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Pulse of Europe

Auch linke Forderungen haben ihren Platz

Pulse of Europe (PoE), gegründet 2017 als Antwort auf den Aufstieg der Rechtspopulisten, mobilisiert für die Wahl zum Europäischen Parlament. Eine Bewegung nicht nur des bürgerlichen Lagers.

Kundgebung von Pulse of Europe am 7. April 2019 in Frankfurt am Main / Foto: Matthias Holland-Letz

„Wir sind ein Player in Dresden geworden“, erklärt Carola Vulpius, PoE-Mitgründerin in der sächsischen Hauptstadt. Parteien, die eine Europa-Tagung planten, kämen auf die Dresdener PoE-Truppe ebenso zu wie das Staatsschauspiel oder das Societaetstheater. „Damit bleibt das Thema Europa präsent.“ Welche Ziele wurden verfehlt? „Mehr junge Leute zu motivieren, zu unseren Demos zu kommen“, antwortet die 55-Jährige, die als Richterin am Verwaltungsgericht Dresden tätig ist.

Die Bürgerbewegung Pulse of Europe entstand Anfang 2017. Als Antwort auf den Brexit, die AfD, den Aufstieg rechtspopulistischer Gegner der Europäischen Union (EU) auch in Frankreich und den Niederlanden. „Bei unserer ersten Demo in Dresden im März 2017 waren wir circa 1.300 Demonstranten“, erzählt Vulpius. Heute ist PoE laut eigenen Angaben europaweit in 100 Städten präsent, auch in Albanien, Polen und Griechenland. Welche Themen im Vordergrund stehen, geht aus den Leitsätzen der Bürgerbewegung hervor: Frieden, Grundrechte, wirtschaftliche Freiheit, Vielfalt, europäische Identität.

Frankfurt am Main, Goetheplatz, ein sonniger Sonntag im April. PoE-Kundgebung. Rund 1.000 Menschen sind gekommen, viele tragen die blaue Europafahne. PoE-Vorsitzender Daniel Röder attackiert AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen. „Der ist ein Wolf im Schafspelz“, ruft Röder von der Bühne. Ihm gehe es „um Rassismus und Diskriminierung!“. Die AfD wolle ins EU-Parlament, „um es zu zerstören“. Nach ihm tritt die Studentin Silvia Mayr auf. In Guatemala und Kenia habe sie erlebt, dass Frieden und freie Wahlen keine Selbstverständlichkeiten sind. „Europa braucht uns“, betont Mayr. Gleichzeitig kritisiert die junge Frau europäische Waffenexporte nach Saudi-Arabien und die „Maßnahmen zur Abwehr von Flüchtlingen“. Auch ihre Rede stößt auf Applaus. In der Menge steht Thomas, 29 Jahre. Er sei dafür, das Europäische Parlament zu stärken, sagt der Grafik-Designer. Interessant finde er „die Idee der Vereinigten Staaten von Europa“.

„Pulse of Europe ist eine Form, weniger ein Inhalt. Bei den Debatten kommen ja alle Themen durchaus kontrovers auf den Tisch.“ (Claus Leggewie)

Rasch nach Gründung von Pulse of Europe meldeten sich linke Kritiker zu Wort. Deren Proteste „sprechen vor allem jene Menschen an, die vom Status-quo-Europa profitieren: international Orientierte, besser Gebildete und besser Verdienende“, so der Soziologe Simon Teune von der TU Berlin. Fabio de Masi, damals Abgeordneter der Linkspartei im EU-Parlament, griff PoE-Mitgründer Röder an. Dieser arbeite als Anwalt für eine „Edelkanzlei“ in Frankfurt am Main. Derartige Kanzleien, so de Masi, seien mit Lobbyisten verquickt, die Gesetze beeinflussten, „etwa zur Förderung von Privatisierung oder von Finanzhaien“. Diese Interessengruppen seien „in Europa zu mächtig und machen die europäische Idee kaputt“, sagte der Linken-Abgeordnete. Röder weist das zurück. „Wir haben weder mit Lobbyisten noch mit Finanzhaien zu tun.“ Er halte es zudem für „ausgesprochen wichtig, dass sich die Wirtschaft für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Europa einsetzt“.

Die EU-freundliche Bewegung wird auch von Professor Claus Leggewie verteidigt. „Pulse of Europe ist eine Form, weniger ein Inhalt“, erklärt der Politikwissenschaftler der Uni Gießen. „Bei den Debatten kommen ja alle Themen durchaus kontrovers auf den Tisch.“

Zu den Unterstützern zählt auch Steffen Lehndorff, Sozialwissenschaftler der Uni Duisburg-Essen im Ruhestand. Am 3. Juni 2018 prangerte Lehndorff auf dem Kölner Roncalli-Platz das Demokratie-Defizit in der EU an. Er verwies auf Italien. Dort durfte die neue Regierung einen Ökonomen nicht zum Finanzminister ernennen, weil dies bei den Investoren Alarm ausgelöst hätte. Die politische Botschaft laute, so Lehndorff: „Nicht die Wählerinnen und Wähler, sondern eine Handvoll Rating-Agenturen und große Investmentfonds haben das letzte Wort.“ Und: Das Festhalten an dieser Politik sei „die größte Gefahr für die EU“. Keine Frage: Auch Forderungen aus dem linken Lager haben ihren Platz bei Pulse of Europe.