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GEW-Workshop

Angriffe auf Geschlechterforschung und Gleichstellung nehmen zu

Beim GEW-Workshop „Wissenschaft im Visier von Antifeminismus“ ist beraten worden, wie auf Angriffe unter anderem aus dem rechtsextremen Spektrum reagiert werden kann. GEW-Frauenpolitikexpertin Frauke Gützkow moniert ein „rückwärtsgewandtes Weltbild“.

Foto: Flickr: strassenstriche.net / "AfD-Wahlkampfauftakt", CC BY-NC 2.0

Vertreterinnen und Vertreter antifeministischer Positionen haben seit einiger Zeit ein neues Ziel anvisiert: die Wissenschaft. „Sowohl Genderforschung als auch Gleichstellungspolitik werden deutlich stärker als früher in Frage gestellt – vor allem von außen“, sagt der GEW-Vizevorsitzende und Hochschulexperte Andreas Keller. Auf politischer Ebene an vorderster Front dabei: die AfD. Diese stelle die Geschlechterforschung und -politik etwa in Form von Anträgen sowohl in den Länderparlamenten als auch im Deutschen Bundestag „in ganz aggressiver Weise in Frage und will am liebsten alles abschaffen“.

Frauke Gützkow, die im Geschäftsführenden Vorstand die Frauenpolitik der GEW verantwortet, stellt fest: „Wer die Evolutionstheorie oder Forschung zur Intersektionalität von Hochschulen verbannen will, hat nicht nur ein rückwärtsgewandtes Weltbild, sondern zielt darauf ab, die Institution Hochschule als solche zu delegitimieren.“  

Wie kann und muss die Wissenschaft darauf reagieren? Und wer steckt überhaupt hinter den Angriffen? Diese Fragen diskutierten Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland beim zweitägigen GEW-Workshop „Wissenschaft im Visier von Antifeminismus. Angriffe auf Geschlechterforschung, Gender Studies und Gleichstellung“ in Kassel, zu dem die Vorstandsbereiche Frauenpolitik sowie Hochschule und Forschung eingeladen hatten.

Die emeritierte Soziologie-Pro­fessorin Ilse Lenz definierte die derzeit aktiven Antifeministen und -feministinnen als eine diverse Gruppe ultrareligiöser, neoliberaler und neu-rechter Kreise. Der neue Antifeminismus setze auf einen vergeschlechtlichten Rassismus. Ein Beispiel dafür ist die aus dem Umfeld der Identitären Bewegung gestartete Kampagne #120 Dezibel, mit der junge Frauen gegen vermeintlich „importierte Gewalt“ etwa durch Flüchtlinge protestieren. Keller zählte zu den Akteuren auch die sogenannte Männerbewegung, zu der etwa das Onlineprojekt Wikimannia gehört.

Vernetzen, solidarisieren, sich wehren

Auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter seien im Visier, sagte GEW- Vorstandsmitglied für Frauenpolitik, Frauke Gützkow. Sie erinnerte daran, dass es schon nach Veröffentlichung der GEW-Broschüre „Bildung von Geschlecht. Zur Diskussion um Jungenbenachteiligung und Feminisierung in deutschen Bildungsinstitutionen“ im Jahr 2011 massive Diffamierungen aus dem antifeministischen Spektrum gegeben habe.

Der Kasseler Workshop machte deutlich: Mögliche Gegenstrategien werden die Betroffenen auch in Zukunft weiter beschäftigen. Lenz forderte, Professorinnen und Professoren, akademischer Mittelbau und Studierende müssten sich vernetzen und solidarisieren: „Geschlechterforschung ist ein gemeinsames Vorhaben.“ Wichtig sei es, ein übergeordnetes Bündnis aus Gleichstellungsbeauftragten und Geschlechterforschung aufzubauen, sagte die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Kassel, Sylke Ernst.

Die GEW erwägt, sich künftig noch eindeutiger zu positionieren. Zwar hätten sowohl das Templiner Manifest als auch das wissenschaftspolitische Programm der Gewerkschaft seit langem ein klares gleichstellungspolitische Profil, sagte Keller. Wichtig sei jedoch, dass sich nicht nur der Hauptvorstand explizit hinter die Genderforschung und gegen antifeministische Tendenzen stelle, sondern auch die GEW-Hochschulgruppen vor Ort sich gegen Angriffe zur Wehr setzten. Mit Blick auf dazu möglicherweise erforderliche Beratungs- und Fortbildungsangebote „sehe ich auch die Hochschulen selbst gefragt“.

Keller regte darüber hinaus an, das Thema beim nächsten Gewerkschaftstag 2021 auf die Agenda zu setzen. „Rechtsextreme versuchen nicht nur, einzelne wissenschaftliche Disziplinen zu diskreditieren. Mit Meldeplattformen der AfD, auf denen Schülerinnen und Schüler sowie Eltern Lehrkräfte denunzieren sollen, oder dem Hinterfragen des Bildungsauftrags von Kitas wird Misstrauen gegen Bildung, Erziehung und Wissenschaft gesät“, sagte Gützkow.