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Forschungsstand

„Bildungspolitische Dringlichkeit von Fluchtforschung“

Der Soziologe Aladin El-Mafaalani sowie die Lehrerin und Zuwanderungsexpertin Mona Massumi plädieren für eine fluchtbezogenere Bildungsforschung. Zudem legen sie Handlungsempfehlungen für das Bildungssystem vor.

Public Domain Pictures.net / CC0

In der aktuellen Bildungsforschung werden Flucht beziehungsweise Zwangsmigration und Flüchtlinge nach Ansicht von Expertinnen und Experten zwar zum Teil eingeschlossen, aber nicht oder nicht hinreichend von anderen Migrationsformen differenziert. Die gesellschaftliche Relevanz des Themas werde nicht angemessen widergespiegelt, schreiben der Soziologe Aladin El-Mafaalani sowie die Lehrerin und Zuwanderungsexpertin Mona Massumi in ihrem Forschungsbeitrag Flucht und Bildung: frühkindliche, schulische, berufliche und non-formale Bildung.

Bis 2015 habe es keine größeren Tagungen mit diesem Schwerpunkt gegeben, und selbst bei den großen Kongressen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften sei das Thema Flucht im Zusammenhang mit Bildung kaum behandelt worden. Gleiches gelte mit Blick auf Schwerpunkthefte wissenschaftlicher Zeitschriften, Sonderforschungsbereiche und Forschungsverbünde.

„Ein weitgehend unkoordinierter und unübersichtlicher Flickenteppich an (zum Teil improvisierten) Maßnahmen, Konzepten und Strategien.“

„Die bildungspolitische Dringlichkeit von Fluchtforschung in Bezug auf Bildung und Ausbildung lässt sich an wenigen Daten ablesen“, heißt es. Von 2014 bis 2016 reisten El-Mafaalani und Massumi zufolge knapp 1,5 Millionen Asylsuchende nach Deutschland ein, von denen etwa drei Viertel jünger als 30 Jahre sind – eine enorme Herausforderung in allen Stufen des Bildungswesens. Entstanden sei „ein weitgehend unkoordinierter und unübersichtlicher Flickenteppich an (zum Teil improvisierten) Maßnahmen, Konzepten und Strategien“.

Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass Einreise und Verbleib von Flüchtlingen schon seit Jahrzehnten kontinuierlich stattgefunden hätten. So lebten etwa Kriegsflüchtlinge aus dem Libanon sowie aus Bosnien oder auch Flüchtlinge aus dem Iran und aus Vietnam bereits seit langem in Deutschland.

Sechs Handlungsempfehlungen

Der neue Überblicksbeitrag skizziert zentrale Fragestellungen, Erkenntnisse und Erkenntnislücken des Themenfeldes. Neben dem Schwerpunkt der schulischen Bildung werden die elementare  Bildung, die berufliche Bildung sowie die bildungsrelevanten Bereiche der Sozialen Arbeit und der weite Bereich der non-formalen Bildung berücksichtigt. Es wird zudem erörtert, inwieweit die Befundlage eine eigenständige Kategorie Flucht in der Bildungsforschung rechtfertige, und welche Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Flucht und Bildungsungleichheit vorlägen.

Der ergänzende Policy Brief Junge Geflüchtete im Bildungssystem – Herausforderungen für Schule, Politik und Verwaltung fasst die Ergebnisse in sechs Handlungsempfehlungen zusammen:

  1. Zugang zu Bildungsinstitutionen (rechtlich) öffnen und (real) beschleunigen
  2. Formale und non-formale Bildungsbereiche verzahnen und multiprofessionelle Zusammenarbeit fördern
  3. Bildung muss sich systematisch und strategisch an den Ressourcen der Geflüchteten orientieren.
  4. Ältere Jugendliche und junge Erwachsene als besondere Zielgruppe berücksichtigen
  5. Nachhaltige Qualifizierung erfordert die Entwicklung von Weiterbildungsstrategien.
  6. Regionale Besonderheiten und ländliche Regionen berücksichtigen