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Ausrufezeichen von 60.000 Beschäftigten

Am letzten Warnstreiktag sind heute 60.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes dem Warnstreikaufruf der Gewerkschaften gefolgt. Damit haben sie einen Tag vor Beginn der finalen Verhandlungsrunde in Potsdam noch einmal ein kraftvolles Ausrufezeichen gesetzt. Insgesamt nahmen in den letzten drei Wochen mehr als 155.000 Kolleginnen und Kollegen an den Warnstreik-Aktionen teil.

Die Streiks und Protestkundgebungen erstreckten sich am letzten der insgesamt 13 Warnstreiktage auf sieben Bundesländer. In Berlin beteiligten sich über 12.000 Beschäftigte an der Demonstration und der Abschlusskundgebung auf dem Alexanderplatz. Unter ihnen waren mehr als 7.500 Lehrkräfte und Erzieherinnen von rund 600 Schulen, die ihre Arbeit in der Hauptstadt niederlegten. Über 25.000 Unterrichtsstunden fielen dabei aus.

Doreen Siebernik, Vorsitzende der GEW Berlin, betonte auf dem Alexanderplatz: „Am letzten und entscheidenden Streiktag vor der dritten Verhandlungsrunde haben die GEW und ver.di eine fünfstellige Zahl Streikender auf die Straße gebracht – ein klares Signal an die Arbeitgeber. Wir stärken damit GEW-Verhandlungsführerin Ilse Schaad deutlich“. Siebernik forderte den Chefverhändler der Arbeitgeber, Jens Bullerjahn (SPD), endlich ein Angebot vorzulegen. Die Gewerkschaften fordern 6,5 Prozent mehr Lohn und einen Tarifvertrag für Lehrkräfte.

Sachsen streikt am dritten Tag in Folge - insgesamt über 20.000

In Sachsen demonstrierten tausende Lehrkräfte am dritten Tag in Folge vor dem Finanzministerium in Dresden. Heute legten 8.000 Kolleginnen und Kollegen aus dem Raum Chemnitz und Zwickau ganztägig ihre Arbeit nieder. Über 6.500 Landesbeschäftigte, überwiegend Lehrkräfte, kamen zur Kundgebung nach Dresden. Insgesamt hatten sich an der dreitägigen Warnstreikwelle im Freistaat über 20.000 Lehrkräfte und Hochschulbeschäftigte beteiligt.

Während der Streikkundgebung vor dem Dresdener Finanzministerium forderte die stellvertretende sächsische GEW-Vorsitzende, Uschi Kruse, Finanzminister Georg Unland (CDU) mit Nachdruck auf, seine Verantwortung am Verhandlungstisch in Potsdam wahrzunehmen. Er müsse sich für eine tarifliche Lehrer-Entgeltordnung einsetzen, mit der endlich auch die Benachteiligung der Lehrkräfte in Sachsen bei der Eingruppierung überwunden werde. „Bildung wird von Menschen gemacht“, sagte Kruse. „Und diese Menschen haben es verdient, mit ihren Forderungen gehört zu werden“. Auch Lehrkräfte seien mündige Bürger und keine Untertanen, denen man die Arbeitsbedingungen per Richtlinie oder Ukas einseitig verordnen könne. Mit Blick auf die finalen Gespräche ab Donnerstag sagte Kruse: „Wir erwarten faire Verhandlungen auf Augenhöhe.“

Auch in Nordrhein-Westfalen legten die Beschäftigten landesweit ihre Arbeit nieder. Nachdem bereits in der letzten Woche mehrere Tausend Beschäftigte in den Streik getreten waren, kam zur zentralen Kundgebung nach Düsseldorf heute 13.000 Kolleginnen und Kollegen. Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW Nordrhein-Westfalen, sagte auf der Kundgebung in Düsseldorf: „Wenn die Tarifverhandlungen morgen fortgesetzt werden, erwarten wir ein verhandlungsfähiges Angebot. Mit unserer Geduld sind wir am Ende!“

GEW-Verhandlungsführerin Ilse Schaad machte mit Blick auf die hohe Streikbeteiligung deutlich: „Wir sagen den Arbeitgebern klipp und klar: Ohne Entgeltordnung für Lehrkräfte wird es keinen Arbeitsfrieden in den Schulen geben. Die Arbeitgeber sollten sich gut überlegen, ob sie an ihrer Blockadehaltung festhalten.“ Die GEW wolle den „Schwarzmarkt der Eingruppierung der Lehrkräfte“ beenden, erklärte Schaad. Die Forderung von 6,5 Prozent mehr Gehalt für alle Länderbeschäftigten bekräftigte sie: Für die allgemeine Stagnation der Löhne sei auch der öffentliche Dienst mit seiner bescheidenen Lohnentwicklung verantwortlich. Außerdem sei hier seit 1990 jede fünfte Stelle weggefallen. „Seit 1992 ist die Arbeitszeit der Lehrkräfte um 20 Prozent erhöht worden. Die Arbeitgeber haben damit – genau wie mit der einseitig festgelegten Eingruppierung der Lehrkräfte – gigantische Summen gespart.“

Weit über die Hälfte der Schulen bestreikt

In Mecklenburg-Vorpommern versammelten sich 10.000 Beschäftigte zur zentralen Streikversammlung in Schwerin. Weit über die Hälfte aller Schulen im Land wurde damit bestreikt. Annett Lindner, die Vorsitzende der GEW Mecklenburg-Vorpommern, führt die ungebrochene Streikbereitschaft auf die Bedeutung eines Eingruppierungstarifvertrags für die Lehrkräfte zurück. „Nur so können wir der Arbeitgeberwillkür ein Ende setzen!“, begründete Lindner. Lehrkräfte brauchten genauso wie alle anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst einen Tarifvertrag, der ihre Eingruppierung regelt, zeigte sich die Landesvorsitzende überzeugt. Seit Jahren läge diese Forderung der GEW auf dem Tisch, alle Argumente seien genannt. „Jetzt müssen sich die Arbeitgeber endlich bewegen“, forderte Lindner.

Auch in Thüringen nahmen rund 1.000 Kolleginnen und Kollegen an einer Kundgebung in Erfurt teil. In Hessen beteiligten sich gut 4.000 Beschäftigte an den Warnstreikaktivitäten. Hessen ist zwar nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), verhandelt aber fast parallel zu der bundesweiten Tarifrunde mit den Gewerkschaften. Die GEW geht außerdem von rund 12.000 Beschäftigten in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam aus, davon rund 8.000 Lehrkräfte, die zur Stunde (Stand 16:15 Uhr) in Potsdam protestieren. Die dritte und letzte Verhandlungsrunde für die rund 800.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder findet am 7./8. März in Potsdam statt.

Fotos: Regina Voß, Kay Herschelmann