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Länderüberblick

Neues Schuljahr, alte Probleme

Mit Beginn des Schuljahres 2019/20 sind längst nicht alle angebotenen Stellen besetzt, zudem mangelt es an Unterstützung beim Seiteneinstieg. Die GEW hat die Lage in den Bundesländern – so weit möglich - zusammengefasst.

Foto: Pixabay / CC0

In Berlin ist das neue Schuljahr nach Angaben des GEW-Landesverbandes „holprig wie lange nicht“ gestartet. Nach erster Auswertung einer GEW-internen Abfrage bei Schulen und Personalräten sind noch immer fast 200 Lehrkräftestellen nicht besetzt. Zudem sei der Anteil der Quereinsteigerinnen und -einsteiger in den einzelnen Bezirken weiter ungleich verteilt. Die Spannweite reiche von 37 Prozent in Charlottenburg-Wilmersdorf bis 70 Prozent in Spandau. „Die Situation ist dramatisch – aus der Bildungsverwaltung hören wir jedoch nur Beschönigungen. Lösungsvorschläge vermissen wir“, sagte der Landesvorsitzende Tom Erdmann. Nach aktuellen Meldungen, denen zufolge in zwei Jahren 25.000 Schulplätze fehlten, wird sich die Situation in Berlin weiter zuspitzen.

Die GEW in Bayern meldete, der Mangel an Lehrkräften an Grund-, Mittel- und Förderschulen habe auch im Freistaat "dramatische Ausmaße" erreicht: "In manchen Bereichen können zwei Drittel der freien Stellen nicht mit voll ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden." In den Realschulen stiegen die Klassenstärken stetig an, vor allem in den Ballungsräumen. Auch an vielen Beruflichen Schulen fehlten in etlichen Fächern und Fachrichtungen Lehrerinnen und Lehrer.  Der Staatsminister für Unterricht und Kultus, Michael Piazolo (Freie Wähler Bayern), müsse "endlich konkrete Zahlen zu Mangel und  Bedarfsdeckung nennen", forderte die GEW.

„Nicht besetzte Stellen von Anfang an und Tausende Mutterschaftsfälle, Personal mit und ohne Lehrerausbildung mit befristeten Verträgen überlagern die vielen weiteren Aufgaben.“ (Doro Moritz)

In Baden-Württemberg beginnt das neue Schuljahr nach Angaben des GEW-Landesverbandes mit „Unterrichtsausfall vom ersten Tag an“. „Der Lehrermangel bereitet Schulleitungen und Lehrkräften die größten Sorgen. Nicht besetzte Stellen von Anfang an und Tausende Mutterschaftsfälle, Personal mit und ohne Lehrerausbildung mit befristeten Verträgen überlagern die vielen weiteren Aufgaben. Wir erwarten, dass der dringend notwendige Ausbau der ständigen Vertretungsreserve noch 2019 startet“, sagte die Landesvorsitzende Doro Moritz. „Seit Oktober 2018 liegen dem Kultusministerium zwölf Vorschläge zur Gewinnung von Lehrkräften vor, die dort offenbar in der Schublade verschwunden sind. Wir erwarten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), dass er den Lehrermangel zur Chefsache macht und sich nicht mit über 700 nicht besetzten Lehrerstellen im Land zufrieden gibt“, betonte Moritz. Zu den Vorschlägen zählen eine Erhöhung der Altersermäßigung und bessere Qualifizierungsangebote für Menschen ohne vollständige Lehrerausbildung.

Im Zwei-Stadt-Staat Bremen können den Angaben zufolge in Bremen und Bremerhaven jeweils 40 Stellen nicht besetzt werden. „Vom neuen Senat erwarten wir durchschlagende Initiativen, um diesem Fachkräftemangel zu begegnen“, betonte GEW-Landesvorstandssprecher Bernd Winkelmann. „Ein Anfang sollte die Intensivierung der Ausbildung von Lehrkräften an der Uni Bremen sein.“ 

Die GEW Hamburg begrüßte zwar, dass das Schuljahr mit rund 1.000 neuen Lehrkräften, davon etwa 400 im Vorbereitungsdienst, starte. Die Neueinstellungen seien jedoch auch notwendig: Im Jahr 2030 soll es 40.000 Schülerinnen und Schüler mehr in Hamburg als zurzeit geben. Daher müssten in den folgenden Jahren deutlich mehr Lehrkräfte eingestellt werden. Erforderlich sei ferner, die Arbeitsbedingungen an den Schulen zu verbessern und die Gehälter beziehungsweise Besoldung für Grund- und Stadtteilschullehrkräfte an die der Lehrkräfte an Gymnasien anzugleichen.

„Eine Höhergruppierung von Lehrerinnen und Lehrern an Grundschulen in die Besoldungsgruppe A13 ist dringend geboten. Angestellte müssen analog in die Entgeltgruppe 13 aufrücken.“ (Maike Wiedwald)

In Hessen fehlen Lehrerinnen und Lehrer nach Angaben des GEW-Landesverbandes vor allem an Grundschulen, aber auch an Förder- und berufsbildenden Schulen. Die Rhein-Main-Region – insbesondere die Stadt Frankfurt am Main – sei vom Lehrkräftemangel besonders betroffen, sagte der Vorsitzende des GEW-Bezirksverbandes Frankfurt, Sebastian Guttmann. Der finanzpolitische Referent der GEW Hessen, Kai Eicker-Wolf, kritisierte die ungleiche Vergütung. Mit Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Schleswig-Holstein, Berlin und Bremen bezahlten inzwischen sechs Bundesländer ihre Grundschullehrkräfte nach der Besoldungsgruppe A13. „Hessen belegt im Bundesländervergleich einen schwachen zwölften Platz.“ Die Landesvorsitzende Maike Wiedwald bekräftigte: „Eine Höhergruppierung von Lehrerinnen und Lehrern an Grundschulen in die Besoldungsgruppe A13 ist dringend geboten.“

Die Landesvorsitzende der GEW Mecklenburg-Vorpommern, Annett Lindner, kritisierte, nach wie vor gebe es in den Schulen und der Ausbildung keine guten Rahmenbedingungen, um die Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger, deren Zahl stetig steige, beim Berufseinstieg ausreichend zu unterstützen. „Allein die Tatsache, dass halbwegs genügend Menschen am ersten Schultag vor den Klassen stehen, sichert nicht die notwendige Qualität.“ 

„Besonders dramatisch ist die Situation im Bereich der Förder- und Schwerpunktschulen.“ (GEW Rheinland-Pfalz)

Auch in Niedersachsen sind die aktuellen Einstellungszahlen laut GEW zu niedrig, um Unterrichtsausfälle zu verhindern. „Im Grunde werden schon jetzt mindestens 2.500 neue Lehrerinnen und Lehrer benötigt“, sagte die Landesvorsitzende Laura Pooth mit Blick auf die vom Kultusministerium angestrebte Besetzung von 1.900 ausgeschriebenen Stellen. Für das Grund-, Haupt- und Realschullehramt seien zudem zu wenige Bewerbungen eingegangen, daher seien wieder mehr Gymnasiallehrkräfte eingestellt worden.

Aus der GEW Nordrhein-Westfalen hieß es zu Schuljahresbeginn: „Auf dem Papier regierungsamtlicher Verlautbarungen und Statistiken ist die Lage gut. In den Schulen jedoch ist der Alltag viel zu oft gekennzeichnet durch Mängelverwaltung und die säumige Umsetzung von Versprechungen.“

In Rheinland-Pfalz könnten die meisten Schulen, insbesondere Gymnasien, Integrierte Gesamtschulen und Re­alschulen plus, zwar wieder damit rechnen, dass die zur Verfü­gung stehenden Planstellen durch ausgebildete Lehrkräfte besetzt werden, teilte der GEW-Landesverband mit. Im Vergleich zum Vorjahr gebe es jedoch weniger ausgebildete Lehrkräfte im Bewerberin­nen- und Bewerberportal des Landes. „Besonders dramatisch ist die Situation im Bereich der Förder- und Schwerpunktschulen.“

„Wir rechnen damit, dass die ausgewiesene Unterrichtsversorgung durchschnittlich nur noch bei etwa 96 Prozent liegen wird.“ (Eva Gerth)

Das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) hat zwar durch die Kürzung der Stundentafel mehrere hundert Lehrerinnen- und Lehrerstellen eingespart. Trotzdem habe sich die Einstellungssituation an Oberschulen und Berufsbildenden Schulen landesweit verschlechtert und an Förderschulen kaum verbessert, kritisierte der GEW-Landesverband. In den Regionen Bautzen und Chemnitz konnten die geplant Einstellungen in vier von fünf Schularten nicht realisiert werden. Zwar sei es gelungen, mehr Grundschullehrkräfte einzustellen als in den vergangenen Jahren, spürbar werde dies aber nur an Schulen in Leipzig und Dresden. 

„Unterrichtsausfall wird zum neuen Hauptfach“, stellte die GEW Sachsen-Anhalt fest: „Nach wie vor fehlen Lehrkräfte in erheblicher Größenordnung.“ Obwohl mehr Stellen als in der Vergangenheit ausgeschrieben werden, könne das Land die hohe Zahl der Lehrkräfte, die die Schulen verlassen, nicht kompensieren. „Wir rechnen damit, dass die ausgewiesene Unterrichtsversorgung durchschnittlich nur noch bei etwa 96 Prozent liegen wird“, sagte die Landesvorsitzende Eva Gerth. Den Erfahrungen der vergangenen Jahre zufolge steigen die Ausfälle von Lehrkräften etwa durch Langzeiterkrankungen, Mutterschutz und Elternzeit weiter, so dass voraussichtlich „mehr als jede zehnte Unterrichtsstunde in diesem Jahr nicht regulär erteilt werden kann“.

„Vertretungsstellen sind mit Menschen besetzt, die keine vollständige Lehrerausbildung haben.“ (Katja Coordes)

In Schleswig-Holstein fehlen vor allem an der Westküste, in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg, sowie im Hamburger Umland Lehrkräfte. „Die mehr als 200 nicht besetzten regulären Planstellen sind nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Vertretungsstellen sind mit Menschen besetzt, die keine vollständige Lehrerausbildung haben“, sagte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Katja Coordes. Vielerorts fehlten speziell an Grundschulen Lehrerinnen und Lehrer. Aber auch Sonderschul- und Berufsschullehrkräfte werden dringend gesucht. 

„Wir benötigen dringend mehr Stellen, um die Unterrichtsversorgung in den Schulen zu sichern und um die Lehrerreserve aufzustocken, damit Ausfälle kompensiert und die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen entlastet werden“, verlangte die Landesvorsitzende der GEW Saarland, Birgit Jenni. Die zusätzlichen Stellen seien auch für eine Umsetzung der Inklusion dringend notwendig. Dass Lehrkräfte in Freiwilligen Ganztagsschulen nachmittags eine reine Hausaufgabenaufsicht machten, nannte sie „eine Verschwendung von Ressourcen, da diese Lehrkräfte dringend für den Unterricht benötigt werden“.

Im Thüringer Schuldienst gab es zwar noch nie so viele Einstellungen wie aktuell – „und dennoch kein zusätzliches, unbefristet angestelltes Personal, da es nur Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Pädagoginnen und Pädagogen sind“, erklärte der GEW-Landesverband. Je ländlicher und je mehr Randregion, umso schwieriger werde es, Bewerberinnen und Bewerber zu finden. An einzelnen Grundschulen in der Stadt Gera sei im neuen Schuljahr nur noch der Unterricht in den „Hauptfächern“ abgesichert, Lehrkräfte müssten teilweise in zwei Klassen Klassenlehrertätigkeit übernehmen. Besonders schwierig sei auch die fachgerechte Besetzung im Gymnasialbereich in den Fächern Mathematik und Physik. Viele Stellenbesetzungen ließen sich nicht realisieren, weil auch in den Schulämtern Personal fehle.