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Beamtenbesoldung in Rheinland-Pfalz verfassungswidrig

Nach einem Gutachten des renommierten Verfassungsrechtlers Prof. Ulrich Battis ist das rheinland-pfälzische Landesbesoldungsgesetz nicht verfassungskonform. Auch die sogenannte Ausgleichzulage, die das Land Berlin zahlt, ist laut Battis verfassungswidrig. Die Vorstellung des Gutachtens bildete den Höhepunkt einer GEW-Fachtagung zur Föderalisierung des Dienstrechts und den Ausgangspunkt einer interessanten Debatte.

„Die Alimentation der Beamten in Rheinland-Pfalz und Berlin entspricht nicht mehr den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Beamten in Rheinland-Pfalz erbringen ein Sonderopfer – eben das hat das Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt“, betonte die Beamten- und Tarifexpertin der GEW, Ilse Schaad, auf der Föderalismus-Tagung am 5. Februar in Berlin. Rheinland-Pfalz hat im letzten Jahr ein Gesetz verabschiedet, nach dem sich die Besoldung der Beamtinnen und Beamten bis einschließlich 2016 jährlich um je ein Prozent erhöhen soll. Damit signalisiert die Landesregierung, dass die Besoldung künftig weder von den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst der Länder noch von der Inflationsrate beeinflusst werden kann. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes machen seitdem gegen die Entscheidung mobil und wollen, wenn die Landesregierung sich nicht bewegt, auch Beamtinnen und Beamte zu Protesten und Streiks aufrufen.

In Berlin wiederum zahlt das Land Beamtinnen und Beamten, die aus einem anderen Bundesland nach Berlin kommen, lebenslang die Differenz zwischen der höheren Besoldung etwa in Bayern oder Hessen und der niedrigeren in der Hauptstadt. Konkret heißt das: Verbeamtete Lehrkräfte, die mit gleicher Ausbildung an derselben Schule unterrichten, aber aus unterschiedlichen Bundesländern stammen, werden in Berlin unterschiedlich besoldet.

Länder gut beraten, Ergebnisse auf Beamte zu übertragen
Mit Blick auf die aktuell laufende Tarifrunde für die im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigten unterstrich Schaad, die für die GEW die Verhandlungsführung innehat: „Die Länder sind gut beraten, die Ergebnisse der Tarifrunde ohne Wenn und Aber wirkungsgleich auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen. Wenn die Länder weiterhin nach Gutdünken vor sich hin wursteln und die Besoldung der Beamten absenken, werden sie künftig mit Klagen rechnen müssen.“ Auch die Besoldung in anderen Bundesländern stößt laut Gutachten schon jetzt an die Grenzen des Grundgesetzes, sei aber noch verfassungskonform.

Seit der Föderalismusreform I im Jahr 2006 dürfen die Bundesländer die Besoldung ihrer Beamten eigenständig regeln. Das hat zu großen Unterschieden in der Besoldung geführt, wie auf der Tagung ausgiebig diskutiert wurde. Prof. Dr. Lothar Knopp von der Uni Cottbus stellte anhand einiger Beispiele dar, wie weit die Besoldung der Beamtinnen und Beamten bei gleichem Amt inzwischen auseinanderliegt. Die Spanne reicht von einem Unterschied von knapp 290 Euro brutto pro Monat in Besoldungsgruppe A7 bis zu mehr als 1000 Euro mehr Grundgehalt bei einem Professor in Besoldungsgruppe W3. Dabei hat durchgehend Bayern den Platz 1 inne, während Berlin das Schlusslicht bildet.

Die finanzschwachen Länder bleiben auf der Strecke
Die konsequente Schlussfolgerung der GEW aus dieser Entwicklung: Der Bund braucht wieder mehr Kompetenzen im Beamtenrecht. Anders lässt sich ein weiteres Auseinanderdriften von Besoldung, Versorgung und Laufbahnrecht nicht aufhalten. GEW-Vorstandsmitglied Schaad erläuterte während der Tagung: „Die finanzschwachen Länder bleiben ansonsten bei der Gewinnung qualifizierten Personals auf der Strecke. Das gilt insbesondere für Lehrkräfte: Schon jetzt gibt es in vielen Regionen fächer- und stufenspezifischen Lehrermangel“. Schaad wies auch auf die anrollende Pensionierungswelle im Lehrerbereich hin: „Das dicke Ende kommt erst noch.“

In einer Podiumsdiskussion zogen auch die von der GEW eingeladenen Experten Bilanz. Wilhelm Hüllmantel, der im Bayerischen Finanzministerium die Abteilung Dienstrecht leitet, verteidigte die Unterschiede und warnte vor Neiddebatten. Wäre das Beamtenrecht einheitlich, würden manche Beamte weniger verdienen als heute, weil die Besoldung insgesamt weniger stark angestiegen wäre, so Hüllmantel. Die anderen Länder könnten sich zudem ein Beispiel an Bayern nehmen, betonte er.

Carlos Sievers, Deutschlands dienstältester Landesbeamtensekretär vom DGB-Bezirk Nord und dort gleich für drei Bundesländer zuständig, widersprach dieser Einschätzung. Erstens sei der Bund finanziell weniger unter Druck als die Bundesländer und zweitens stünden dann nicht einzelne Länder unter dem Rechtfertigungsdruck, dass sie ihren Beamten mehr Geld zugestehen, obwohl sie im Länderfinanzausgleich Netto-Empfänger sind.

Systematische Schlechterstellung von Lehrkräften keine Petitesse
Dr. Reinhard Rieger, Leiter des Personalamtes Hamburg, erinnerte daran, dass das Problem, zwei Leute bei gleicher Arbeit verschieden zu bezahlen, im öffentlichen Dienst schon uralt sei: Es bestehe auch zwischen Beamten und Angestellten, und da gehe es seiner Einschätzung nach auch gut.
Ilse Schaad wiederum betonte, wer über Beamte rede, könne über die Lehrkräfte nicht hinweggehen. Sie stellten die Hälfte aller Landesbeamten. „Dass man 60 Prozent der Lehrkräfte – wohl nicht zufällig die Bereiche, wo 8o Prozent Frauen arbeiten –, systematisch schlechter bezahlt als andere Akademiker mit Masterabschluss, ist doch keine Petitesse“, befand Schaad.

Andreas Meyer-Lauber, DGB-Bezirksvorsitzender aus NRW, erinnerte in seinem Schlusswort daran, dass die Föderalismusreform I 2005 weitgehend ohne öffentliche Debatte Teil des Koalitionsvertrages der großen Koalition wurde. Er bewertete dies als Teil der neoliberalen Akzentverschiebung, nach der die Demokratie zum Markt passen müsse und nicht umgekehrt. Meyer-Lauber wies darauf hin, dass der Weg zum Wettbewerbsföderalismus 2006 von allen großen Parteien mitgetragen worden sei.