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Ausgesperrt: Dänische Schulen geschlossen

Das gab es noch nie in Dänemark: Fast 70.000 Lehrerinnen und Lehrer dürfen seit Dienstag nicht mehr arbeiten, weil die kommunalen und staatlichen Arbeitgeber die Tarifverhandlungen mit der Lehrergewerkschaft abgebrochen und die Pädagogen vom Unterricht ausgesperrt haben. Aus Sicht der GEW ist das ein ungeheuerlicher Machtmissbrauch der Arbeitgeber.

Foto: DLF

In dänischen Klassenzimmern und auf Schulhöfen herrscht derzeit Stille. Unterricht findet nicht statt. Die Schulen sind geschlossen. Die öffentlichen Arbeitgeber haben 69.000 Lehrkräfte ausgesperrt, weil sie sie zwingen wollen, mehr zu arbeiten. Von der Aussperrung sind fast 900.000 Schülerinnen und Schüler der „Folkeskoler“ betroffen. „Folkeskoler“ heißen die Gesamtschulen in Dänemark, die von der ersten bis zur neunten Klasse für alle Schulkinder verpflichtend sind. Es ist die größte Aussperrung in der Geschichte des Landes, das rund 5,6 Millionen Einwohner zählt. Nach den Osterferien befinden sich die Kinder nun in verlängerten Zwangsferien – wie lange ist nicht absehbar. Eltern kleinerer Kinder können nicht arbeiten und müssen freinehmen, weil ihnen eine Betreuung fehlt. Doch auch ältere Schülerinnen und Schüler, die in den kommenden Wochen ihre Prüfungen haben, zeigen sich wenig begeistert von den verlängerten Ferien.

Gewerkschaftliche TeachMobs vor den Rathäusern
Bei dem Konflikt zwischen der Lehrergewerkschaft „Danmarks Lærerforening" (DLF) und der Vertretung der Gemeinden „Kommunernes Landsforening" (KL), die in Dänemark für die Schulen verantwortlich sind, geht es um flexiblere und längere Unterrichtszeiten und eine Ausweitung der Anwesenheitspflicht an den Schulen, die die Arbeitgeber von den Lehrern verlangen. Außerdem sollen Schulleiter den Zeitaufwand für Unterricht und Vorbereitung ihres Lehrpersonals selbst bestimmen können. Die DLF, in der rund 97 Prozent aller dänischen Lehrerinnen und Lehrer organisiert sind, wehrt sich dagegen. Die Gewerkschaft befürchtet eine höhere Arbeitsbelastung für die Lehrkräfte und eine Verschlechterung der Unterrichtsqualität, wenn die Stunden für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, die den Lehrkräften nach geltendem Tarifvertrag bisher zustehen, in Zukunft gestrichen werden. „Die Regierung will eine ‚Discountschule‘, aber das werden wir nicht zulassen“, erklärt DLF-Präsident Anders Bondo Christensen. Überall im Land demonstrieren daher Lehrerinnen und Lehrer vor den Rathäusern, organisieren TeachMobs und skandieren Parolen wie: „Wir wollen unterrichten“. Im Gegensatz zu Deutschland sind die Lehrkräfte in Dänemark nicht verbeamtet. Sie dürfen daher streiken und können in Arbeitskämpfen auch ausgesperrt werden. Während der Dauer der Aussperrung erhalten sie kein Gehalt, sondern nur eine Arbeitskampfunterstützung ihrer Gewerkschaft.

Unterstützung aus der Bevölkerung
Nach Einschätzung von DLF-Vizepräsidentin Dorte Lange bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie der Tarifkonflikt gelöst werden könnte: „Die Erste ist, dass die Regierung eingreift und durch Gesetz oder Verordnung die strittigen Fragen regelt. Das ist zwar möglich, aber widerspricht unserer dänischen Tradition, wonach der Staat sich in Tarifkonflikte nicht einmischt. Die Zweite besteht darin, dass wir uns mit den Arbeitgebern auf eine Schlichtung verständigen. Aber die Arbeitgeber haben kein Interesse daran, weil sie uns ihre Forderungen aufzwingen wollen. Natürlich kann der Arbeitskampf auch dadurch beendet werden, dass eine der Parteien nachgibt und die Forderungen der anderen Seite akzeptiert.“ Daran, dass ihre Gewerkschaft kampfbereit ist und nicht aufgeben wird, lässt Dorte Lange keinen Zweifel. „Wir haben diesen Konflikt nicht gewollt, aber wir können den Arbeitskampf im Ernstfall auch mehrere Wochen durchhalten.“ Die Gewerkschaft rechnet auf die Unterstützung der Bevölkerung, denn den Menschen in Dänemark ist durchaus bewusst, wer diesen Konflikt vom Zaun gebrochen hat. „Es waren die Arbeitgeber, die einseitig das Scheitern der Verhandlungen erklärt und unsere Mitglieder ausgesperrt haben. Sie tragen die Verantwortung, dass die Kinder jetzt nicht zur Schule gehen können", meint Dorte Lange. „Mit jedem weiteren Aussperrungstag erfahren wir mehr Sympathie und Solidarität aus der Bevölkerung.“