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Digitalisierung

Big Data in der Bildung

In der schulischen Medienbildung wird nach Ansicht von Experten zu wenig über die gesellschaftlichen Folgen der digitalisierten Welt aufgeklärt. Auch die KMK-Digitalstrategie gehe nicht genug auf das Erlernen einer kritischen Mediennutzung ein.

Eine Software, die erkennen soll, welcher Flüchtling zum Terroristen werden könnte. Ein Programm, das vorhersagt, ob jemand Kinder sexuell missbrauchen könnte. Und Algorithmen, die nach 280 Facebook-Likes eines Mannes nahezu so viel über diesen wissen wie seine Ehefrau. Was früher Science Fiction war, ist unter dem Stichwort Big Data längst Teil unseres digitalisierten Alltags, wie ihn Harald Gapski, Leiter der Forschung am Grimme Institut, bei der Fachtagung „Digitale Welt als Thema in Schule und Unterricht“ von Kultusministerkonferenz (KMK) und Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) skizzierte.

In der Schule kommt diese Seite der Digitalisierung nach Ansicht der Tagungsteilnehmenden jedoch noch kaum vor. Auch das 2016 von der KMK vorgelegte Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ konzentriere sich mehr auf die Fähigkeit, neue Medien zu bedienen, als diese zu verstehen und kritisch zu reflektieren. „Was bedeutet etwa der Einsatz von automatischer Gesichtserkennung für eine Gesellschaft? Darauf würde ich schulisch mehr Aufmerksamkeit richten als auf technische Details“, sagte Gapski. Für ihn sind künftig drei Bereiche wichtig: kritisches Denken, kulturell-ethische und politische Bildung.

Digitale und politische Bildung verbinden soll die vorgestellte Plattform „aula – Schule gemeinsam gestalten“ des Vereins politik-digital. Auf „aula“ können Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse online und didaktisch begleitet Ideen zu Unterrichtsthemen, Veranstaltungen oder Raumgestaltung einbringen, diskutieren und abstimmen. Als Unterstützung für Lehrkräfte wurde die EU-Initiative „Klicksafe“ präsentiert, die online Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellt. Unter „Ethik macht klick: Werte-Navi fürs digitale Leben“ gibt es auch einen Baustein zu Big Data.

Ideen und Materialien für spannende, digitale Projekte gebe es, waren sich die Tagungsteilnehmenden einig. Lehrkräfte bräuchten aber mehr Zeit, um diese im Unterrichtsalltag auch realisieren zu können. An die KMK formulierten sie eine Handlungsempfehlung: 20 Prozent der Arbeits- und Unterrichtszeit sollten nicht mit prüfungsrelevanten Inhalten verplant werden, sondern für fächerübergreifendes Lernen zur Verfügung stehen.

Warten auf den Bund

An vielen Punkten treten die Diskussionen derweil weiter auf der Stelle, wie die Workshops zeigten: Wo in der Schule soll der Ort für Bildung über Medien sein? Mit welchen Medien und Methoden soll gelehrt und gelernt werden? Welche neuen Wege muss die Lehrkräfteaus- und -fortbildung gehen? Und baut jedes Land seine eigene Bildungsplattform auf oder wird es wie im KMK-Papier angedeutet eine bundesweite Infrastruktur geben?

Mit Blick auf die politische Bildung plädierten ausgerechnet Digitalexperten für mehr Analoges. Sowohl Katharina Zweig, Professorin im Fachbereich Informatik an der Universität Kaiserslautern, als auch Wolfgang Sander, Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen, forderten mehr Zeitungslektüre im Unterricht.

Unterdessen drängt die Zeit: Zwar soll laut KMK erst bis 2021 jede Schülerin bzw. jeder Schüler Zugang zu einer digitalen Lernumgebung haben. Doch schon ab dem Schuljahr 2018/19 sollen die im sogenannten Kompetenzrahmen formulierten Fähigkeiten erworben werden. Um den vom Bundesbildungsministerium 2016 angekündigten, milliardenschweren Digitalpakt für die technische Ausstattung von Schulen sorgt sich Heidi Weidenbach-Mattar, Ständige Vertreterin des KMK-Generalsekretärs, dabei nicht: „Wir gehen davon aus, dass dieser Strang weiterverfolgt wird, sobald sich die neue Bundesregierung gefunden hat.“