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Bildung für Alle – aber wie?

Rund vierzig meist afrikanische Gewerkschafter debattieren mit der GEW über Bildung für Alle und die Globale Bildungskampagne. Schuld an der Misere sind demnach vor allem: Die Regierungen Afrikas.

Fotos: Jeannette Goddar, Manfred Brinkmann

Der Mann in dem strahlend blauen Kaftan benötigt keine drei Sätze, um auf den Punkt zu kommen. In einem Zelt, das mehr als nur kleine Löcher aufweist und durch das im zurzeit trockenen Dakar zum Glück nur der Wind zieht, ergreift Atton Diaw inmitten von Lehrern, Studenten und Gewerkschaftern das Wort. Gute Schulen, sagt er, bräuchten drei Dinge: Zugang, Qualität, Finanzierung. Und dann, sagt der Zwei-Meter-Mann, wild gestikulierend: „Und unsere Schulen sehen eher so aus wie dieses Zelt!“ In beeindruckender Präzision legte der Lehrer dar, wie viele lose Enden im Senegal miteinander verknüpft gehörten: Den Schulen in der Stadt fehlt es an Material, den Dörfern auf dem Land an Schulen schlechthin. „Und selbst wenn wir den Zugang für alle hinbekommen,“ sagt er, „wo soll die Qualität herkommen?“ Wie in vielen afrikanischen Ländern wurde im Senegal zwar die kostenlose Grundschulbildung eingeführt – aber für Lehrer war kein Geld da. Also sitzen bis zu 110 Kinder in der Klasse; oder Freiwillige übernehmen den Unterricht. Immerhin, assistierte seine Kollegin Amy Sari, könne heute nicht mehr jeder 15jährige binnen weniger Monate zum Lehrer ausgebildet werden: Seit Neuestem ist der High-School-Abschluss Pflicht!

„Ernüchterung Jetzt!“ – so hätte sich die GEW-Veranstaltung auch überschreiben lassen. Rund vierzig Männer und Frauen, fast alle Bildungsgewerkschafter, hatten auf wundersame Weise in dem allgemeinen WSF-Chaos das richtige Zelt gefunden. Die meisten kamen aus afrikanischen Ländern, und längst nicht nur aus dem Senegal – auch aus Togo und Benin, Ghana und Burkina Faso und sogar aus dem kaum gegründeten Staat Süd-Sudan. Unter dem Motto „Bildung für Alle“ lauschten sie der Veteranin der Globalen Bildungskampagne, der Hamburger GEW-lerin Barbara Geier bei ihrem Vortrag über all die Anlässe für die Kampagne. In vier Jahren soll jedes Kind auf der Welt eine achtjährige Grundbildung erhalten. So haben es die Vereinten Nationen – übrigens genau in Dakar, wo nun das Weltsozialforum stattfindet – vor mehr als zehn Jahren vereinbart. Wie weit man davon entfernt ist, verdeutlicht in Kürze eine einzige Zahl: Mindestens 62 Millionen Kinder weltweit, unter ihnen mehr Mädchen als Jungen, müssen immer noch ohne Grundschulbildung ins Leben starten. Bereits seit 1999, also noch länger als die Millenniumsziele Druck auf die Regierungen ausüben (sollen), beteiligt sich die GEW mit neun weiteren Organisationen an dem deutschen Part der weltweiten Kampagne Education for All.


Als Barbara Geier die vorgestellt hatte, gab es auf den Stühlen kein Halten mehr. Einer nach dem anderen stand auf - und erzählte im Prinzip immer die gleiche Geschichte. Meist war sie mit dem Schildern des Mangels nicht zu Ende: Die Mehrheit der afrikanischen Gewerkschafter machte nicht etwa das mangelnde Engagement des Westens – kaum ein Land bringt die für 2015 angepeilten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auf - verantwortlich: Sondern ihre Regierungen, die Bildung irgendwo anders als an erster Stelle auf ihrer Prioritätenliste stehen haben. „Das größte Problem sind unsere Staatschefs,“ konstatierte der Vorsitzende der GEW-Partnergewerkschaft SYNTER aus Burkina Faso, Mamadou Barro, nüchtern. Mehrfach war von Regierungschefs die Rede, die lieber Flugzeuge für sich als Bildung für alle kaufen. Samuel Ngouanken, der im ghanaischen Accra die internationale Bildungsgewerkschaft Education International vertritt, forderte, sich um eine fundamentale Änderung der Verhältnisse zu bemühen: „Wir brauchen nicht in erster Linie Fahrräder für den Schulweg oder Mittagessen in der Schule. Wir brauchen den Kampf für mehr Demokratie!“ Paolino Tipo aus Süd-Sudan ging noch weiter: All die Fortschritte, die Bildung bringen könne – von gesünderen Menschen über mehr Einkommen bis zu einem höheren Entwicklungsstand eines Landes – seien für viele Regierungen gar nicht wichtig. Entscheidend sei: „Auf ungebildete Menschen lässt sich viel leichter Druck ausüben! Da, so Tipo, käme dann auch die internationale Gemeinschaft ins Spiel: „Helft uns, Gegendruck aufzubauen!“