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BAG entscheidet: Strukturausgleich auch bei Herabgruppierung

Das Bundesarbeitsgericht hat am 14. April 2011 (Aktenzeichen 6 AZR 726/09) entschieden, dass der Strukturausgleich bei einer Herabgruppierung weitergezahlt werden muss. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der entsprechenden Tarifregelung sind für den Strukturausgleich ausschließlich die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen, die zum Überleitungsstichtag bestanden haben, maßgeblich. Später eintretende Veränderungen wirken sich nur noch aus, wenn dies von den Tarifvertragsparteien explizit geregelt ist. Solche Regelungen gibt es zwar bei Höhergruppierungen und bei Veränderungen im Beschäftigungsumfang, jedoch nicht bei Herabgruppierungen.

Entscheidungsinhalt
Streitig war, ob Beschäftigte mit Anspruch auf einen Strukturausgleich diesen verlieren, wenn sie herabgruppiert werden. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu entschieden, dass es für den Anspruch auf einen Strukturausgleich ausschließlich darauf ankommt, dass die Anspruchsvoraussetzungen am Überleitungsstichtag erfüllt sind. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung: § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund (wortgleich mit den entsprechenden Regelungen im TVÜ-VKA, TVÜ-Länder, der durch Verweisung auch für Berlin gilt, und TVÜ-Hessen) regelt, dass der maßgebliche Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag und Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist.

Verändern sich die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Stichtag, ist dies für den Strukturausgleich unerheblich, es sei denn, dass die Tarifvertragsparteien den Wegfall oder eine Minderung des Strukturausgleichs ausdrücklich geregelt haben. Das ist für die Herabgruppierung nicht der Fall. Nach den Überleitungstarifverträgen ändert sich der Strukturausgleich nur bei einer Höhergruppierung und bei der Veränderung des Beschäftigungsumfangs. Im Fall einer Höhergruppierung wird der so genannte Höhergruppierungsgewinn auf den Strukturausgleich angerechnet. Bei einer Veränderung des Beschäftigungsumfangs wird der Strukturausgleich an den neuen Beschäftigungsumfang angepasst.

 
Keine Minderung des Strukturausgleichs bei vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit
Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich mittelbar auch, dass der Strukturausgleich in unveränderter Höhe fortzuzahlen ist, wenn der/dem Beschäftigten vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen wird. Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit unterscheidet sich von der Höhergruppierung. Bei der Höhergruppierung ist die höherwertige Tätigkeit als vertraglich geschuldete Leistung dauerhaft zu erbringen. Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit trägt dagegen nicht nur vorübergehenden Charakter, sondern beruht auf dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Diesem unterschiedlichen Charakter wird auch dadurch entsprochen, dass bei der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit die Eingruppierung unverändert bleibt und nur eine persönliche Zulage gezahlt wird. Bei Lehrkräften sind im Hinblick auf die Zahlung einer persönlichen Zulage die besoldungsrechtlichen Regelungen zu beachten.
Höhergruppierungsgewinne mindern den Strukturausgleich im entsprechenden Umfang. Das gilt auch für Höhergruppierungen aufgrund der Besitzstandsregelungen für noch nicht vollendete Bewährungs- und Tätigkeitsaufstiege für übergeleitete Beschäftigte mit Entgelt aus den Entgeltgruppen 3, 5, 6 und 8. Dagegen handelt es sich bei den entsprechenden Besitzstandsregelungen für übergeleitete Beschäftigte in den Entgeltgruppen 9 bis 15 um keine Höhergruppierung.

Wen betrifft diese Entscheidung?
Obwohl die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu einem Streitfall im Bereich des Bundes ergangen ist, besitzt sie auch Gültigkeit für alle anderen Arbeitgeber, für die das Überleitungsrecht zum TVöD und TV-L gilt oder die dieses Recht anwenden. Das betrifft auch Arbeitsverhältnisse, die zum Land Berlin bestehen und Beschäftigte, die in den TV-Hessen übergeleitet wurden. Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass wegen anderer Stichtagsregelungen in Berlin und Hessen in der Regel zurzeit noch kein Strukturausgleich gezahlt wird. Der maßgebliche Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen ist für die kommunalen Arbeitgeber ebenfalls der 1. Oktober 2005. Im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ist es der 1. November 2006 und für die Beschäftigten des Landes Hessen der 1. Januar 2010. In Berlin ist es der 1. November 2010 bzw. für Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen des Landes Berlin der 1. September 2008.

Wer hat Anspruch auf einen Strukturausgleich?
Einen Anspruch auf den Strukturausgleich haben nur diejenigen Beschäftigten, die vom BAT/BAT-O in das neue Tarifrecht übergeleitet wurden und seitdem in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber stehen, wobei in bestimmten Fällen Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses unschädlich sind.
Zudem müssen am Überleitungsstichtag bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Vergütungsgruppe, der Lebensalterstufe, des Ortszuschlags und der Aufstiegszeiten erfüllt sein. Welche das sind, ergibt sich aus einer Anlage zum jeweiligen Überleitungstarifvertrag. Für den Bund ist es die Anlage 3 TVÜ-Bund und für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber die Anlage 2 TVÜ-VKA. Für die Länder der Tarifgemeinschaft deutscher Länder – wegen der Verweisung auch für Beschäftigte des Landes Berlin - und für Hessen ergeben sich die Strukturausgleiche aus der Anlage 3 zum TVÜ-Länder bzw. TVÜ-Hessen.
In diesen Anlagen sind nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen geregelt, sondern auch Zahlungsbeginn, Höhe des Strukturausgleichs und Zahlungsdauer. Zu beachten ist jedoch, dass für Beschäftigte in Hessen die Zahlung in der Regel erst im Januar 2012 und für Beschäftigte des Landes Berlin erst im November 2012 beginnt. Für Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen des Landes Berlin hat die Zahlung bereits im September 2010 begonnen.

Strukturaugleich auch bei Ortszuschlagsstufe 3 und höher
Die Anspruchsvoraussetzungen zum Strukturausgleich sehen nur die Ortszuschlagsstufe 1 und 2 vor. Nach Auffassung des Bundes würde deshalb kein Anspruch auf einen Strukturausgleich bestehen, wenn der Ortszuschlag wegen der zu berücksichtigenden Kinder aus der Stufe 3 und höher zusteht. Das Bundesarbeitsgericht hat dem widersprochen, weil die Auffassung des Bundes eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von verheirateten Beschäftigten mit Kindern gegenüber verheirateten Beschäftigten ohne Kinder bedeuten würde.

Geltendmachung
Ergibt es sich, dass trotz der Erfüllung der Voraussetzungen für einen Strukturausgleich am jeweiligen Überleitungsstichtag der Arbeitgeber den Strukturausgleich wegen einer Herabgruppierung oder wegen des Ortzuschlags der Stufen 3 und höher nicht zahlt, muss die Zahlung des Strukturausgleichs gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Das bezieht sich auch auf den Strukturausgleich, der in den zurückliegenden sechs Kalendermonaten hätte gezahlt werden müssen.
Einer schriftlichen Geltendmachung des vollen Strukturausgleichs bedarf es auch bei einer vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, wenn der Arbeitgeber den Strukturausgleich entsprechend gemindert hat.