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„Nachwuchs“-Pakt unter der Lupe

Mit insgesamt einer Milliarde Euro will die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern über ein Bund-Länder-Programm „zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ 1.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren unterstützen.

(Foto: Colourbox.de)

In ihrem Köpenicker Appell hat die GEW bereits 2013 ein „Programm für verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft“ vorgeschlagen. Vergangenen Freitag, 20. Mai 2016, hat sich die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern auf ein Bund-Länder-Programm „zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ verständigt. „Gut so – aber nicht genug“, hat die Bildungsgewerkschaft GEW in einer ersten Stellungnahme kommentiert.

Mit insgesamt einer Milliarde Euro sollen über das Programm 1.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren gefördert werden. Die Förderung soll sich über einen Zeitraum von 15 Jahren, also von 2017 bis 2032 erstrecken – bis zur GWK-Sitzung war stets ein Zeitraum von zehn Jahren genannt worden. Eine Tenure-Track-Professur solle eine Laufzeit von bis zu sechs Jahren haben, im Falle der Geburt oder Adoption eines Kindes soll sie um ein Jahr pro Kind, maximal um zwei Jahre verlängert werden.

Zu begrüßen ist, dass das Programm auf die Etablierung eines „echten“ Tenure Track abzielt, d. h., das Programm sieht nach einer erfolgreichen Bewährungsphase den unmittelbaren Übergang in eine Lebenszeitprofessur vor. Weiter ist das Programm erfreulicherweise auf Nachhaltigkeit angelegt: Die geschaffenen Tenure-Track-Professuren sollen auch nach Ende der Laufzeit erhalten bleiben, die Zahl der unbefristeten Professorinnen und Professoren soll dauerhaft um 1.000 erhöht werden, um Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Antragstellende Universitäten müssen ein Personalentwicklungskonzept nachweisen, das systematische Überlegungen unter anderem zur Weiterentwicklung der Karrierewege für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler enthält. All dies sind Anforderungen, die die GEW in ihrem „Fünf-Punkte-Programm zur Durchsetzung des neuen Befristungsrechts“ vom März 2016 formuliert hat.

Kritisch zu bewerten ist aus Sicht der GEW zum einen, dass der tatsächliche Bedarf an Tenure-Track-Professuren deutlich höher liegt. Wir brauchen 5.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern tatsächlich berechenbare Karriereperspektive zu eröffnen und die Betreuungsrelation zwischen Studierenden und Professorinnen und Professoren spürbar verbessern zu können – das ergibt sich aus Berechnungen, die Dr. Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung der Universität Halle-Wittenberg im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung angestellt und beim 7. Follow-up-Kongress zum Templiner Manifest am 21. April in Berlin präsentiert hat.

Auch in qualitativer Hinsicht weist das Bund-Länder-Programm Defizite auf. So enthält das Programm keine verbindlichen gleichstellungspolitischen Standards. Der Vorschlag der GEW, mindestens 50 Prozent der Stellen für qualifizierte Wissenschaftlerinnen zu reservieren, wurde nicht aufgegriffen. Die von den antragsstellenden Universitäten vorzulegenden Gesamtkonzepte müssen zwar Aussagen zur besseren „Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf dem Weg zur Professur“ treffen, gleichstellungspolitische Festlegungen werden aber nicht ausdrücklich verlangt. Kritisch zu sehen ist weiter, dass der in das Programm aufgenommene 15-prozentige „Strategieaufschlag“ zwar den Universitäten eine angemessene Ausstattung der Tenure-Track-Professuren erleichtern wird, aber wohl kaum für die dringend erforderlichen Dauerstellen für Daueraufgaben sorgen dürfte, die wir im akademischen Mittelbau brauchen. Problematisch ist schließlich die Zusammensetzung des Auswahlgremiums, das über die Anträge entscheiden soll. Ihm sollen zwar auch „Vertreterinnen und Vertreter des wissenschaftlichen Nachwuchses“ angehören, nominiert würden diese aber nicht etwa von legitimierten Vertretungen wie ihrer Gewerkschaft, sondern von und Ländern „unter Einbeziehung der Hochschulrektorenkonferenz, des Wissenschaftsrats und der Deutschen Forschungsgemeinschaft“ – also Institutionen, die sich bereits bei der Auseinandersetzung über die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes einseitig an Arbeitgeberinteressen orientiert haben.

Ach ja, eins noch: Warum heißt das Programm immer noch Programm zur Förderung des „wissenschaftlichen Nachwuchses“? Dass hoch qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zwei Studienabschlüsse in der Tasche haben, promoviert sind, publiziert haben, Drittmittel eingeworben haben und sich am Ende in einem Berufungsverfahren unter Beteiligung international ausgewiesener Gutachterinnen und Gutachter durchsetzen, aus dem Krabbelalter heraus sind, sollte sich auch bei den Wissenschafts- und Finanzministerien von Bund und Ländern herumgesprochen haben.

Die von der GWK beschlossene Verwaltungsvereinbarung bedarf der Zustimmung der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern, deren Konferenz für den 16. Juni angesetzt ist.

"Für gute Forschung und Lehre" – Online-Petition gegen Exzellenzinitiative

Ebenfalls auf der Tagesordnung der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 16. Juni: die von der GWK bereits am 22. April beschlossenen Pläne zur Zukunft der Exzellenzinitiative sowie die vergangenen Freitag auf den Weg gebrachte "Förderinitiative 'Innovative Hochschule'", in deren Rahmen über einen Zeitraum von zehn Jahren mit insgesamt 550 Millionen Euro der forschungsbasierte Ideen-, Wissens- und Technologietransfer an Fachhochschulen und mittleren Universitäten gefördert werden soll. Ein weiterer Meilenstein im Rahmen des Trends von Bund und Ländern, finanzielle Mittel von der Grundfinanzierung der Hochschulen hin zur wettbewerbsförmigen Projektfinanzierung zu verlagern. Die GEW hatte daher bereits in ihrem Fünf-Punkte-Programm vom März Bund und Länder aufgefordert, die Weichen für eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen zu stellen – bevor sie grünes Licht für die Fortsetzung der Exzellenzinitiative geben. Bund und Länder sollten die Möglichkeiten des gelockerten Kooperationsverbots für eine Entfristungsoffensive nutzen, die auch neben der Professur ausreichend Dauerstellen für die Wahrnehmung von Daueraufgaben der Hochschulen in Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement schafft. Die Personalkategorien neben der Professur sind nämlich bereits beim Programm für den "wissenschaftlichen Nachwuchs" nahezu komplett außen vor geblieben.

Unterdessen haben 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Online-Petition "Für gute Forschung und Lehre – Argumente gegen die Exzellenzinitiative" gestartet. Mit der Petition möchten die Initiatorinnen und Initiatoren "sichtbar machen, dass die Exzellenzinitiative von vielen Forschenden, Lehrenden und Studierenden in Deutschland klar und deutlich abgelehnt wird". Es wird eine Reihe von Argumenten gegen die Exzellenzinitiative angeführt: die "künstlich inszenierte Dauerkonkurrenz um staatliche Mittel", die angestrebte Hierarchisierung des Hochschulsystems, aber auch die Erhöhung der Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse in Folge der Exzellenzförderung. "Statt weiter überproportional in die Prestigekonkurrenz zu investieren, sollte die Hochschulpolitik tiefer liegende Probleme angehen", fordern die Petentinnen und Petenten - etwa "Mittel gegen die strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen bereitstellen" oder "gesicherte Berufsaussichten für Forschende und Lehrende schaffen".

Die Petition wird bereits von über 2.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern unterstützt und kann online unterschrieben werden.