Zum Inhalt springen

„Alle Frauen werden gestärkt nach Hause fahren“

Nach Bangkok und Dublin tagt die Weltfrauenkonferenz der Bildungsinternationale in Marrakesch. GEW-Chefin Marlis Tepe formuliert Erwartungen an das Treffen mit dem Titel „Finding a Way 'Through the Labyrinth': Women, Unions, Education & Leadership”.

Foto: Pixabay / CC0

Frauen in Führungspositionen: Bei der dritten Weltfrauenkonferenz der Bildungsinternationale (BI) vom 5. bis 7. Februar in Marrakesch werden Frauen aus 400 Gewerkschaften über ihre beruflichen Perspektiven beraten. „Ich hoffe, dass die Berichte der Frauen, die bei dem Thema schon gut vorangekommen sind, andere ermutigen werden“, sagt die GEW-Vorsitzende und BI-Vizepräsidentin Marlis Tepe. „Das Gefühl, dass es weltweit Frauen gibt, die hinter den eigenen Zielen stehen, wird für viele eine enorme Rückendeckung sein. Alle Frauen werden in jedem Fall gestärkt nach Hause fahren.“

In Nordamerika werden die US-Lehrergewerkschaften National Education Association (NEA) und American Federation of Teachers (AFT) bereits von zwei Frauen angeführt, Präsidentin Lily Eskelsen Garcia und Präsidentin Randi Weingarten. Auch in Europa hätten Gewerkschafterinnen inzwischen Spitzenpositionen, neben Deutschland zum Beispiel in Schweden und Georgien. „Das gibt es in den asiatischen und afrikanischen Gewerkschaften oder auch in Südamerika eher nicht.“

Von Skandinavien in Sachen Arbeitszeit lernen

In Marrakesch könnte es nach Einschätzung der GEW-Chefin spannende Debatten darüber geben, „wie die Kolleginnen ihre Kämpfe ausgestalten, damit Frauen in Funktionen kommen. Ob sie zum Beispiel mit Quoten oder in der Satzungsstruktur über Doppelspitzen und Leitungsteams agieren“. Die Skandinavierinnen seien Deutschland zum Beispiel beim Thema Arbeitszeit voraus. „Mein Job ist schon ein bisschen selbstausbeuterisch: Meine Wochenstundenzahl ist extrem hoch. Und in unserem Geschäftsführenden Vorstand hat von acht Mitgliedern nur ein Kollege Kinder. Das heißt, der Job ist mit Zeit für Familie sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen offensichtlich schlecht verbindbar.“ Die Skandinavierinnen achteten stärker auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Davon etwas zu lernen, fände ich gut. Das würde es möglichen GEW-Nachfolgerinnen oder Nachfolgern auch erleichtern, diese Arbeit zu tun.“    

In internationalen Debatten beobachtet Tepe grundsätzliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern oder Kontinenten. „Die Nord- und Südamerikanerinnen, Europäerinnen sowie die Frauen in Australien und Neuseeland pflegen einen offenen Austausch, der auch Dispute ermöglicht.“ Dagegen seien die asiatischen Gewerkschafterinnen extrem zurückhaltend. Ähnlich sei es mit den osteuropäischen Kolleginnen, etwa aus der früheren Sowjetunion. „Da ist die Diskussionskultur extrem staatstragend, der Vorsitzende referiert und der Rest hört zu.“

Auch #Meetoo-Debatte mögliches Thema in Marrakesch

Für die Teilnehmerinnen der Frauenkonferenz werde es auch spannend sein, was die Frauen des Gastgeberlandes über ihre Situation in Gewerkschaften in einem muslimischen Königreich berichteten. Als weiteres wichtiges Thema der Konferenz nennt die BI-Vizepräsidentin „School-related gender-based violence, also Gewalt gegen Mädchen und Lehrerinnen. „Wenn man im internationalen Austausch ist, sollte man zudem über Traficking sprechen: Menschen, die über die Grenzen kommen, um ihre Körper zu verkaufen oder sie unfreiwillig verkaufen müssen.“ Die Frauenkonferenz sei bei dem Thema zwar schon weit gekommen und habe 2014 in Dublin bereits sehr offen diskutiert. Dies habe aber auch verdeutlicht, wie stark Frauen weltweit noch immer unter Druck seien. Auch die aktuelle #Meetoo-Debatte über Sexismus und sexualisierte Gewalt könnte in Marrakesch daher eine Rolle spielen.

Interne Strukturüberprüfung geplant

Nachdem die Gespräche mit Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) zur Bekämpfung der Ungleichheit im Jahr 2017 ein Topthema waren, will die BI in den nächsten Jahren das Vorgehen gegen die zunehmende Privatisierung des Bildungssektors durch internationale Konzerne in den Fokus nehmen. „Das Schulwesen muss öffentlich bleiben und darf nicht in die Hände von Konzernen wie Microsoft oder Google gelangen“, bekräftigt Tepe. Besonders gefährlich sei der britische Bildungsverlag Pearson, der im Auftrag der OECD die Pisa-Studie entwickle und zugleich Nachhilfeprogramme für Eltern verkaufe.

Intern will die BI ihre Strukturen überprüfen. Im Vorstand gibt es regionale und offene Sitze, auf letztere können Kolleginnen und Kollegen aller Kontinente gewählt werden. Vorschlag der GEW ist es, die offenen Sitze von neun auf zehn zu erhöhen und eine 50:50-Quote einzuführen, damit mehr Frauen zum Zug kommen. Im europäischen Gewerkschaftsbund ETUCE sitzen im neunköpfigen Vorstand sechs Frauen, „es ist also möglich, ein solches internationales Gremium von Frauen führen zu lassen“, betont Tepe. Auch mit Blick auf die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender sei international noch einiges zu tun. „Wenn wir Anträge zu LGBTI beraten, treten einzelne Frauen und Männer vor – und Osteuropa schweigt. Russland etwa agiert sehr streng gegen Lesben und Schwule, und das findet auch in der Gewerkschaftsbewegung Verständnis.“