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Hochschulen in der Corona-Krise

Betriebsschließung oder Remote Work?

Die Hochschulen in Deutschland stellen in der Coronavirus-Pandemie ihren Präsenzbetrieb ein. Im Umgang mit der Krise fordert die GEW bundesweite Standards und setzt sich für die Studierenden, prekär Beschäftigten und besonders Schutzbedürftigen ein.

Foto: Paul J. West / shutterstock

„Sinnvoll und leider ohne Alternative“ so nannte Peter-André Alt, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), in einer Pressemitteilung am 13. März die Verschiebung des Vorlesungsbeginns im Sommersemester angesichts der Corona-Krise. Es stellt sich bei genauerer Betrachtung die Frage: Was genau wird eigentlich verlegt? Ist es die Vorlesungszeit (Nordrhein-Westfalen), nur die Präsenzlehre (Sachsen) oder wird der Betrieb ganz geschlossen (Universität Rostock)? Es gilt der föderale Grundsatz und die Hochschulautonomie: Alle machen das gleiche, aber ein bisschen anders. Die Hochschulen regeln die Einzelheiten: An einigen Hochschulen werden alle Prüfungen bis auf weiteres ausgesetzt, an anderen werden Prüfungen im allseitigen Einvernehmen und nach Maßgabe der Gesundheitsämter ermöglicht. Die Frage, ob es digitale Ersatzlehrangebote gibt, regeln die Hochschulen, die Fachbereiche oder sogar die einzelnen Lehrenden nach eigenem Ermessen.

Digitale Lehre darf nicht im Hauruck-Verfahren prüfungsrelevant werden!

GEW-Hochschulexperte Andreas Keller warnte: „Auf eine flächendeckende Umstellung auf digitale Lehre sind die Hochschulen derzeit weder technisch noch pädagogisch vorbereitet. Sie darf daher nicht im Hauruck-Verfahren prüfungsrelevant werden.“ Adrian Weiß, einer der Sprecherinnen und Sprecher des Bundesausschusses der Studentinnen und Studenten der GEW (BASS) sieht das genauso: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass schnell eingeführte digitale Kurse alle Studierenden erreichen, den Seminarraum samt kompetenter Seminarleitung ersetzen können und dabei die Server nicht überlasten.“

„Viele typische Studi-Jobs, etwa in der Gastronomie, fallen jetzt der Krise zum Opfer.“ (Andreas Keller)

„Die Studierenden brauchen finanzielle Sicherheit, um sich überhaupt auf das Studium konzentrieren zu können”, sagte GEW-Hochschulexperte Keller. Für die BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) per Erlass am 13. März geregelt, dass BAföG-Zahlungen auch bei Prüfungsausfall und Hochschulschließungen weiterlaufen, Aussagen zur Verlängerung der Förderungsdauer gibt es bisland nicht. Keller erklärte: „67% aller Studierenden jobben während des Studiums. Viele typische Studi-Jobs, etwa in der Gastronomie, fallen jetzt der Krise zum Opfer. Eine Lösung dafür derzeit ebenfalls nicht in Sicht.“

Besonders hart trifft das ausländische Studierende. Der Bundesverband ausländischer Studierender (bas) hat sich in einem Schreiben vom 17. März an die Innen- und Wissenschaftersministerien der Länder gewendet und schlägt die Einrichtung eines Notfallfonds für in Not geratene ausländische Studierende sowie den Zugang zu BAföG vor. Auch der World University Service (WUS) appelliert an die Bundesregierung und die Landesregierungen, bei ihren Hilfspaketen für die Wirtschaft die entsprechenden Notfonds für unverschuldet in Not geratene ausländische Studierende angemessen zu erhöhen.

Verdienstausfall für Lehrbeauftragte

In den Erklärungen der Hochschulrektorenkonferenz, der Kultusministerkonferenz, der einzelnen Länder und Hochschulen fehlen durchweg Aussagen zu den Regelungen für die Lehrenden, die ohnehin am wenigsten vertraglich geschützt sind: die Lehrbeauftragten. Diese werden im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eigener Art beschäftigt und für jede gehaltene Lehrveranstaltungsstunde bezahlt. Fallen die Stunden in Folge eines verkürzten Semester aus, erhalten sie keine Vergütung. Da sie keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, haben sie auch keinen Anspruch auf Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld.

„Lehrbeauftragte an den Hochschulen sind von der Krise besonders hart getroffen. Für die vielen Sprachlehrbeauftragten, die Intensivkurse in der vorlesungsfreien Zeit anbieten, entsteht der Verdienstausfall sofort,“ erklärte Keller. „Dies gilt auch für Lehrbeauftragte an den Fachhochschulen, deren Semesterbetrieb im März schon begonnen hat. Wir fordern die Hochschulen auf, den Verdienstausfall der Lehrbeauftragten vollständig zu kompensieren, wie dies beispielsweise die Universität Wien angekündigt hat.“

„Auslaufende Arbeitsverträge müssen reibungslos und unterbrechungsfrei verlängert werden.“ (Andreas Keller)

Rund 80 Prozent des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen neben der Professur werden mit einem Zeitvertrag abgespeist, bei den wissenschaftlichen Angestellten an Universitäten sind es sogar knapp 90 Prozent. Läuft ihr befristeter Arbeitsvertrag jetzt aus, ist die Versuchung der Hochschulen groß, die Verlängerung auszusetzen, weil nicht nur der Lehr-, sondern auch der Forschungsbetrieb mehr und mehr zum Erliegen kommt – in Folge geschlossener Bibliotheken, Archive und Labors, abgesagter Konferenzen und Forschungsreisen. Auslaufende Arbeitsverträge müssen daher reibungslos und unterbrechungsfrei verlängert werden“, mahnt GEW-Vize Keller. Das gelte auch für Stellen in drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten, wo neben der Hochschule der Zuwendungsgeber gefragt sei. „Der Löwenanteil der Drittmittel kommt von der öffentlichen Hand. Wir erwarten daher von Bund und Ländern, dass die mit staatlichen Geldern finanzierten Forschungsprojekte fortgeführt und verlängert, die darin tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht auf die Straße gesetzt, sondern weiterbeschäftigt werden“, sagte Keller.

Besonders betroffen sind an den Hochschulen studentische Beschäftigte und wissenschaftliche Hilfskräfte. Ihre Arbeitsverträge werden häufig nur für ein Semester oder kürzer ausgestellt. Der Semesterbeginn, der 1. April, ist für eine erhebliche Anzahl der insgesamt rund 120.000 studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften ein typischer Zeitpunkt für einen Vertragsbeginn oder eine Verlängerung, die Verträge werden meist auf den letzten Drücker ausgestellt. „Es dürfen keine Gehaltsausfälle oder Vertragslücken entstehen“, sagte Keller. Die Universität Erlangen-Nürnberg geht hier mit gutem Beispiel voran und verlängert alle Verträge wie beantragt, flankiert von Homeoffice-Regelungen.