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Altern in der Kommune: "Selbsthilfe kann nur eine Ergänzung sein"

Der 7. Altenbericht richtet den Blick auf die lokale Ebene: Dort sind die Chancen extrem ungleich verteilt. In einer Kommune pulsiert das Gemeinschaftsleben, in der anderen reicht es nicht mal für ein Begegnungscafé.

Foto: Pixabay / CC0

Was bedeutet alt sein? Wie leben ältere Menschen in Deutschland, welche Ideen, Bedürfnisse, Sorgen, Wünsche, Stärken haben sie? Immer noch ist das Bild vom Alter in der Gesellschaft unscharf. Deshalb sind die Altenberichte der Bundesregierung wichtig. In unregelmäßigen Abständen nehmen sie die Lebenssituation alter Menschen unter die Lupe. Mal geht es um Wohnen im Alter, mal um Altersbilder, mal um Potenziale im Alter. Die Untersuchungen entzaubern dabei Mythen, die sich im kollektiven Gedächtnis festgesetzt haben: Alte sind eben nicht nur bedürftig, sondern können auch viel zu einem Gemeinwesen beitragen. Sie sind nicht nur auf ein Leben in den eigenen vier Wänden fixiert, sondern auch neugierig auf neue Wohnformen.

Der 7. Altenbericht richtet den Blick auf die lokale Ebene: Wie sind die Lebensbedingungen älterer Menschen vor Ort – in den Quartieren der Städte und den Dörfern auf dem Land. Dabei räumt der Bericht mit einer weiteren Legende auf: Jeder Mensch hat die Chance auf ein gutes Leben im Alter. Von wegen. Die Chancen sind extrem ungleich verteilt. Denn die Infrastruktur, also das, was man für einen selbstbestimmten Alltag braucht, ist in jeder Region anders. In einem Landkreis gibt es ein dichtes Nahverkehrsnetz, im anderen fährt nur noch einmal am Tag ein Schulbus. In der einen Kommune pulsiert das Gemeinschaftsleben, in der anderen reicht es nicht mal für ein Begegnungscafé.

Es ist das Verdienst der Sachverständigenkommission, nicht leichtfertig nach einer preiswerten Patentlösung zu rufen: mehr freiwilliges Engagement! Bezieht die Silver-Ager mit ein, sie haben doch Zeit! Diese Argumente hört man derzeit oft. Gewiss, ohne die Bürgerinnen und Bürger miteinzubeziehen, wird es auf Dauer kaum gehen. Doch zu Recht machen Expertinnen und Experten klar: Selbsthilfe kann nur eine Ergänzung sein. Sie gelingt nur, wenn der Staat die Seniorinnen und Senioren systematisch unterstützt, eine angemessene Infrastruktur sowie genügend Ressourcen zur Verfügung stellt. Nur dann können Kommunen, professionelle Anbieter und Freiwillige gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln.

Zum Beispiel im Sozialleben. Die Gemeinde bietet beispielsweise Räume für Treffpunkte an, bezahlt Heizung, Licht und Sachmittel, Freiwillige organisieren Veranstaltungen und Angebote. Zum Beispiel für die Grundversorgung. Die Kommune finanziert Räume für einen Dorfladen, ein Team aus Freiwilligen, Kleinunternehmern und Bauern bewirtschaften ihn. Sicher: Freiwilligenarbeit ist ein zentrales Gewerkschaftsthema. Sie entspringt dem Wunsch, für andere da zu sein. Fest steht aber auch: Freiwillige haben nicht die Absicht – und sie sollten es auch nicht –, Arbeitsplätze zu ersetzen und öffentliche Aufgaben zum Nulltarif zu übernehmen.

GEW-Seniorenexpertin Frauke Gützkow