerät zur Verfügung steht und IT-Expert*innen für eine stabile Infrastruktur sorgen. Unsere Forderung: Macht die Bildungseinrichtungen endlich krisenfest!

Die Richtschnur für die Maßnahmen in der Schule sollen nach Ansicht der GEW die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sein. Dafür schlägt die GEW ein Fünf-Punkte-Programm vor:

5-Punkte-Programm zum Gesundheitsschutz an Schulen
Ab der 5. Klasse muss das gesellschaftliche Abstandsgebot von 1,5 Metern gelten. Dafür müssen Klassen geteilt und zusätzliche Räume beispielsweise in Jugendherbergen gemietet werden.
Um die Schulräume regelmäßig zu lüften, gilt das Lüftungskonzept des Umweltbundesamtes. Können die Vorgaben nicht umgesetzt werden, müssen sofort entsprechende Filteranlagen eingebaut werden.
Die Anschaffung digitaler Endgeräte für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler muss endlich beschleunigt werden. Flächendeckend müssen eine datenschutzkonforme digitale Infrastruktur geschaffen und IT-Systemadministratoren eingestellt werden. Zudem müssen die Länder Sofortmaßnahmen zur digitalen Fortbildung der Lehrkräfte anbieten.
Für die Arbeitsplätze in den Schulen müssen Gefährdungsanalysen erstellt werden, um Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler besser zu schützen.
Transparenz schaffen: Kultusministerien und Kultusministerkonferenz müssen zügig ihre Planungen umsetzen, wöchentlich Statistiken auf Bundes-, Landes- und Schulebene über die Zahl der infizierten sowie der in Quarantäne geschickten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zu veröffentlichen. „Wir brauchen eine realistische Datenbasis, um vor Ort über konkrete Maßnahme zu entscheiden“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. 

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.