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„Alles, was Ältere stark macht“

Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe hat zum fünften GEW Seniorinnen- und Seniorentag die Bedeutung der Älteren für die Gewerkschaftsarbeit unterstrichen. „Die Erfahrungen der Seniorinnen und Senioren dürfen nicht verloren gehen“, betonte Tepe vor 120 Gästen sowie prominenten Rednerinnen und Rednern in Leipzig.

Der zweitägige Kongress unter der Überschrift „Alles, was Ältere stark macht“ drehte sich am Montag und Dienstag um aktuelle Debatten zur Zukunft älterer Menschen – von der Mitbestimmung über die Teilhabe bis zur Ausgestaltung der Pflegeversicherung. „Auch die Pflege ist ein Gewerkschaftsthema“, betonte GEW-Vorstandsmitglied Frauke Gützkow, verantwortlich für Seniorinnen- und Seniorenpolitik. „Pflege ist ein zentrales Zukunftsfeld für die Gewerkschaften und die Gesellschaft.“

Selbstbestimmung bis ins hohe Alter

Politik müsse dafür sorgen, dass Selbstbestimmung bis ins hohe Alter ermöglicht werde. Ältere Menschen dürften nicht von ihren Defiziten her beurteilt werden, sondern von ihren Potentialen. Daher müssten auch für die Angehörigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu verbessern. Sie werde sich in den kommenden Jahren für Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige ähnlich wie das Elterngeld einsetzen. Darüber hinaus gehe es um die Anerkennung von Pflegeleistungen Älterer in der Rente.

Gützkow betonte, auch Arbeitsbedingungen müssten für pflegende Angehörige so gestaltet werden, dass Pflege-Arrangements zwischen Familie, Nachbarschaft, ambulanten und teilstationären Diensten künftig möglich sind. Darüber könne auch in der künftigen Tarifgestaltung nachgedacht werden. „Mit den jüngsten Pflegezeitgesetzen sind zwar große Schritte getan worden. Aber pflegende Angehörige sind noch keine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit. Gerade bei Arbeitgebern sind noch dicke Bretter zu bohren“, sagte Frauke Gützkow. Um auch die qualifizierte, professionelle Pflege weiter zu unterstützen und auszubauen, müsse dafür gesorgt werden, dass vollzeitschulische Ausbildungen künftig bundesweit kostenlos sind.

Für bessere Vertretung im DGB kämpfen

Bundesvorsitzende Marlis Tepe appellierte an die Teilnehmenden der Konferenz, ihre Initiativen in die politischen Debatten einzubringen. „Andere Funktionäre haben Angst vor den Seniorinnen und Senioren. Ich fürchte euch nicht“, sagte Tepe unter starkem Beifall. Die Bundesvorsitzende kündigte an, weiter für eine bessere Vertretung der älteren Generation im DGB zu kämpfen. Die Forderung nach einem Seniorenausschuss in der Satzung des DGB werde weiter verfolgt, um deren Rechte zu verankern. Eine gute Arbeit von und mit Seniorinnen und Senioren bedeute nicht zuletzt eine wichtige Mitgliederbindung, so Tepe. Allein in der GEW, deren Größe inzwischen auf 272 000 Mitglieder angewachsen ist, zählen 16,6 Prozent zu den Seniorinnen und Senioren.

„Was Ältere stark macht, macht auch die Gesellschaft stark“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Elke Ferner (SPD). Ältere seien in der Regel sehr aktive Zeitgenossen. Sie kümmerten sich nicht nur um ihre Familien und sich selbst, sondern engagierten sich in mehreren ehrenamtlichen Jobs. „Ich kenne vor allem Ruheständler, deren Terminkalender so reichlich gefüllt ist wie in Zeiten ihrer Berufstätigkeit“, so Ferner. „Wir werden gesünder älter und müssen von den neuen Chancen her denken.“ Allerdings seien die Chancen ungleich verteilt: Frauen hätten deutlich geringere Alterseinkünfte, weil sie ihre Erwerbsbiographien häufiger unterbrechen und viel häufiger in Teilzeit arbeiteten als Männer. Dies wirke bis ins hohe Alter nach.

Möglichkeiten für Familienpflegezeiten ausweiten

Mit der Reform der Pflegegesetze zum Jahresbeginn seien die Möglichkeiten für Familien bereits spürbar ausgebaut worden, betonte Ferner. So kann zum Beispiel einmalig für eine zehntägige Auszeit bis zu 90 Prozent des Nettoeinkommens als Lohnersatzleistung gezahlt werden. Allerdings müssten die Möglichkeiten etwa für Familienpflegezeiten und eine Rückkehr in die alte Arbeitszeit noch ausgeweitet werden. Darüber werde im Rahmen der Demografie-Strategie der Bundesregierung gesprochen, kündigte Ferner an.

Die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), Professorin Ursula Lehr, widersprach der weit verbreiteten These vom Generationenkonflikt in der Gesellschaft. Sie habe den Eindruck, dieser werde von der Politik eher herbeigeredet. In den Familien sei der Konflikt zwischen den Generationen früher wesentlich stärker ausgetragen worden als heute. Der Vorstandsvorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), Dr. Jürgen Gohde kritisierte zudem, dass die Pflege noch nicht als gesellschaftspolitisches Zukunftsthema diskutiert werde. „Wir brauchen eine Umorientierung und Visionen.“ Die umfassenden Erkenntnisse der Politik etwa über Familie, Senioren, Jugend und Gleichstellung müssten besser zusammengeführt werden.

Die Vorträge und eine Podiumsdiskussion stehen in Kürze auf der GEW Website als Videostream zur Verfügung.

Text: Sven Heitkamp
Fotos: Anne Jenter