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Bedingungen für Inklusion an Berufsschulen

Auch an Berufsschulen ist inklusiver Unterricht möglich. Dafür müssen aber nicht nur Räume und Lernmaterialien angepasst werden. Pädagoginnen und Pädagogen brauchen Kapazitäten, um alle Jugendlichen individuell fördern zu können.

Foto: dpa

Sich mit inklusivem Unterricht in beruflichen Schulen zu beschäftigen, setzt einige Überlegungen voraus. Zunächst ist der Inklusionsbegriff zu klären. Um nicht nur gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention jungen Menschen mit anerkannten Behinderungen die Teilhabe an einer Berufsausbildung zu ermöglichen, sondern allen Ausbildungsinteressierten – d. h. auch jenen, die aufgrund ihrer Schulabschlüsse, ihrer sozialen oder regionalen Benachteiligungen, ihrem Migrations- oder Fluchthintergrund keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden –, wird Inklusion hier im erweiterten Sinne der UNESCO verstanden. So könnten alle Ausbildungsinteressierten unmittelbar nach ihrem allgemeinbildenden Schulbesuch eine Berufsausbildung beginnen. Dies setzt allerdings voraus, dass neben Betrieben auch berufliche Schulen und außerbetriebliche Einrichtungen Ausbildungsplätze anbieten können. Die dort erreichten Qualifikationen sollten den Auszubildenden bei einem Wechsel zwischen den Lernorten auf die Ausbildung angerechnet werden. Alle Lernorte sollten die Jugendlichen über individualisierte Lehr-Lern-Arrangements ihren individuellen Stärken und Schwächen entsprechend fördern.

An beruflichen Schulen ist gemeinsames Lehren und Lernen in heterogenen Klassen, das heißt so verstandener inklusiver Unterricht, nur unter den folgenden Bedingungen zu realisieren:

  • Strukturelle Voraussetzungen: Schülerinnen und Schüler ihren individuellen Voraussetzungen gemäß zu fördern, erfordert binnendifferenzierten Unterricht, in dem Lehrkräfte mit einem entsprechenden Personalschlüssel im Team mit sozial- und sonderpädagogischen Fachkräften unterrichten. Alle Teammitglieder sind von Verwaltungsaufgaben zu entlasten, damit sie ihre Arbeitszeit für die individuelle Förderung der Jugendlichen verwenden können – und zudem Kapazitäten haben, um sich mit Beratungsstellen oder sozialen Diensten zu vernetzen, damit sie die jungen Menschen bei Bedarf dorthin vermitteln können. Raumkonzepte und Lernmaterialien sind an den binnendifferenzierten Unterricht anzupassen.
  • Kulturelle Voraussetzungen: Im Zentrum von Schulentwicklung sollte eine Schulkultur stehen, in der nicht nur die Jugendlichen, sondern alle Mitglieder der Schule – pädagogisches Personal ebenso wie die in Leitung, Verwaltung und im Gebäudemanagement Tätigen – in ihrer Individualität wertgeschätzt werden. Ferner wäre ein Selbstverständnis zu entwickeln, nach dem nur in gemeinsamer Anstrengung aller Schulmitglieder die Leistungen und Lebenssituationen der Jugendlichen verbessert werden können. Zudem müssen die Schülerinnen und Schüler an allen relevanten Entscheidungsgremien beteiligt sein, nach dem Motto: „Sprecht nicht über uns, sondern mit uns!“
  • Personelle Voraussetzungen: Lehr- und sozial- sowie sonderpädagogischen Fachkräfte sollten die individuellen Lernvoraussetzungen ihrer Schülerinnen und Schüler anerkennen, wertschätzen und sie als Ressource im binnendifferenzierten Unterricht nutzen. Sie sollten in multiprofessionellen Teams unterrichten und den einzelnen Jugendlichen regelmäßig präzises, wertschätzendes und Lernchancen aufzeigendes Feedback geben. Dies setzt voraus, Unterrichtsziele und Benotungskriterien transparent zu kommunizieren und die Schülerinnen und Schüler durch individuelle Beratung so zu unterstützen, dass sie diese Ziele erreichen können.

Schulpolitik ist dafür verantwortlich, die skizzierten Voraussetzungen für inklusiven Unterricht zu schaffen. Daneben sind Fortbildungen für Schulleitungen sowie Lehr-, sozial- und sonderpädagogische Fachkräfte notwendig. Nicht zuletzt sollte die inklusive Gestaltung des Unterrichts in beruflichen Schulen sowie der gesamten Berufsausbildung in pädagogischen Studiengängen stärker als bisher thematisiert werden.